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Nr. 46

JUGEND

1904

Vive l’armee

Lin Stimmungsbild aus der französischen
Kammer

„3it der Hand der lViagonniers,

In den rothcn Tcufelslistcn
Liegt die Ehre der Armee —"

Schrein die Nationalisten.

,^was? Zum Henker !"" ruft AndrSe,

„„In der Hand der Jesuiten
Lag die Ehre der Armee,

Als wir uns um Drcyfus stritten.""

„Spionage, Hinterlist
Sind's, die hcurc bei uns siegen l
wer nicht Logcn-Lrudcr ist
Oder lNeiftee, der muß stiegen —"

„„Pfaffenfreundschaft I wcibcrclique,
war cs, das vorher regierte;

Nur der Feind der Republik,

Nur der Mönchssohn avancierte —

Hin und her gehr das Gefecht —

2lch, cs will mich schier bedünkcn,

Daß der Andres und der Mönch,

Daß sie alle Leide stinken.

a. i» sr.

FJorridob!

Zur selben Zeit, als der Kaiser in Berlin
in seinem Trinkspruch das edle Waidwerk
und seine fachmännische Pflege pries, er-
sann bei Tegernsee ein bayerischer Jagd-
gehilse eine neue Jagdmethode: er über-
radelte einen Hirschen. Der Hirsch —
nicht zu verwechseln mit dem Banquier
Hirsch aus Rosenheim — kam mit dem
Leben davon. Der Thierschutzverein be-
antragte, im bayerischen Hockstand ausser
den Wegen „für Radfahrer", „für Fuß-
gänger", „für Selbstfahrer" and, „Wege
für Hirsche" anzulegen.

Wir hätten es übrigens nie für möglich
gehalten, das; im Wettstreit zwischen Schnau-
serl und Rad das Letztere den Uebersahr-
ungs-Rekkord davontrüge.

Die beruhigte Moral

5rou von Hervay, die Gattin des Bezirks-
hauptmannes von Mürzzuschlag, den nicht
;um wenigsten die „vox populi" in den Tod
getrieben hatte, wurde wegen Bigamie ;u
4 Monaten Kerker verurtheilt.

Und wieder 'mal ist im Triumphe
Dervorgegangen die Moral:

Den Mann hat sie erstickt im Kumpfe,

Die Frau gebracht ins Kriminal.

Aufathmen all die guten Lhristen,

Die sich mit diesem Loth bespritzt;

Sie sind gestraft, die Digamn'tea,

Die fromme Tugend ist geschützt!

Gesorgt ist reichlich, daß in Ruh' schlag'
Das Dcrze wieder, keuich entzückt,
wenn fetzt die Gattin in Mürzzuschlag
Sich zärtlich an den Gatte» drückt.

A UNtriacuN

Aus Durazzo kommt die unglaubliche Meldung,
daß ein Kaiser verhaftet wurde. Glücklicherweise
war es nur Jacgues I, der unter den Wüstenineog-
nito „Elbahir Muhamed den Abdullah" reiste
und irrthümlich für einen Bankdieb aus Wien ge-
halten worden war. —

Jacques Lebaudy hat wegen dieserVer-
letzung der Neutralität des Kaiserreiches
Sahara der Polizei von Durazzo das Be-
treten seines Landes verboten und seine
Kameele beauftragt, die Grenzen zu be-
w a ch c n.

Durch den Prozeß Hervay ist die sonderbare
Scheintrauung eines Pfarrers ans Tageslicht ge-
kommen. Diesen „vorurtheilssreien" Herrn Pfarrer
suchte nach dem Prozess der bekannte Großindustrielle
Meyrowitz aus. „Was wünschen Sie'?" srug ihn
der hochwürdige Herr. — „Ich wollt' Se nur fragen,"
sagte Meyrowitz, „ob Se vielleickft so gut wären und
nähmen mit mir 8 Scheintaufe vor'?"

aber nicht für einen Monarchen
werden, der Liebedienern und Schranzen !
Ohr leiht und noch weniger will kb "ttt
neupreusstschc» Muckerei etwas zu thun Hab '
deren glorioseste Blüthe: Ihre Sammelth»^
kcit ist. Sie und Ihresgleichen scheinen e ^
lieben Gott für einen recht kuriosen
zu halten. Ich, wenn der Herrgott n'i> '
ick, würde mich wenigstens recht höflich da! ^
bedanken, in einem Haus zu wohne», i»1' • ,
Jobber, Defraudanten und Schlimmeres » .
fragwürdige Ordens- und Titeljägcr ‘
Art die Mittel beigesteuert haben. In!
danke mich aber auch energisch dafür, da»,^,,
gelegentlich meiner silbernen Hochzeit me".,.
Beamten die bekannte 20 Mark-Steuer
Mosatkbilder auserlegt haben. Wie koi»>a ,
Sie dazu, Herr, zu glauben, das; mir e
solches, aus dem Wege der Rothzuckst ^
schafsenes Geschenk Freude machen kö»
Verwenden Sie das Geld für Besseres,
Volksaufklärung, lassen Sie eine billige, Pr.
läre Goethe-AnSgabe dafür drucken, 'ml
Sic Haeckel's Weltrüthscl und Lebenswnm
und ähnliche Bücher für Volksbibliotch ^
anschassen, aber beleidigen Sie den lu'P
Gott und mich nicht durch zusammcngesch"^,^.

köiMs'
cs, 'U

e.V-L

'» Morsen,

Monumentalkunstwerke!
bach!" —

An den Herrn Kriegsminister v. Einest
„Lieber Einem, ich habe neulich mch.

