Nr. 24
JUGEND
1904
1904
««SMkämP
K
hl
Changement de decoration
®iner Wittheilung des „Daily Express“ zufolge will der Papst eine Verfügung erlassen, durch die allen Bischöfen und Geistlichen der Katholischen Kirche gestattet wird,
Barte zu tragen, wir haben einige unserer bekanntesten Geistlichen bereits interviewt, zu welcher Bartform sie sich entschließen werden, und sind in der glücklichen
Lage, die Portrats hier wiederzugeben.
Der bayrische -Landtag
wir leben in einer ernsten Zeit,
Und Deutschland hallt wider von Klagen;
Ls harren der Lösung weit und breit
Die wichtigsten, dringendstell Fragen.
Der bayrische Landtag aber führt,
von allen den Dingen unberührt,
von früh bis spät ohn' Ermatten
Konfessionelle Debatten.
Fünfhundert Sitzungen sind herum,
Doch bleibt's die alte Suppe.
Dem Volke ward es längst zu dumm,
Ihm ist die Geschichte ganz schnubbe.
Wenn alles wicht'ge auch liegen bleibt,
Der Dr. Schädler schreit und schreibt,
Es kämen dem Volk sehr zu ftatteu
Die konfessionellen Debatten.
Und wenn eine zweite Sintflut naht
Und es öffnet der Fimmel die Poren,
So bleiben sie sitzen kerzengrad
wie römische Senatoren.
Und während Alles ringsum ersauft,
wird weitergestritten und weitergerauft
In groben Worten und glatten,
In konfessionellen Debatten.
Die Engländer wollen eine Protestnote nach St.
Petersburg senden, weil durch die russischen Minen
die neutrale Schiffahrt gefährdet sei.
Wir sind in der Lage, noch eine Reihe weiterer
Gefahren zu melden, die der Krieg für das neutrale
England mit sich brachte:
Auf einem Vergnügungs-Kriegsbesichtigungs-
dampfer platzte einer Miß infolge des Donners der
Kanonen ein Trommelfell.
Ein Londoner Banquier wurde durch die Kurs-
stürze bankrott.
Ein englischer Kriegsberichterstatter verstauchte sich
infolge seiner Hetzartikel gegen Deutschland die rechte
Hand.
Dem englischen Gesandten in St. Petersburglflog
gestern der Hut weg.
Ein in Liverpool lebender Russe blieb seiner Haus-
frau infolge seiner Einberufung die Miethe schuldig.
Alle diese Unglücksfälle und die, die sich bis jetzt
noch nicht ereignet haben, machen einen energischen
Protest Englands beim Zaren nothwendig!
Stoßseufzer eines Juristen
im Sommer 1904
Die Welt wird zwar älter mit jedem Tag,
Iedoch kein vormann gehen mag.
Und steht von Beförderung wo was zu lesen,
Ist's ein UUlitäranwärter sicher gewesen.
Gebet eines Juristen
um die gleiche Zeit
Mein Sinn ist bescheiden, mein Wunsch so klein,
M käm' es doch bald, das Gehaltszuläglein.
Dann will ich zufrieden und dankbar sein
Und nimmermehr nach dem waarenhaus schreist:.
Und ist's auch ein Stücklein nur trockenes Brod,
So schmeckt es uns doch in unsrer Noth.
Oie Rirckerwäiei'
von Maxi Lierjung» Gymnasist
Begierig bin ich blos auf Eines:
Mb das der Landtag nicht beschließt,
Daß man von wegen des Lateines
Auch Kirchenväter bei uns liest.*)
Nämlich es denken manche so:
Daß doch Latein lateinisch bleibt,
Mb es nun der Mvidius Naso,
Mb es der Augustinus schreibt.
Und dieses find' ich auch ganz richtig,
Denn wenigstens wird man davon
wenn auch nicht im Latein so tüchtig,
Doch sicher in der Religion!
Und daß auch einen Solchen später
Nicht sein Latein im Stiche laßt,
Das sieht man ja, wenn man die Väter
Des Landtags in das Auge faßt.
Dieß kann mich also nicht erschrecken.
Mir ist es wurscht, womit uns hunzt
Der Lehrer! Her mit den Scharteken!
