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1903

• JUGEND

Nr. 45

Betrachtungen eines Hochgeborenen

von editb Gräfin Salbura
Einleitung:

Der Din' stellt sich vor

Äirifo ich bin der Nin'. — Die Leut', die überhaupt in Betracht kommen und
Ksp der Müh' werth sein, daß ma redt, die sollten alles andre eh von mir schon

wissen. Ich steh' im Gotha. Ich bin ein hochgeborner Bub', ich bin ein chiker

Bub', ich bin ein schlauer Bub' und ich krieg das Majorat, drum is es blöd und
auch ung'recht, daß sie woll'n, ich soll mich auch noch mit einer Lernerei chika-
niren. Ich nenn' das einfach nicht nobel, denn ich hab's nicht nothwendig und
ich nehm' anderen Buben, die nicht von famille sein ihun, und kein Majorat
krieg'n, dieses Griechisch und Allgebra weg und strapezir ihnen den Professor,
der ja doch immer sein Ganzes auf mich konzentrirt, wenn ich in der Klaff' bin.
Und dann hab'n die Socialdemokraten wieder was zum Red'n.

Ich Hab' doch sehr gute Ansichten da, nicht? Aber ich bin ein unver-
standener Bub' und ich komm' nie zur Geltung. Ich vasteh nicht, wie das sein
kann, denn der Papa und die Mama sein beide wie ich von famille und ganz

reine Baß, das macht ich mir auch ausbitt'n. Der Papa hat grad so den

Ausdruck wie der Ururgroßvater Melchior Balthasar, der oben in der Rumpel-
kammer hängt; sogar dieselben zwei Vorderzähn' Lhun ihm abgehen! Da is Pie-
tät drinn! Die Mama denkt noch dieselben Gedanken, die ihre Ahnet gedacht
und in ihr Tagebuch g'schrieb'n hat und zwickt die Augen noch grad' so g'wiß zu-
samm'. „Du bist da, aber ich muß erst im Gotha nachschau'n, ob ich Dich seh'n
thu'!" Das muß ma der Mama lassen. Mir hab'n das Schloß, was ich ein-
mal krieg', und in Wien ein standesgemäßes G'schlupf mit Müh' und Noth
für'n Fasching. Die Mama is sehr hoffähig. Nicht durch Stellung, nur akut,
denn der Papa hat keine, nein chronisch, in jeden Blutstropfen. Sie is voller
Ahnen. Nur die Toiletten kosten ein Teuselsgeld, die sollten Unserein' gestellt
werd'n. In Winter sein mir so auf'n paradefuß, wie bald einer von uns, aber
in Sommer is Abends oft was von Topfen zum Nachtessen, ma muß die Aus-
lagen wieder einikrieg'n. Der Adel kann ja nix dafür, daß er kein Iud is.

Mir hab'n einen großartigen Kammerdiener, der uns herausreißt in jeder
Einsicht. Er hat Tournure und is absolut aus Paris, denn er heißt Lharles.
Lr bleibt nur wegen mir, sagt er. Er is meine Stütze und mein Trost. Mit
die Hofmeister Harmonie' ich nie nicht. Ich mag nicht halbgebildete mit ganze
Prätentionen. Aber der Lharles versteht mich. Mir imponir'n uns gegenseitig.

Im Ganzen is gegen uns nix zum sagen. Mit die Moneten haxert's
immer, aber das is ein Beweis, daß mir noch reiner alter Adel sein thun. Viel-
leicht wer' ich mich opfern müssen und eine Jüdin heirath'n. Bis jetzt hat's
noch keiner 'than. Aber ich bin ein Bub' mit Zeitgeist. Alles in Haus is leider
schon nicht ganz so wie's sein soll, muß ich leider sag'n. Ich Hab' auch mein
G'frett. Es sind noch andere Rinder außer mir, zwei Mädeln. Sie sind in
8acrä coenr, aber ich find' das taktlos, daß wir sie haben! Rost' wieder ein
Heidengeld, was für's Majorat nicht gut is. Ls is auch nicht zum entschuldigen,
denn sie sind erst kommen, wie ich schon da war! Der Lharles findet das auch. —
Ich weiß nicht, wer schuld is, der Papa und die Mama, oder diese Rinder selber,
daß sie da sein. Jedenfalls hätten's dort bleib'n können. Die sein uns grad'
noch abgangen, wann's wenigstens sauber werd'n, nachher wer' ich schau'n,
daß ich's gut anbring'!

Lins muß ick noch sag'n, was mir auch ord'lich z'wider sein thut. Der
Papa thut Politik heucheln. Er sitzt in Reichsrath auf der Seiten, wo die
Sesseln liberal sein. Und ma därf ihm nicht amal was sag'n d'rüber. Er hat
sich verbockt in's Liberale. Er sagt, es gehört sich für ein Großgrundbesitzer.
Es is der Zeitgeist. Lr wird grob, wenn die Mama sagt, er diskreditirt sein'
Stammbaum damit und sein Seelenheil. Der Papa hat Marotten. Zum Glück
sitzt er immer nur dorten. Red'n thut er nie nix, es is ein Glück, daß ihm
nix einfallt. So vatretet er halt 'n taubstummen Fortschritt.

Ja, so is es bei uns. An mir wird riesig herumerzogen, alle Augenblick
sitzt mir so ein vafluchter Hofmeister auf'n Gnack und thut meine Gehirnwerk-
zeuge krumm foltern. Na, ich werd's schon noch alles erzähl'n. Und dann Hab'
ich auch einen Haufen Verwandten. Es ist nicht zum sag'n, was ich überhaupt
alles Hab'. Und ich thu' mir drüber mein Theil denken, wen's interessirt, der
soll die Ohren aufmachen.

I. Jch und der Protj

«ir Halm ihm, (das heißt, er uns) in Karlsbad kennen glernt, wo der Papa
für seine Nerven, die Mama für ihr Uebellauniges und ich für nix und
wieder ein und dasselbe Wasser trinken, bis unser Innerliches mit die alljähr-
lichen Sommerüberschwemmungen einen Anknüpfungspunkt hat. Also, er kennt
uns, er hat sich das geleistet. Mir kennen ihm nicht, mir refüsieren ihm auch
nicht, wir erleben ihm exisodenweise. Er is 'n Papa insofern gleichgestellt, daß
sie alle zwei 'n gleichn Masseur haben, aber mit vaschiedene Preis. Der Papa
handelt aber herunter und der Protz zahlt nach aufwärts. Aber er is nix, kein
schäbig's von, nicht amal gar nix. Nach ihm saust schon gleich sein Nam' daher
ohne titulierten Uebersteg und Milderungsbrücke. Er und dann sofort der Nam
Schlumpermann. Herr Schlumpermann. Mir sagn natürlich Herr von Schlumper-
mann und was unsere heimathlichen Kellner sin, die sagn die Wochen über Herr
B'rrronI (Herr Baron) und am Sonntag, wanns zur Blechmusik, nämlich zum
Zahlen, kommt: Excellenz! Daß mir ihm immer von sagn thun, nimmt er

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Ad, Holzer (Pasing)
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Adolf Holzer: Im Mondenglanz
Edith Gräfin Salburg: Bertachtungen eines Hochgeborenen
 
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