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Nr. 51

1903

. JUGEND

Das beschmutzte Lulkerbilct

Dominikanerpater Denifle, dem Verfasser des
Luches „Luther und das Lutherthum" ins Stammbuch!

Zluf einem Lutherbild im Klostergang,

Da pflegten einen ganzen Sommer lang
Die Fliegen ihre Nothdurft zu verrichten
Und riefen dann im Herbst entrüstet: „Nein!
n seht doch, Kinder, seht doch!

Welch ein Schwein!" —

So schreibt man

Reformationsgeschichten!

Cri-Cri

IJofbertcbt der „Jugend"

. Eine neue Eheirrung aus illustren Krei-
sen wird gemeldet. Der „Dingskirchener Anzeiger"
berichtet darüber unterm 8. Dezember: „Die Fürstin
Esmeralda von Blauenblut ertappte ihren Gemahl
dieser Tage in den Armen einer Aufwasehefrau und,
empört über den Betrug, züchtigte sie das Paar mit
der Reitpeitsche. Hierauf bestieg sie ihr Automobil
und ging mit ihrem Chauffeur nach der Riviera
durch. Sieben kleine Kinder im Alter von drei
Monaten bis zu vier Jahren beklagen den Verlust
ihrer Mutter."

Der „Dingskirchener Regierungsbote" schreibt:
Dingskirchen, 9. Dezember: Die Meldung von
einer Eheirrung in höchsten Kreisen unseres
Landes ist eine frivole Erfindung! Das hohe,
Fürstlich Blauenbut'sche Paar lebt in innigster Har-
monie. Die Fürstin hat nur eine Automobilfahrt
in den Stadtpark unternommen. Uebrigens ist der
Chauffeur, Xaver Maier, eine stattliche Erscheinung
mit schwarzem Vollbart, längst verheirathet."

Die „D. Post" weiß aus zuverlässiger Quelle
unterm 1V. Dezember zu berichten, daß die
Scheidung der Ehe zwischen Fürst Damian und
Fürstin Esmeralda von Blauenbut bereits einge-
leitet ist. Sobald diese erfolgt ist, wird Fürst Da-
mian seine Freundin, die Aufwaschefrau Crescentia
Hadermüller heirathen, die nach der Scheidung von
ihrem Gatten, dem Dienstmann Michael H., vom
Landesherrn den Titel einer Freifrau von Hadern
erhält. Fürstin Esmeralda zieht sich unter dem
Namen Gräfin Schnaufer! ins Privatleben zurück
und heirathet den Chauffeur Maier, dessen Frau
nach der Scheidung wahrscheinlich dem zum Hof-
dienstmann beförderten Michael H. die Hand reichen
wird. Die sieben Kinder des fürstlichen Paares
!verden beiden Parteien zu gleichen Theilen zuge-
sprochen."

6m e frage

Im Ljaage tagt fast alle Tage
Das hochwohlweise Schiedsgericht
Und urtheilt über manche Frage,

Die nur von mäßigem Gewicht.

Zum Beispiel, ob nach langem puinxen
Auch das Bezahlen ist der Brauch?

Und ob die allerkleinsten Lumpen
Nicht manchmal sind die größten auch?

Doch jetzt wills endlich einmal scheinen,
Als gält' es auch ein edles paar
von hohen Gegnern zu vereinen:

Der Fall LNikado «antra Zar.

Dem Zar, dem Friedenszar, dem frommen,
wie? plötzlich fiel' ihm ein der Streit?
paßt auf, der läßt es niemals kommen
Als Mann des Schiedsgerichts, so weit!

paßt auf, der wird sofort die weisen
Befragen, tief vertrauensvoll:

Gb er die Mandschurei verspeisen —

<vb er sie wiedergeben soll!

Und wird auch gegen ihn entschieden,
paßt auf, der fügt sich dem Gericht!
Denn was er will, ist ja der Frieden!
-- Gder nicht?

A. De Nora

Johann Gottfried Herder

(Zu des Dichters 100. Todestage, 18. Dezember)

Eeut wollt ich mal fo ganz mein eigen Tein,

/ So fern dem 3etzt und feiner Mlagsphrafe.
Drum holt' ich einen Kühlen, milden Wein,

Den meine Väter schon gekeltert hatten.

Der spielte zitternd im geschliffnen Olafe
Wie lang verkorkter müder Sonnenschein,

Warf auf die Dielen güldne Kringelschatten
Und stieg wie Rebenblütbenduft zur Dafe.

0 gute alte Zeit, wie lacht' ich Dein,
hört' ich die dummen Deute nah und fern
Mit vielem Darm gefd)wätzig von Dir schwärmen,
Und heut wahrhaftig möcht ich selber gern
Den abgehetzten Oeift, die kalte Seele
.Hn Deinem stillen ruhigen ?euer wärmen.

Sanft riefelt mir Dein Ooldtrank in die Kehle,

Und aus dem Olafe taucht ein mild Oeficht
tlnd nickt und winkt und lächelt. — Kennst

Du's nicht?

Es spielt um einen fanftgeschwungnen Mund
Din längst vergessen Died aus alten Zeiten,

Das Wanderbursche auf der Strahe fangen.

