1903
J U GEN D
Nr. 9
Der Retter
Herr r>. Oldenburg im Tirkus Busch: Das Cciitrum könne
dem Bund alS Vorbild dienen: er müsse ebenso kreu zu Kaiser und Reich
stehen, das Vaterland schützen und rücksichtslos seine Interessen wahr-
nebmen. Schließlich müßten nur mehr zwei Parteien einander gegenüber
sieben, der Bund — für Vaterland, Religion und Monarchie,
und die Sozialdemokratie — der Geist der Negation!
Sei auch gleich des Larnevals
Hier gedacht, der jedenfalls
Auch mit der Zekundität
vielfach in Beziehung steht.
Ganz besonders treibt es dieser
Ueppig an der grünen Isar.
An Redouten, Bai par£s,
Tanzenden, maskirten Thee's,
Kränzchen, großen, wie auch kleinen,
Bällen, ferner in Vereinen,
Ist ein solcher Ueberfluß,
Daß man schier befürchten muß.
Unser Zasching geht jetzund
An Hypertrophie zu Grund.
Namentlich auf den Redouten
Schaudert's jeden wahrhaft Guten:
Lasterhafte Dominos
Setzt man da auf seinen Schooß,
Stürzt sich in ein Abenteuer —
Trotz der 50 Pfennig-Steuer
Zließt in Strömen, ohne Stocken,
Söhnlein. Deinhard, Henckell trocken.
Schinken, Lmmenthaler Käse,
Zisch- und Hummermayonnaise,
Beefsteaks mit und ohne Li
Schleppt der Kellner da herbei.
Decolletirt bis an die Hüften,
parfümirt mit schwülen Düsten,
Ungenirt bis zu Lrcessen
Sitzt der Domino beim Essen —
Will man aber dann nach Haus,
Ach! Dann kneift er meistens aust
Doch die sittenreinen Drte,
Wo die Tugend kommt zu Worte,
Und, oft der Verzweiflung nah,
Wartend sitzt die Ballmama,
Um, so nach dem Lotillon,
Irgend einen Schwiegersohn,
Mit gerührten Mutterblicken
Liebevoll an's Her; zu drücken —
Solche lobenswerthe Stellen
Meiden diese Junggesellen
Und mit frechem Achsellüpfen
Spotten sie von — «Lämmerhüpfen",
Denn die Unschuld reizt sie nicht!
Ach, mit traurigem Gesicht
Blüht die Blume himmelblauer
Unschuld weiter an der Mauer! —
Gott sei Dank! Auch die Lpoche
Lndigt nun in dieser Woche.
Endlich stirbt das Sündenwesen.
Mit der Buße rauhem Besen
Zährt der Aschermittwoch d'rein,
Zegt die Lasterstätten rein. *)
Massenweise werden jetzt
Zrack und Domino versetzt
Und es herrscht die reine Sitte
Wieder in der Menschheit Mitte!
- II er ml »t
*) Siehe das Bild von Julius Diez, auf der
letzten Seite!
Hus der „Pfarrerkathl“
Die Bande der Disziplin sind innerhalb der
katholischen Rieche glücklicherweise noch nicht
gelockert.
„Also, Rathl," sagte Hochwürden eines
Abends nach einer zienilich heftigen Ausein-
andersetzung betrübt, „Du bist aa von dcnc
Rcformidccn ang'ftcckt und möchtst 's Unterst
z' oberst kehren!"
Nach gründlichem Vorhalt aber konnte er
befriedigt murmeln:
„Kathl laudabiliter se subjecit.“
Die kettlge Hllianj
In Hirschberg in Schlesien haben sich der Rabbiner,
der katholische Stadtpfarrer und der protestantische
Pastor zusammengethan, um einen Vortragsabend
zu veranstalten, in dem Friedrich Rieysche als
der Zeind jedes Gottesglaubens, der christlichen Sitt-
lichkeit und der edlen Menschlichkeit widerlegt wer-
den soll.
Das nennt man die echte Toleranz:
Protestant. Katholik und Rabbiner,
Sie schließen die heilige Allianz,
Zu tödten die Götzendiener.
„verdammt ist längst zu ewiger Pein
Der Gotteslästerer Rietzsche.
Wir beten ihn in die Hölle hinein;
Da brate der Ketzer und quietsche!
Da vergeht ihm das Uebermenscheln ganz,
Wenn die Zlamme leckt an der Blöße!
Da betet er schaudernd den Rosenkranz,
Jenseits von Gut und von Böse!"