Es liest sie ja doch Niemand sunst.
Auch einem heiligen Autori
Fällt übrigens manch' Nettes ein;
Zum Beispiel Alphons de Liguori
Soll ja recht unterhaltend sein!
*) Bei der Berathung des bayerischen Kultus-
Ltats wünschte Abg. Dr. Schädler. es solle die
Lectüre der Kirchenväter an den Gymnasien
eingeführt werden.
Gin Protest
Gegen die Herero's sollen jetzt auch Äriegs-
hnnd e verwendet werdet:. Dagegen protestiert
u. a. auch der Zentralverband deutscher Scharn-
steinfeger, dessen Mitglieder aus Gründen
des Selbsterhaltungstriebes keinen Ge-
schäftsgang mehr machen wollen, sobald diese
Hundsviecher wieder zurüekgekommen sind.
Oer neue Vlularck
„Der Bischof Benzler, der erst kurz vor
der Abfahrt des Kaisers im Fürstenzimmer
empfangen wurde, hat dieses mit chochrothem
Kopf verlassen.^
„Man wird ihm halt zuviel — reinen
wein eingeschenkt haben."
Zum Semmering-Jubiläum
Versunken wie im Flug die Zeit
Von vollen fünfzig Jahren,
Seitdem der letzte Postillon
Am Semmering gefahren.
Ein Wunderwerk der Techniker,
Läuft an der Thäler Frieden
Und an der Berge Pracht vorbei
Der Schienenstrang nach Süden.
Hier ward ein Berg zum stolzen Weg,
Verbindend ferne Zonen,
Indes« ein Berg von Zwietracht trennt
In Oestreich die Nationen!
Ob jemals einem Ingenieur
Es wird in Zukunft glücken.
Auch diesen st e i l e n Semmering
Geschickt zu überbrücken?
Krokodil
Aus unseren Rolonien
Major von Estorff kabelte jüngst aus Südwest-
afrika nach Berlin, daß er in einem Kampfe mit
den Hereros Schafe erbeutet habe. Unein-
geweihte fragten sich verwundert, ob solche Helden-
thaten wirklich würdig seien, für schweres Geld
nach Europa telegraphiert zu werden, wie wir von
wohlunterrichteter Seite erfahren, verhält sich der
Fall etwas anders: Major von Estorff fragte
nämlich im besagten Telegramm das Kolonial-
amt an, ob er besagte Schafe nach Berlin senden
solle. Das Kolonialamt erwiderte aber, man habe
deren schon genug in Deutschland.
Tarub
Kleines 6espräcb
„Wenn in Frankreich Staat und Kirche ge-
trennt werden," seufzte ein Cardinal, „so stehen die
heiligsten Interessen auf dem Spiel."
„Freili," nickte Merry del Val, „fünfzig
Milliona müaßten die Katholiken selber aufbringa!"
Immer originell!
In New-Nork stürzte sich ein Lebensmüder aus
dem obersten Stockwerke eines Wolkenkratzers. Ein
Dienstmädchen schüttete kürzlich Pulver auf einen
Stuhl, setzte sich darauf und entzündete es im naiven
Glauben, sie flöge nun in die Luft. Unser Nedak-
lionsmephisto verräth noch einige andere originelle
Todesarten, die sich diesen würdig anschließen.
Man stecke sich in einen Schafspelz und grase auf
einer automobilreichen Landstraße, nächst der Saab
bürg.
Man rauche eine Kiste „garantiert nicotinfreier
Cigarren". Eine akute Nicotinvergiftung ist einem
sicher. Man gehe in Couleur durch die Straßen,
Prags, „Deutschland, Deutschland über Alles" singend.
Man bringe in einer Luegerffchen Walstversammlung
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««SMkämP
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Changement de decoration
®iner Wittheilung des „Daily Express“ zufolge will der Papst eine Verfügung erlassen, durch die allen Bischöfen und Geistlichen der Katholischen Kirche gestattet wird,
Barte zu tragen, wir haben einige unserer bekanntesten Geistlichen bereits interviewt, zu welcher Bartform sie sich entschließen werden, und sind in der glücklichen
Lage, die Portrats hier wiederzugeben.
