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1903

JUGEND

Nr. 28

Den Sozialdemokraten ins
Stammbuch

Nun „gehört Euch also das Reich"

und „die Welt",

Nun ist also Jeder von Euch ein Held!

„Das Blatt hat sich gewendet" —

Wißt Ihr nun auch, was jetzt sich geziemt?
Ihr habt Euch immer so sehr gerühmt.

Daß Ihr es besser verstandet —

Gut! Wenn Ihr der Zukunft Träger seid,
Hier ist jetzt Rhodus! Macht Euch bereit!
Negieren! Nicht bloß negieren!

Laßt doch vom Stapel den neuen Trik!

Laßt doch die alte Gesetzfabrik
Mit Eurer Marke^floriren!

Gebt Ihr uns billiges Fleisch und Brot,
Schafft Ihr den Hunger ab und die Noth,
Helft Ihr den Armen, Gequälten,

Jagt Ihr die Mucker und Heuchler fort,

Bahnt Ihr eine Gasse dem freien Wort —

— Wir lassen Euch gerne gelten!

Doch schüttet, wollt Ihr die Klügern sein,

Auch etwas Wasser in Euren Wein,

Raubt nicht dem Staate die Stützen!

Ihr seid z. B. für Disziplin —

Laßt die in den bunten Röckchen drin
Euch ruhig weiter schützen.

Für Fortschritt und Propaganda seid
Auch Ihr, drum laßt um die Erde weit
Die deutsche Flagge wehen,

Und da „Privatsache Religion"

So laßt die Bibel von Babylon
Froh neben den andern stehen.

Thut Ihr das Alles, und mausert Ihr Euch
So fort, dann werdet im Deutschen Reich
Ihr bald der genius loci —

Schon hör' ich die Schwarzen schreien entsetzt:
„O Gott, statt unser regieret jetzt
Der kaiserlich deutsche Sozi!"

A. ». K.

Das Centrum und die Polen

- Jetzt

3n Horderney

(Es rauscht in den Badehütten,
verdächtig leuchtet das Meer,

Da schwimmt mit dem köstlichen Scheitel
Der schöne Bülow daher.

(Er schwimmt auf seinem Rücken,

Vas von der Biegsamkeit zeugt,

Und pfeift: „D Herr der ffluthen,

Dem Nix und Nex sich beugt.

Ich plätschre jetzt im Wasser
Und douch' und tauche chik,

Ich pfeif' heut auf die inn're
Und äuß're Politik.

(Es hieß zwar in der Zeitung,

Ich sei erbärmlich krank,

— Das war nur eine Kriegslist
Natürlich, Gott sei Dank.

Die Wahl war gar nicht übel,

Ich find' sie ganz famos.

Ich bin jetzt die Agrarier,

Die (Ekels, wenigstens los.

Ietzt kommen die Handelsverträge
Mit Leichtigkeit zu Stand.

Das bringt mir ohne Zweifel
Ein neues Drdensband."

Der Bülow klatscht auf's Wasser
Und schmunzelt hocherfreut.

Und Mohrchen bemerkt sehr richtig:

„Mein Herr, der is jescheit!" Helios

Würtfembergircher Sfofjfeufzer

Rach bekannter Melodie

Auf die schwäbische Eisebahne
Gibt es viele Hauptstatione,

Aber dees is zu saudumm,

Alles fahrt halt auße rum!

Badenser, Hesse, Bayre, Preiße —

'S möcht uin glei der Zoarn verreiße —
Daß da kuiua fahre ma'

Auf der schwäbische Eisebah'l

Kilian

Sevuttstagsklage

eines ljeufieüer'KranRen*)

Mel.: Crarnbambuli

Ach könnt ich doch mein Wiegenfest verschieben
und leicht und frei am letzten Mai des Daseins

mich erfreu'n!

Doch Tag's zuvor da stellt sich Abends sieben
genau auf's Haar in jedem Jahr der selbe

Schnupfen ein.

Es schmerzt der Ropf, das Auge traust,
der Gaumen brennt, die Nase läuft!

Nun bin ich wieder mondenlang
heufieberkrank!

Ja sterbenskrank! Es sticht im ganzen Hirne,
Es bohret und rumoret mir in Schläfen, Ohr

und Mund.

wie „Würmerlaufen" fühl ich's im Gehirne,
vom Zucken und vom Jucken wird schon wang

und Lippe wund.

Mir ist, als hebt schon dann und wann
das Ritzeln in der Nase an.

Nun wird der Reiz zu stark und groß:

Ich nies' drauf los.

Als Festgeschenke Blüthen über Blüthenl
wie wieder mir der Flieder doch die ganze

Welt vergällt!

Auf's Neue fängt die Nase an zu wüthen.
Emilie, schnell die Lilie in den Besenraum gestellt!
Tritt dort nicht noch, weiß Gott, in's %a\xs,
die Tante mit 'nem Nelkenstrauß?

Das halt des Teufels Nase aus!
hinaus, hinaus!

Nur Schmerz und Leid auf dieser blum'gen Erde!
Pfui, Heuer brennt's wie Feuer, wie das

kribbelt, zwickt und zwackt!
Schon engt die Brust asthmatische Beschwerde!
Nur möglichst rasch in Sack und Tasch ein

Taschentuch gepackt!
Ich nies' auf Gäste und Besuch!
wo sind Billet und Reisebuch?

Nur schnell an Bord und durchgebrannt
nach Helgoland! Margen

*) Das Heufieber tritt .
des Mai auf und dauert bis

stFtets in den letzten Tagen
Mitte Juli.

Stimme aus dem Publikum

Um nicht einseitta zu sein und damit auch „die
Volksseele" zu Worte komme, haben wir einen
wackeren Hofbräuhausstammgast um seine Meinung
über die konfessionellen und politischen Streitig-
keiten der Gegenwart gebeten.

Die Redaktion der „Jugend"

„Wissen S', die Sach is a so: der oa mag
bloß a Hells Bier, der ander a brauns, der dri»
a ganz a schwarzs und wieder der ander konver-
tirt ab und zua, wiea's eahm grad paßt. Und da
gibt's Leut, die schwören Stoa und Boa auf ihr
gwohnts Gsüff und streiten auf Mord und Tod
und 's taugt doch koan Schuß Pulver. Und 's
soll sogar Leut gebn, die gar koa Bier trinka und
dö sollen aa ganz gsund sei, aber was geht denn
dös m i an? Und i bin halt a so und trink aa
mei gwohnts Bierl und laßts amal aus, nach«
schimpft ma halt a bißl über den Plempl und 's
werd scho wieder anders wern. Und 's paßt mer
scho a Zeit her gar nimmer recht, aber vo mir
wern S' nia hörn „Los vom Hofbräu," aber
schimpfn wern S' mi aa nia hörn über a anders
Bier, da muaß ma tolerant sei, scho weil's oan
nix angeht, und vo mir aus soll a jeds nach seiner
Fasson voll wern und vor seiner eigenen Thür —
mit Respekt z'sagen! Mir waar's gnua! Und da
dermit Punktum!

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51a
Register
Monogrammist Frosch: Illustration zum Gedicht "In Norderney"
Kilian: Württembergischer Stoßseufzer
Monogrammist Frosch: Die Tragödie der Höflichkeit
A. Marben: Geburtstagsklage eines Heufieber-Kranken
[nicht signierter Beitrag]: Stimme aus dem Publikum
Monogrammist Frosch: Das Centrum und die Polen
Helios: In Norderney
A. D. N.: Den Sozialdemokraten ins Stammbuch
 
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