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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 8.1903, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28
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https://doi.org/10.11588/diglit.3900#0024
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Nr. 28

JUGEND

1903

Sommerabend

Nun reich mir Deine liebe Hand
Und laß mich Deinem Herzen lauschen!

Der Himmel steht in Purpurbrand.

Hörst Du des Tags entferntes Rauschen?

Schon träumt vom Berge leis die Nacht
Auf ihren geisterhaften Schwingen.

Da ist ein stiller Traum erwacht
Im Dufte schwankender Syringen.

In Deinen Augen forscht mein Blick,

Welch Märchen sich ihm offenbare —

Und über uns schwebt leis das Glück
Mit seinem goldnen Flügelpaare.

Karl Scbantj

Soziale Frage

„Hören Sie mir auf mit dem Sozialismus," sagte einer zum
andern in einer Volksversammlung; „sehen Sic nur diese Physio-
gnomien: Dhiergesichtcrl"

Der andre aber sah hinter all den stumpfen Dhiergestchtern
— wie im Gefängniß der armen Bestie — wirr und hilflos die
Seele flattern, die mit bangem Flügelschlag angstvoll das Freie
sucht....

Splitter

Ein Rciterium des pöbclmenschen: wenn er sich mit Jeman-
dem entzweit hat, unterläßt er als erstes — den Gruß. Der
Hut auf seinem Ropf ist die nächste armselige „Macht", die
er den andern fühlen läßt. Grete meisel-fiCSS

JIus einem (Zyklus:

„Der üod und die Bauern"

von Jfrtbur Srtnibart

I.

Auf die Nachricht, daß mehrere Auerhähne balzten, war ich aus
der Stadt gekommen und erreichte gegen 9 Uhr Abends den einsamen
Hof des Sonnenbauern, bei dem ich übernachten mußte.

Im Haus war alles still und dunkel, nur die kleine Laterne im
Stall warf einen matten Lichtschein heraus auf den noch nicht völlig
schneefreien Weg.

Die Leute waren schon schlafen gegangen, es blieb mir nichts übrig,
als sie zu wecken. Ich stieß deshalb einigemale mit dem Kolben meiner
Büchse gegen die Hausthür uud begehrte laut rufend Einlaß.

Endlich ward es in einer Stube zu ebener Erde lebendig, ich sah
Licht und vernahm unverständliches Gebrumm, dann das Geräusch
klappernder Holzschuhe.

„Wer is drauß?" fragte eine weibliche Stimme.

„A Jagdfreund vom Bauern!" antwortete ich.

„Seids Ees der Herr aus der Stadt?"

„Ja freili!"

Jetzt knarrte ein Riegel und in der Flur stand die Sonnenbäuerin
selbst, eine üppige Frau, anfangs der Dreißiger mit verschlafnen Augen
und unordentlichem Haar.

Sie leuchtete mir ins Gesicht und zog das graue Wolltuch, daß sie
umgeworfen hatte, fester um die Brust, die nur dürftig von einem
geblümten Hemde bedeckt war.

„Der is net dumm der Bauer! Laßt der Euch aufmachn bei der
kaltn Nacht uud schnarcht selber drinn in der warmen Stubn!"

„Mei Mo is gstorbn!" unterbrach mich trüb die Frau, ,/s jung
Rooß hat chn gschlagn heut in der Fruah und am Abend is er scho
tot gwen. Aber kemmts do eini! es macht hübsch friesch da Herauß, —"

„Waas — tot is er!" rief ich erschüttert und folgte der Voran-
schreitenden ins Haus.

„Da liegt er drin, bals chn sehn wollts!" sagte sie, eine Thür öffnend.

Der unstäte Schein der Laterne, welche die Frau trug, glitt über
das schmerzlich entstellte, wachsbleiche Gesicht des Sonnenbauern,' es
schien bei dem unruhigen Geflacker, als bewege er leise die dunklen
Augenbrauen und die fahlen halboffnen Lippen.

Ich schauerte zusammen — so schnell dahingerafft der blühende,
lebensfreudige Mann! Wir schwiegen eine Weile, dann sagte die Frau:

Liebeswerben
Register
Arthur Schubart: Der Tod und die Bauern
Grete Meisel-Heß: Soziale Frage
Karl Schantz: Sommerabend
Eugen Ludwig Hoess (Höß, Hoeß): Liebeswerben
Grete Meisel-Heß: Splitter
 
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