Der bayrische -Landtag
wir leben in einer ernsten Zeit,
Und Deutschland hallt wider von Klagen;
Ls harren der Lösung weit und breit
Die wichtigsten, dringendstell Fragen.
Der bayrische Landtag aber führt,
von allen den Dingen unberührt,
von früh bis spät ohn' Ermatten
Konfessionelle Debatten.
Fünfhundert Sitzungen sind herum,
Doch bleibt's die alte Suppe.
Dem Volke ward es längst zu dumm,
Ihm ist die Geschichte ganz schnubbe.
Wenn alles wicht'ge auch liegen bleibt,
Der Dr. Schädler schreit und schreibt,
Es kämen dem Volk sehr zu ftatteu
Die konfessionellen Debatten.
Und wenn eine zweite Sintflut naht
Und es öffnet der Fimmel die Poren,
So bleiben sie sitzen kerzengrad
wie römische Senatoren.
Und während Alles ringsum ersauft,
wird weitergestritten und weitergerauft
In groben Worten und glatten,
In konfessionellen Debatten.
Die Engländer wollen eine Protestnote nach St.
Petersburg senden, weil durch die russischen Minen
die neutrale Schiffahrt gefährdet sei.
Wir sind in der Lage, noch eine Reihe weiterer
Gefahren zu melden, die der Krieg für das neutrale
England mit sich brachte:
Auf einem Vergnügungs-Kriegsbesichtigungs-
dampfer platzte einer Miß infolge des Donners der
Kanonen ein Trommelfell.
Ein Londoner Banquier wurde durch die Kurs-
stürze bankrott.
Ein englischer Kriegsberichterstatter verstauchte sich
infolge seiner Hetzartikel gegen Deutschland die rechte
Hand.
Dem englischen Gesandten in St. Petersburglflog
gestern der Hut weg.
Ein in Liverpool lebender Russe blieb seiner Haus-
frau infolge seiner Einberufung die Miethe schuldig.
Alle diese Unglücksfälle und die, die sich bis jetzt
noch nicht ereignet haben, machen einen energischen
Protest Englands beim Zaren nothwendig!
Stoßseufzer eines Juristen
im Sommer 1904
Die Welt wird zwar älter mit jedem Tag,
Iedoch kein vormann gehen mag.
Und steht von Beförderung wo was zu lesen,
Ist's ein UUlitäranwärter sicher gewesen.
Gebet eines Juristen
um die gleiche Zeit
Mein Sinn ist bescheiden, mein Wunsch so klein,
M käm' es doch bald, das Gehaltszuläglein.
Dann will ich zufrieden und dankbar sein
Und nimmermehr nach dem waarenhaus schreist:.
Und ist's auch ein Stücklein nur trockenes Brod,
So schmeckt es uns doch in unsrer Noth.
Oie Rirckerwäiei'
von Maxi Lierjung» Gymnasist
Begierig bin ich blos auf Eines:
Mb das der Landtag nicht beschließt,
Daß man von wegen des Lateines
Auch Kirchenväter bei uns liest.*)
Nämlich es denken manche so:
Daß doch Latein lateinisch bleibt,
Mb es nun der Mvidius Naso,
Mb es der Augustinus schreibt.
Und dieses find' ich auch ganz richtig,
Denn wenigstens wird man davon
wenn auch nicht im Latein so tüchtig,
Doch sicher in der Religion!
Und daß auch einen Solchen später
Nicht sein Latein im Stiche laßt,
Das sieht man ja, wenn man die Väter
Des Landtags in das Auge faßt.
Dieß kann mich also nicht erschrecken.
Mir ist es wurscht, womit uns hunzt
Der Lehrer! Her mit den Scharteken!
Es liest sie ja doch Niemand sunst.
Auch einem heiligen Autori
Fällt übrigens manch' Nettes ein;
Zum Beispiel Alphons de Liguori
Soll ja recht unterhaltend sein!
*) Bei der Berathung des bayerischen Kultus-
Ltats wünschte Abg. Dr. Schädler. es solle die
Lectüre der Kirchenväter an den Gymnasien
eingeführt werden.