So hört man die frommen Bekenner schrci'n
Der verschiedenen Lonfesstonen.
Man glaubte, daß sie wie Brüderlein sein
Einträchtig zusammen wohnen!
Doch Tags darauf — o welche Roth! —
Trotz ihres heil'gen Lomplottes,
Da schlagen sie wieder sich selber todt —
von wegen des lieben Gottes! cri-cn
Monroe-Doctrin
lvir erhalten aus Bcw-Pork folgende
Zuschrift:
Dear Sir! I have in the durch
journals gelest, You weißen not, wat is
Monroe doctrin, and I will You give
sncll an explication very simple, ein ein-
faches Erkläring fon this, ueil ich Sie
liebe. Well! For example, ich habe a
dog, ein Hund, and You pay me a visit,
machen ein visit in mein Sans, and my
dog beißt Sie in the leg, der Bein! Very
good ! I can das Hund not forbid, nicht
verbieten, Sie zu beißen, aber I can You
forbid zu flageu, my dog, not ? And
nenn Sie vollen, You can verklagen,
accuse, my dog, aber ich uerde not pay,
nicht befallen, uas er Sie gebeißt in the
Bein. You have comprehended? That
is Monroe-doctrin! Gder for example,
Sie fallen of my hedge, in mein Zaun,
uas is verry thorny, yes, hat vieles vorn,
and zerreissen Ihren breeches, Hosen.
Good! Ich „erde Sie uerfen aus mein Zaun
heraus, aber ich uerde You not purchase, kaufen,
einen neuen Hof, ueil Sie have nothing to seek,
You haben nix to suchen in mein Zaun! You
have comprehended? That is Monroe-doctrin.
Oder for example, ich fahren in ein (loupe of
the railway, first dass, and ich legen my Bein
auf an other place. Well! Sie uollen vielleidst
auch ein place, and haben paid for das place uo
ich haben my Bein? Allright! Sie muffen nun
see, sehen, nie Sie corne to your place, denn so
ucit reichen my Bein, so ucit reichen auch my
doctrin. HaVe you comprehended? That is
Monroe-doctrin. And nenn Sie nehmen my
Bein und es uollen legen down, herunter, ich
uerde make a little boxing with You, bis You
have a Gesicht nie ein Lotelctte! Very good,
not? That is Monroe-doctrin. Have You
comprehended? I.am with thousand compliments
your Uncle Sam
Hm Stammtisch
A. : Glauben ©’, Herr Nachba — Amerika ist
das einzige Land, in dem man's noch zu was bringn
kann. Da Hab id) in die „Neuesten" g'lesen, daß
ein einsacher Millibua zuletzt mehrfacher Millionarer
worden is!
B. : Da brauchcns doch net nach Amerika z' geh'»,
bei uns kann maus nvd> viel weiter bringen; ab-
gesehen davon, daß der Weg zum Commerzien-
rath jedem strebsamen Bürger offen steht, schauens
nur unsere sehr verehrten Bürgermeister an.
Die sind zuerst in dnplo adelig worden, dann
haben sie's wegen ihrer hygienischen Verdienste in
daplo zum voetor honoris causa gemacht, und
jetzt weiß man keinen Augenblick, was g'schieht,
wenn das Papst-Jubiläum vorbei ist.
6.: No, da Werdens halt einen Orden krieg'n!
B.: Warum net gar, den kann man nick>t an dei:
Namen hinhängen; da wird sck>on wieder ein Titel
herausspringen; am End thuan's sies gar in äuplo
selig sprechen.
A. : Dös geht ja net, da müßtens ja g'storben sein.
B. : Gott bewahre, man thät's halt zu „Heilige"
humori» causa machen!
C. : Höher gchts aber nimmer! Benno
Cameval der Literatur
Bunte Kleider auf den Leibern
Werden Weiber hier zu Männern,
Werten Männer hier zu Weibern,
Werden Stümper hier zu Könnern,
Wird der Bettler hier zum König,
Den die Narren jubelnd krönen —
Aber warte nur ein wenig.
Bis die Morgenglockcn dröhnen! k. t.
149
J U GEN D
Nr. 9
Der Retter
Herr r>. Oldenburg im Tirkus Busch: Das Cciitrum könne
dem Bund alS Vorbild dienen: er müsse ebenso kreu zu Kaiser und Reich
stehen, das Vaterland schützen und rücksichtslos seine Interessen wahr-
nebmen. Schließlich müßten nur mehr zwei Parteien einander gegenüber
sieben, der Bund — für Vaterland, Religion und Monarchie,
und die Sozialdemokratie — der Geist der Negation!
