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1903

E. L. Hoess (Immenstadl)

füglich steigt die Frühlingswoge höher, und wenn sie auch einmal
oB znrücksinkt, hinterläßt sie doch den verheißungsvollen grünen Rand.
Jetzt hat sie schon den Buchenwald erreicht. Das bläuliche Braun des
Winters überhaucht ein grüner Schimmer, erst nur an den großen
Contonrcn sichtbar; da und dort erhebt sich eine grüne Spritzwelle und
kann nicht mehr zurück, — ein frühes Bnchenncst. Jetzt ist es höchste

Heit, wenn auch höher obek. zwilchen dem bläulichen Geäst noch der
Schnee hindurchschimmert. — Der große Pan ist wach und schreitet durch
das Gebirge!

Ich weiß die Höhle, wo er seinen Winterschlaf hält, ich kenne auch
seine Fährte, die herausführt über den Firnschnee. Erst hielt ich sie für
eine wackere Hirschfährte, dann erkannte ich den Pferdefuß; aber daß er
hinkt, ist eine infame Lüge, die ihm seine Feinde aufgebracht, im Gegen-
theil, jünglinghafl und mannssicher ziehb-ste sich. Die Schläfer weckt er
und die Träumer, die Knospen und die Kelche, die Säfte und die Kräfte,
die Schwingen und die Stimmen. — — Und da ich's auf einen solchen
Träumer abgesehen, darum ist es höchste Zeit.

Jakl, der Jäger, hat ihn in zehn schlaflosen Nächten ausgemacht!
Hoch oben auf der Laaneischneid steht er in einer Buch wie „eingemauert".
Aber gestern is er schon a bist unruhig g'wesen und wie die erste Heim'
gackert hat, is er durch. Wissen'? eh', wann die Luader amal anfanga —"

„Aber das ist ja ihre Pflicht zu gackern, Jakl. Die Henne, die nicht
gackert, legt auch kein Ei. Mußt's nicht schelten deswegen," belehrte ich.

„Woll, woll — aber i moan halt, zum schiaßen is er bessa, wenn er
grad tramt von der Sach', als wenn er's schon die längst' Zeit auskost
hat, kimmt mir für." Jakl legte mit einer Geberde tiefinnerster Ueber-
zeugung die Hand auf seine breite Brust.

Und ich kann ihm ehrlich nicht widersprechen. „Na, da packen wir's
halt an, ist ohnehin ein Grenzhahn."

Die Laanerschneid ist für die Nacht zu weit, so gehen wir auf die
Fönnerhütte zum übernachten, so Hälfte Weges gelegen. Erst durch frische
Wiesen, da und dort in den Hausgärten wird schon gemäht, köstlicher
Geruch weht herüber, unter Kirfch- und Apfelblüthen hindurch, und die
Birken duften und die Weiden, — dann in den Wald, — kaum wagen
sich die Knospen heraus aus den Gesträuchen, die Fichten haben das braune
Häutchen noch nicht gesprengt, aber die Buchen sind schwer trächtig, da
und dort ist schon ein Blättchen geboren, ein Treiben und Drängen und
Sprengen, in dem dürren Fichtengeäst, gaukelt, nestelt, zankt und zirpt
die rastlose Meise, — allmählich erscheinen Schneeflecken im Schatten alter
Stämme, an denen die goldene Abendsonne nagt, — die Luft wird kühl
und herb, von feinstem Aroma erfüllt, lieber einem leeren Schlag taucht
ein mächtiges Schncehanpt auf, langsam klettert die Sonne daran empor
zum Gipfeb

Die Fönnerhütte liegt noch im Schnee. Der Jakl will eben den
Schlüssel herausholen aus dem Lersteck, da tönt's ganz sommerlich her
über die nahe Alm, die im fahlen Gelb zwischen den Bäumen hindurch-
blitzt, eine junge quellfrische Stimme. — Der Jakl verfehlt das Schlüssel-
loch vor Staunen. „Jessas, die Agll" Er schüttelt schmunzelnd den Kopf.
„Was hat denn jetzt die-da muaß i doch glei' —"

Gröbliche Winterlnft weht uns entgegen, als er die Thür öffnete.
Ans dem Steinherd weht die alte Asche auf. Jakl hat eine seltsame Un-
ruhe erfaßt, er stellt sein Gewehr weg I kramt in den Spähnen unter dem
Herd, klopft sich alle Taschen nach einem Zündhölzchen ab-

„Wenn i do' z'erst ans d' Alm gang? A frische Milli zum Kaffee —
was?" Er blinzelt mir verschmitzt zu.

„Wenn d' do' z'erst Feuer machen thätst — was?" erwiderte ich
in demselben Ton.

„Wie's inoana — wenn's Jhna friert?"

Der hinterlistige Spott ärgert mich. Ich wende mich ab und erwidere
nichts darauf.

Jakl schürt ein wahres Höllenfeuer. Die Agl läßt noch einmal ihren
Lockruf ertönen.

„Jetzt hot'^halt Dei' Milch."

„Wollen Sie koane?"

Ich antworte nie auf seine Malicen. „Kannst ja .die Agl mitbringen
zum Plauschen."

„Das versteht's schon, da fehlt si' nix. Wenn's nur geht —"

„Sie geht schon, — geh' nur Du jetzt."

„Wenn S' ma ei'schiir'n anscharf'n —"

Das ist so seine Art, nur das Schweigen rettet.

Jakl geht boshaft langsam der Alm zu.

Ich mache mir es bequem, setze den Kaffee zu. Es wird behaglich
warm ani Feuer. Jetzt kann die Agl kommen. Aber sie kommt nicht,
das thut der Jakl mir zu Fleiß. Ich gehe an die Thüre. Es dunkelt
schon unter den Fichten, zwischen den Stämmen erstirbt die letzte Gluth.
— Kein Jakl. — Ein schwüles Lüftl flackert, eine Drossel träumt irgendwo
laut. Das habe ich schlau gemacht, den Menschen Milch holen zu lassen
bei der Agl, an so einem Abend, — in der Balzzeit.

Der Kaffee ist längst fertig, sein Aroma vertreibt den muffigen
Wintergeruch aus dem heimlichen Raum.

Endlich klopft sich Jakl draußen möglichst lärmend die Stiefel ab.
Wenn er allein kommt, blas' ich ihm einen tüchtigen Landler.. „Aber so
lang' ausbleibenl" rufe ich hinaus.

Die Thüre wird schüchtern geöffnet. Die Agl tritt herein, im himmel-
blauen Spenzer, eine schlohweiße Schürze vor. das Haar gezöpft, die Un-
schuld selbst. „Der Jakl hat g'moant, sonst hätt' i mi wohl net verlanbt —"

„Aber daß Du Dein Sonntagsgewand anziehst, hat er hoffentlich net
g'moant."

„Bei so an Herrn, war net ans — “

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Register
Anton Frh. v. Perfall: Auerhahnbalz
Eugen Ludwig Hoess (Höß, Hoeß): Titelbild zum Text "Auerhahnbalz"
 
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