Gin Protest
Gegen die Herero's sollen jetzt auch Äriegs-
hnnd e verwendet werdet:. Dagegen protestiert
u. a. auch der Zentralverband deutscher Scharn-
steinfeger, dessen Mitglieder aus Gründen
des Selbsterhaltungstriebes keinen Ge-
schäftsgang mehr machen wollen, sobald diese
Hundsviecher wieder zurüekgekommen sind.
Oer neue Vlularck
„Der Bischof Benzler, der erst kurz vor
der Abfahrt des Kaisers im Fürstenzimmer
empfangen wurde, hat dieses mit chochrothem
Kopf verlassen.^
„Man wird ihm halt zuviel — reinen
wein eingeschenkt haben."
Zum Semmering-Jubiläum
Versunken wie im Flug die Zeit
Von vollen fünfzig Jahren,
Seitdem der letzte Postillon
Am Semmering gefahren.
Ein Wunderwerk der Techniker,
Läuft an der Thäler Frieden
Und an der Berge Pracht vorbei
Der Schienenstrang nach Süden.
Hier ward ein Berg zum stolzen Weg,
Verbindend ferne Zonen,
Indes« ein Berg von Zwietracht trennt
In Oestreich die Nationen!
Ob jemals einem Ingenieur
Es wird in Zukunft glücken.
Auch diesen st e i l e n Semmering
Geschickt zu überbrücken?
Krokodil
Aus unseren Rolonien
Major von Estorff kabelte jüngst aus Südwest-
afrika nach Berlin, daß er in einem Kampfe mit
den Hereros Schafe erbeutet habe. Unein-
geweihte fragten sich verwundert, ob solche Helden-
thaten wirklich würdig seien, für schweres Geld
nach Europa telegraphiert zu werden, wie wir von
wohlunterrichteter Seite erfahren, verhält sich der
Fall etwas anders: Major von Estorff fragte
nämlich im besagten Telegramm das Kolonial-
amt an, ob er besagte Schafe nach Berlin senden
solle. Das Kolonialamt erwiderte aber, man habe
deren schon genug in Deutschland.
Tarub
Kleines 6espräcb
„Wenn in Frankreich Staat und Kirche ge-
trennt werden," seufzte ein Cardinal, „so stehen die
heiligsten Interessen auf dem Spiel."
„Freili," nickte Merry del Val, „fünfzig
Milliona müaßten die Katholiken selber aufbringa!"
Immer originell!
In New-Nork stürzte sich ein Lebensmüder aus
dem obersten Stockwerke eines Wolkenkratzers. Ein
Dienstmädchen schüttete kürzlich Pulver auf einen
Stuhl, setzte sich darauf und entzündete es im naiven
Glauben, sie flöge nun in die Luft. Unser Nedak-
lionsmephisto verräth noch einige andere originelle
Todesarten, die sich diesen würdig anschließen.
Man stecke sich in einen Schafspelz und grase auf
einer automobilreichen Landstraße, nächst der Saab
bürg.
Man rauche eine Kiste „garantiert nicotinfreier
Cigarren". Eine akute Nicotinvergiftung ist einem
sicher. Man gehe in Couleur durch die Straßen,
Prags, „Deutschland, Deutschland über Alles" singend.
Man bringe in einer Luegerffchen Walstversammlung
486
[nicht signierter Beitrag]: Die Engländer wollen eine Protestnote...
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Gespräch
[nicht signierter Beitrag]: Stoßseufzer eines Juristen
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
[nicht signierter Beitrag]: Gebet eines Juristen
Helios: Immer originell!
Krokodil: Zum Semmering-Jubiläum
Maxl Bierjung: Die Kirchenväter
[nicht signierter Beitrag]: Der bayrische Landtag
Monogrammist Frosch: Changement de décoration
[nicht signierter Beitrag]: Ein Protest
Tarub: Aus unseren Kolonien
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Gespräch
[nicht signierter Beitrag]: Stoßseufzer eines Juristen
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
[nicht signierter Beitrag]: Gebet eines Juristen
Helios: Immer originell!
Krokodil: Zum Semmering-Jubiläum
Maxl Bierjung: Die Kirchenväter
[nicht signierter Beitrag]: Der bayrische Landtag
Monogrammist Frosch: Changement de décoration
[nicht signierter Beitrag]: Ein Protest
Tarub: Aus unseren Kolonien