Sei auch gleich des Larnevals
Hier gedacht, der jedenfalls
Auch mit der Zekundität
vielfach in Beziehung steht.
Ganz besonders treibt es dieser
Ueppig an der grünen Isar.
An Redouten, Bai par£s,
Tanzenden, maskirten Thee's,
Kränzchen, großen, wie auch kleinen,
Bällen, ferner in Vereinen,
Ist ein solcher Ueberfluß,
Daß man schier befürchten muß.
Unser Zasching geht jetzund
An Hypertrophie zu Grund.
Namentlich auf den Redouten
Schaudert's jeden wahrhaft Guten:
Lasterhafte Dominos
Setzt man da auf seinen Schooß,
Stürzt sich in ein Abenteuer —
Trotz der 50 Pfennig-Steuer
Zließt in Strömen, ohne Stocken,
Söhnlein. Deinhard, Henckell trocken.
Schinken, Lmmenthaler Käse,
Zisch- und Hummermayonnaise,
Beefsteaks mit und ohne Li
Schleppt der Kellner da herbei.
Decolletirt bis an die Hüften,
parfümirt mit schwülen Düsten,
Ungenirt bis zu Lrcessen
Sitzt der Domino beim Essen —
Will man aber dann nach Haus,
Ach! Dann kneift er meistens aust
Doch die sittenreinen Drte,
Wo die Tugend kommt zu Worte,
Und, oft der Verzweiflung nah,
Wartend sitzt die Ballmama,
Um, so nach dem Lotillon,
Irgend einen Schwiegersohn,
Mit gerührten Mutterblicken
Liebevoll an's Her; zu drücken —
Solche lobenswerthe Stellen
Meiden diese Junggesellen
Und mit frechem Achsellüpfen
Spotten sie von — «Lämmerhüpfen",
Denn die Unschuld reizt sie nicht!
Ach, mit traurigem Gesicht
Blüht die Blume himmelblauer
Unschuld weiter an der Mauer! —
Gott sei Dank! Auch die Lpoche
Lndigt nun in dieser Woche.
Endlich stirbt das Sündenwesen.
Mit der Buße rauhem Besen
Zährt der Aschermittwoch d'rein,
Zegt die Lasterstätten rein. *)
Massenweise werden jetzt
Zrack und Domino versetzt
Und es herrscht die reine Sitte
Wieder in der Menschheit Mitte!
- II er ml »t
*) Siehe das Bild von Julius Diez, auf der
letzten Seite!
Hus der „Pfarrerkathl“
Die Bande der Disziplin sind innerhalb der
katholischen Rieche glücklicherweise noch nicht
gelockert.
„Also, Rathl," sagte Hochwürden eines
Abends nach einer zienilich heftigen Ausein-
andersetzung betrübt, „Du bist aa von dcnc
Rcformidccn ang'ftcckt und möchtst 's Unterst
z' oberst kehren!"
Nach gründlichem Vorhalt aber konnte er
befriedigt murmeln:
„Kathl laudabiliter se subjecit.“
Die kettlge Hllianj
In Hirschberg in Schlesien haben sich der Rabbiner,
der katholische Stadtpfarrer und der protestantische
Pastor zusammengethan, um einen Vortragsabend
zu veranstalten, in dem Friedrich Rieysche als
der Zeind jedes Gottesglaubens, der christlichen Sitt-
lichkeit und der edlen Menschlichkeit widerlegt wer-
den soll.
Das nennt man die echte Toleranz:
Protestant. Katholik und Rabbiner,
Sie schließen die heilige Allianz,
Zu tödten die Götzendiener.
„verdammt ist längst zu ewiger Pein
Der Gotteslästerer Rietzsche.
Wir beten ihn in die Hölle hinein;
Da brate der Ketzer und quietsche!
Da vergeht ihm das Uebermenscheln ganz,
Wenn die Zlamme leckt an der Blöße!
Da betet er schaudernd den Rosenkranz,
Jenseits von Gut und von Böse!"
So hört man die frommen Bekenner schrci'n
Der verschiedenen Lonfesstonen.
Man glaubte, daß sie wie Brüderlein sein
Einträchtig zusammen wohnen!