„Erstklassigen Menschen" t>urrf)9f
tert. Sudelei ersten Ranges! Aber cs
fiel) nickst leugnen, das; wirklich so was, ^
'ne Einbildung von Erstklassigen MeN!^„,
in jenen Kreisen existiert. Und diese
bildung, dieser Gardegeist mus;
Umkreinpeln, modernisieren! Es gibt > ^
zwei Klassen von Offizieren — t)lltc 'Li

schlechte! — in der Armee, und nur

»r

E. Wilke

cante Triedcnsbcrtba und Cbeodorcbcn Rooscvclt

»Willst D» wirklich all daö häsilichc ttricgsfpicl-
ze»st zerbrechen, mein Engelchen?"

»Freilich, liebe Tante," — (für sich): „die dumme
Olle gloobt'ö ooch!"

Klasse von Regimentern — königlich jjit
(die! Der Rock des deutschen Kriegers,
ich auch trage, ist überall gleich vornehu ^
in Potsdam, wie in Jnoivrazlaiv. ^
sich da ein Regiment für das vornehMM ^
der Armee hält, ivie ich gehört habe ' fc
stimmt das mit dem gloriosen Gedanken
allgemeinen Wehrpflicht? Und mit
Gedanken stimmt cs überhaupt auch f(i
das; sich der Berufssoldat für ei» haM ^
Wesen hält, als den üivilisteu. Aus de» s
kommlS au, nickst daraus, ob er einerlei " z
zweierlei Tuch anhat, ob er ein
oder ei» wollenes Porteepse trägt. Das
meine Leutnants mal einschen. Dan»
keine Kränkungen mehr, dann versäituu^,,
die Soldatenmisjhandlungcn — und au?
Volke der stetig zunehmende UnisorM
Und dann braucht man die Bilse's

Reden, die nicht gehalten wurden

Durch die deutsche Prelle geht der Bericht von
einer scharfen Rede, die unser Kaiser an den Bischvs
Benzler wegen dessen Verfluchung des Famecker
Friedhofes gehalten haben soll. Im Anschluß hieran
können wir noch einige Reden mittheilen, die e be n-
so vortrefflich und zeitgemäß sind.

An den Herrn v. Mirbach:

„Ich habe Sie rufen lassen, Herr Baron, um
Ihnen zu sagen, daß Sie mir mit Ihrer Klingel-
beutelei einen miserablen Dienst erwiesen haben.
Sie stehen im Widerspruche mit der gebildeten
Mehrheit der deutschen Nation, die der Meinung ist,
daß wir mindestens schon genug Kirchen in; Lande
haben. Sie stehen aber auch im Widerspruche mit
denen, die sehr christlich empfinden und der Meinung
sind, mit Geldern von so starkem Hautgout dürfe
man kein Gotteshaus bauen. Die Leute sehen in
dem Eifer, mit dem Sie namentlich die Ueberladung
der Kaiser Wilhelm-Gedäckstnißkirche betreiben, einen
Auswuchs des Hosschranzenlhums, den sie im Grunde
natürlich mir ins Sd;uldbud> schreiben. Ich will

Bandissins nicht mehr vor den Kadi E„«st
pcn, weil dann doch kein Mensch den <s® a|f(
re» liest, den sie zusammenschmieren! W>rwoue>'^ß<
sehen, lieber Einem, wie wir meinen flotten Ga^
zieren und denen von der Linie, die 's ihnen »ach jjc
auch eine flottere Lebensanschauung beibringG'^sst
nämlich, daß es nur Eine Vornehmheit im
gibt — die Pflichttreue! Sonst marschieren w" ^!
noch mal nach Jena! Und wir wollen uacki
Darum, lieber Einem: Ein Bischen mehr ■>!
und Schulze in den Ranglisten auch bei der

Wie aus Kopenhagen gemeldet ivird, ist
Strindbecg's dritte Ehe, die mit der Schaums.
Harrtet Bosse, vom Obergericht aufgelöst G,.ghe's
Wir sind »ns nicht ganz klar |jt<‘
besteht die Rache des großen Wci bertio^,
d a r i n, d a ß e r s i ch i m m e r s ch e i d e n l tt ß t, ?» t d <
s; ch immer >vieder verheer

rin, daß ersich

Vas Kgl. preuß. Hcroldsamt ist der
zufolge mit der Prüfung der Adelspe»
beschäftigt und hat bereits vielen

.....

„von" aberkannt. Der Geistes adel
— unserem vernehmen nach — nicht 1
verfolgt werden, wie bisher.
Register
[nicht signierter Beitrag]: Aus Durazzo kommt...
[nicht signierter Beitrag]: Durch den Prozeß Hervay...
[nicht signierter Beitrag]: Wie aus Kopenhagen...
[nicht signierter Beitrag]: Das Kgl. Preuß. Heroldsamt...
Erich Wilke: Tante Friedensbertha und Theodorchen Roosevelt
A. D. N.: Vive l'armée
[nicht signierter Beitrag]: Horridoh!
Austriacus: Die beruhigte Moral
-a-: Reden, die nicht gehalten wurden
 
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