DOI Heft:
Nr. 45
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.3900#0346
Ausgeschlossen Fidus (Berlin)
Das Chor
Aus schwarzem Marmor fügten sie voreinst das Thor
Und eines selt'nen Stolzes Inschrift gruben sie
Ans seine Stirn. Es drängten die Jahrhunderte
An diesem Pfosten sich vorbei, das Haus zerfiel.
Das Thor bestand — heut öffnet es die Flügel weit:
Auf diesen alten Schwellen lag manch träger Staub —
Heut aber sollen branndurchwobne Purpurdecken
Die grauen Quadern tauchen in den Strom der Seide
Und einer Herrin wnnderzarte Füße sollen
Die großen Wandelsteine, scheu auftretend, segnen . . .
Es träumt der Herbst sein reiches Fest! Es herrscht am See
Der weißen Chrysanthemen spätgeborne Pracht
Und jener dunkelrothen Blätter Ueberfluß,
Der wie ein Mantel auf den morschen Mauern liegt —
Wo die Cypressen dort im Abendlichte glüh'n
Erfunkeln sie von Fäden dunklen Gold's durchwirkt . . .
Hinab — die reinen Stufen schreit ich Fragender hinab.
Salü, DKtober 1902 Otto Erich IZarlleben
Einsamkeit
Verflogne Taube an dem Felsenstrand,
Ein Wirbelwind hat dich dem Schwarm entführt!
Und mich, wie's meinem Wagemuth gebührt,
Verschlug ein Sturm ans gleiche Jnselland.
Wir zwei zur selben Einsamkeit verbannt,
Bestimmt, daß eins des andern Frohmnth schürt,
Daß eins das andere zum Glück verführt,
Um das uns trog der Winde Unverstand.
Verflogne Taube! Laß uns Freunde sein
Und uns're Herzen aneinander warmen,
So lang uns günstig ist der Sterne Schein.
Laß ab, dich um Verlorenes zu härmen!
Ich will dir ein erles'ner Sänger sein
Und hoch mit dir durch alle Himmel schwärmen.
Luclwig Scharf
816
Das Chor
Aus schwarzem Marmor fügten sie voreinst das Thor
Und eines selt'nen Stolzes Inschrift gruben sie
Ans seine Stirn. Es drängten die Jahrhunderte
An diesem Pfosten sich vorbei, das Haus zerfiel.
Das Thor bestand — heut öffnet es die Flügel weit:
Auf diesen alten Schwellen lag manch träger Staub —
Heut aber sollen branndurchwobne Purpurdecken
Die grauen Quadern tauchen in den Strom der Seide
Und einer Herrin wnnderzarte Füße sollen
Die großen Wandelsteine, scheu auftretend, segnen . . .
Es träumt der Herbst sein reiches Fest! Es herrscht am See
Der weißen Chrysanthemen spätgeborne Pracht
Und jener dunkelrothen Blätter Ueberfluß,
Der wie ein Mantel auf den morschen Mauern liegt —
Wo die Cypressen dort im Abendlichte glüh'n
Erfunkeln sie von Fäden dunklen Gold's durchwirkt . . .
Hinab — die reinen Stufen schreit ich Fragender hinab.
Salü, DKtober 1902 Otto Erich IZarlleben
Einsamkeit
Verflogne Taube an dem Felsenstrand,
Ein Wirbelwind hat dich dem Schwarm entführt!
Und mich, wie's meinem Wagemuth gebührt,
Verschlug ein Sturm ans gleiche Jnselland.
Wir zwei zur selben Einsamkeit verbannt,
Bestimmt, daß eins des andern Frohmnth schürt,
Daß eins das andere zum Glück verführt,
Um das uns trog der Winde Unverstand.
Verflogne Taube! Laß uns Freunde sein
Und uns're Herzen aneinander warmen,
So lang uns günstig ist der Sterne Schein.
Laß ab, dich um Verlorenes zu härmen!
Ich will dir ein erles'ner Sänger sein
Und hoch mit dir durch alle Himmel schwärmen.
Luclwig Scharf
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