Doch Tags darauf — o welche Roth! —
Trotz ihres heil'gen Lomplottes,
Da schlagen sie wieder sich selber todt —
von wegen des lieben Gottes! cri-cn
Monroe-Doctrin
lvir erhalten aus Bcw-Pork folgende
Zuschrift:
Dear Sir! I have in the durch
journals gelest, You weißen not, wat is
Monroe doctrin, and I will You give
sncll an explication very simple, ein ein-
faches Erkläring fon this, ueil ich Sie
liebe. Well! For example, ich habe a
dog, ein Hund, and You pay me a visit,
machen ein visit in mein Sans, and my
dog beißt Sie in the leg, der Bein! Very
good ! I can das Hund not forbid, nicht
verbieten, Sie zu beißen, aber I can You
forbid zu flageu, my dog, not ? And
nenn Sie vollen, You can verklagen,
accuse, my dog, aber ich uerde not pay,
nicht befallen, uas er Sie gebeißt in the
Bein. You have comprehended? That
is Monroe-doctrin! Gder for example,
Sie fallen of my hedge, in mein Zaun,
uas is verry thorny, yes, hat vieles vorn,
and zerreissen Ihren breeches, Hosen.
Good! Ich „erde Sie uerfen aus mein Zaun
heraus, aber ich uerde You not purchase, kaufen,
einen neuen Hof, ueil Sie have nothing to seek,
You haben nix to suchen in mein Zaun! You
have comprehended? That is Monroe-doctrin.
Oder for example, ich fahren in ein (loupe of
the railway, first dass, and ich legen my Bein
auf an other place. Well! Sie uollen vielleidst
auch ein place, and haben paid for das place uo
ich haben my Bein? Allright! Sie muffen nun
see, sehen, nie Sie corne to your place, denn so
ucit reichen my Bein, so ucit reichen auch my
doctrin. HaVe you comprehended? That is
Monroe-doctrin. And nenn Sie nehmen my
Bein und es uollen legen down, herunter, ich
uerde make a little boxing with You, bis You
have a Gesicht nie ein Lotelctte! Very good,
not? That is Monroe-doctrin. Have You
comprehended? I.am with thousand compliments
your Uncle Sam
Hm Stammtisch
A. : Glauben ©’, Herr Nachba — Amerika ist
das einzige Land, in dem man's noch zu was bringn
kann. Da Hab id) in die „Neuesten" g'lesen, daß
ein einsacher Millibua zuletzt mehrfacher Millionarer
worden is!
B. : Da brauchcns doch net nach Amerika z' geh'»,
bei uns kann maus nvd> viel weiter bringen; ab-
gesehen davon, daß der Weg zum Commerzien-
rath jedem strebsamen Bürger offen steht, schauens
nur unsere sehr verehrten Bürgermeister an.
Die sind zuerst in dnplo adelig worden, dann
haben sie's wegen ihrer hygienischen Verdienste in
daplo zum voetor honoris causa gemacht, und
jetzt weiß man keinen Augenblick, was g'schieht,
wenn das Papst-Jubiläum vorbei ist.
6.: No, da Werdens halt einen Orden krieg'n!
B.: Warum net gar, den kann man nick>t an dei:
Namen hinhängen; da wird sck>on wieder ein Titel
herausspringen; am End thuan's sies gar in äuplo
selig sprechen.
A. : Dös geht ja net, da müßtens ja g'storben sein.
B. : Gott bewahre, man thät's halt zu „Heilige"
humori» causa machen!
C. : Höher gchts aber nimmer! Benno
Cameval der Literatur
Bunte Kleider auf den Leibern
Werden Weiber hier zu Männern,
Werten Männer hier zu Weibern,
Werden Stümper hier zu Könnern,
Wird der Bettler hier zum König,
Den die Narren jubelnd krönen —
Aber warte nur ein wenig.
Bis die Morgenglockcn dröhnen! k. t.
149
[nicht signierter Beitrag]: Aus der "Pfarrerkathl"
A. De Nora: Der Retter
Cri-Cri: Die heilige Allianz
Benno: Am Stammtisch
Arthur Hirth: Fastenspeise
[nicht signierter Beitrag]: Monroe-Doktrin
[nicht signierter Beitrag]: Der Retter
Monogrammist Frosch: ZIllustration zum Text "Der Retter"
K. T.: Carneval der Literatur
A. De Nora: Der Retter
Cri-Cri: Die heilige Allianz
Benno: Am Stammtisch
Arthur Hirth: Fastenspeise
[nicht signierter Beitrag]: Monroe-Doktrin
[nicht signierter Beitrag]: Der Retter
Monogrammist Frosch: ZIllustration zum Text "Der Retter"
K. T.: Carneval der Literatur