Din träumend Jluge schaut in ferne Weiten,

Bleibt sinnend auf vergilbten Blättern hangen
Und glänzt und jauchzt bei jedem neuen 5und.
Und hinter einer hohen Stirne schweigen
Oedanken licht und klar und friedevoll,

Vor denen Völker sich und Zeiten neigen.

Es werde Dicht! Zum zweiten Mal erscholl
Der Ruf, und wieder tanzt den Schöpfungsreigen,
Was kreucht und Beugt auf dieser schönen Erde.
Und wie Ne wirbelnd durcheinandertanzen,

Da ordnen liebend alle sich zum Oanzen,

.Huf daß ein jedes Zweck und Mittel werde.

0 Johann Oottfried Herder! Kehre wieder!

Wir find fo arm. Uns fehlt Dein milder Oeift,
Der liebend alles Menschliche versteht.

Dem Thaten mehr denn Opfer und Oebet,

Der, wenn die Oegenwart ihn drückt darnieder,
Uns hoffnungsfreudig in die Zukunft weift
Der Oeift, der froh des Outen und des Schönen,
Das ihm der Väter reiche Ounft befcheert,

Dereinft dies Erbe weitergibt den Söhnen,

Um feines eignen Debens Irucht vermehrt.

Edgar Steiger

F)erder-Plutarcb

3n seiner Jugend gab sich Herder in
Petersburg dem Studium der Chirurgie hin.
Jedoch mußte er cs aufgeben, denn bei der
ersten Sektion fiel er bekanntlich in Ohnmacht.

„Und Sie wollen lllunstschriftsteller
werden?" fragte verächtlich ein berühmter,
ganz besonders „blutiger" Berliner Kri-
tiker.

w. c.

wenn etwa, o Leser, diesem Gedicht
Ammoniakdüfte entstiegen,

Verzeihe gütig und sage nicht,

Ich hätte besser geschwiegen!

Denn eine Entrüstung, tief und echt,
Entflammte hier den Poeten:

Man hat ein heiliges Menschenrecht
Mit amtlichen Füßen getreten!

Zu Wien ist ein Fernsprechamt erbaut
Zn der Dreihufeisengasse
Und mit dem Dienste sind dort betraut
pflichttreue Fräuleins in Masse.

Nun aber ist klar, auch bei diesem Beruf,
Daß seine Vertreter verspüren
Zuweilen der inneren Stimme Nus.

Lin leises, menschliches Nühren.

Dann pflegen die Damen auf kurze Frist —
wer kann dahinter was finden?

Bis Alles wieder in Grdnung ist,
Geräuschlos mal zu verschwinden.

Und immer kehren sie leicht und froh
Nach kurzem Verweilen wieder —

Das ist seit Adams Zeiten so
Zm Schwange, bei Hoch und Nieder.

Nun ward dies Necht auf schnöde Manier
Beschnitten durch einen Ukas —

Der mahnt mich an das Wappenthier
Des Evangelisten Lukas:

Von Morgens acht bis Abends sechs,

Zst zwar von keinem Despoten
Durch irgend eine drakonische lex
Der wichtige Gang verboten —

VonAbends sechs bisMorgens acht
Da aber ist amtliche Pause.

Da wird mit dem Schlüssel zugemacht
Die Thür der heimlichen Klause.

Da müssen die Zungsrau'n säuberlich -
Und wandelten fie auf Kohlen! —

Zuerst in der zweiten Ltage fich
Den nöthigen Schlüssel holen!

Und ferner müssen dort jedesmal
Einträgen die armen Damen:

„W. C.“ in einem Gontrolljournal
Und Stunde, Minute und Namen.

Und kehren sie von dem Gang zurück,
Dann müssen fie noch genauer
Notiren in einer besondern Nubrik
Des ganzen Besuches Dauer.

Sonst, glaub' ich, wird keine Einzelheit
Gefordert im Protokolle —

Man sagt, aus Gründen der Neinlichkeit
Erfolge diese Gontrolle.

D heiliger Bureaukratius:

Ls will mich mit wehmuth erfüllen,

Daß solch ein unseliges Mägdlein muß
Sein heimlichstes Treiben enthüllen!

Du solltest, das sage ich laut und keck,
Empört von Deinem Gehaben,
wahrhaftig denn doch nicht in jedem — Lck
Deine lange Nase begraben!

Hans

Zum katholischen hotelaüressvuch

(Aach Volksliedern)

1.

Es zogen drei Kleriker über den Rhein,

Bei einer Frau Wirthin, da kehrten sie ein;
„Frau Wirthin, hat sie gut Bier und Kost?

Wo hat sie die Augsburger schwarze Post ?"

2.

Im Krug zum grünen Kranze,

Da kehrt' ich durstig ein;

Da blick' ich ins Adreßbuch, —

Er muß gemieden sein. 8t.

949
Register
Monogrammist Frosch: Ilustration zum Text "Herder-Plutarch"
St.: Zum katholischen Hoteladreßbuch
Cri-Cri: Das beschmutzte Lutherbild
Edgar Steiger: Johann Gottfried Herder
Hanns (Hans): W. C.
A. De Nora: Eine Frage
Plutarch [Pseud.]: Herder-Plutarch
[nicht signierter Beitrag]: Hofbericht der "Jugend"
 
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