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1904

Nr. 49

Weltchronik der „Jugend"

Gut und Schlimmes, kunterbunt,
pat sich auf dem Erdenrund
wieder in den jüngsten Tagen
Eingestellt und zugetragen:

In Berlin mit siebzig Lenzen
Starb ein rechter deutscher Mann,
Den mit immergrünen Kränzen
Seine kseimath ehren kann:

Hans v. Hopfen, den wir Bayern
Stolz als unfern kandmann feiern!
Ein Poet voll frischer Kraft
Und voll echter Leidenschaft,

Reich an süßer Melodie.

Reich an goldner Phantasie.

Kernig, hochgemuth und schneidig.
Daseinsfroh und schönheitsfreudig.
Ganz vom besten Münchner Schlag,
Jüngling bis zum letzten Tag.

So im Leben, wie im Schreibe» —
Ewig wird er unser bleiben! —
In denselben Tagen hat
Man in Braun schweig?

alter Stadt

Festlich jenen Tag begangen,

Da es fünfzigmal sich jährte.
Daß der Meister Wilhelm Naabe
Seine Sperlingsgassen-Ehronik
pat zu schreiben angefangen.

Jene holde, abgeklärte,

Iferzcnstiefc Dichtergabe,
voll von innerer Harmonik:

Gold ne lisch zeit mit der

K n n st

Feiert Einer so der Besten —

Gebe ihm des Schicksals Gunst
Gft noch Grund zu solchen Festen
Und Behagen, Seelenruh',
lvohlsein und Humor dazu!

Darauf leert, verehrte Leser,

Heute Abend Eure Gläser!

Mit recht schmerzlichem Gefühl, ol,
Las ich eben, wie Graf Bülow
Dieser Tage trieb in Kiel
lviedcr ein frivoles Spiel I
Denn bei einem Stapellaufe
Brauchte er das Wort: „Ich taufe
Auf den Namen Deutschland Dich!"
Und er schmiß — o Wüstenei l —
D'ran ne pulle Sekt entzwei...
Sagt mal selbst: Gehört es sich,
wo ein hohes Eonsistorium
Und manch edles Eentrumsblatt
Gegen solcherlei Brimborium
lviederholt verwahrt sich hat?
Bülow schiert sich nicht darum
Ach! das rechte Ehristenthum,
Scheint, ich kann es nicht verhehlen,
Unserm Bernhardt noch zu fehlen I
was vor Deffau's

Kriegsgericht

Jüngst geschah, versteh' ich nicht,
Dort in einem Tanzlokal
Schlug ein trunkner Korporal,
Der zuerst in seinen» Nebel
Tänzerinnen grob gestoßen,
was die Andern sehr verdrossen,
wild herum mit seinem Säbel.

Da entwanden zwei Soldaten
Den» aus Furcht vor blut'gen Thaten
Dem Betrunkenen sein Schwert —
was im Grund' doch lobenswerthl
Doch ein Jeder von dem paare
Kriegte Zuchthaus nun

fünf Jahre,

weil das hohe Kriegsgericht
Ihn des Aufruhrs schuldig

spricht!

Pier blieb, wie man sagen möchte,
wieder mal von jenem Rechte,
Das mit uns geboren wird,
Der Gerichtshof unbeirrt! —

J UGIiN D

Zu berichten weiß ich weiters
Nach so Ernstem auch was Heiter's,
Das beweist: die Sittlichkeit,

Die so tief gesunken schien,

Hebt sich in und um Berlin,

Gott sei Dank, in jüngster ZcitI
Hört: in einem Villenort
In der Nachbarschaft von dort
weihten Söhne ihrem Vater
Eine schöne Grabfigur,

Deren Kleid ein Sckleier nur
war, ein zarter, delikater,
welcher Manches ahnen läßt —
Aber gleich erhob Protest
Auch der Elerus der Pfarrei
— Notabene: der katholische! —
weildas Weibsbild, das symbolische,
Zu moralgefährlich seil
Rathlos standen die Relikten,

Bis ein Gärtner den geschickten
Ausweg fand: „laßt über diese»
Blößen grünen Epheu

sprießen,

welcher all' die Rundlichkeiten,

Die den Frommen Schmerz bereiten
And vergiften die Gedanken,

Keusch verbirgt mit seinen Ranken!"
So geschah'; l wie Daphne selig,
wird die Marmorfrau allmählig
Schamhaft sich mit Laub begrünen —
Leser, wie gefällt das Ihnen?

was in Saargemünd geschah,
weckt ein schallendes „Haha!"
Pfarrer Eolhus, wie man weiß,
Schrieb ein Bricflein, liebeheiß,
Einer Frau; drin bat er sehr
Km intimeren Verkehr,

Diesen Brief hat eine smarte
Firma auf 'ne Ansichtskarte —
wie geschmacklos und absurd! —
Abgedruckt und ward verknurrt,
weil gemeine Schweinerei
Das besagte Brieflein sei!

Daß man Pfarrer Eolbus' Zoten
So als sittenlos verboten,

Darin liegt doch wohl Humor —
Eentrum, kommts Dir auch so vor?

In dem wiener

Reichsrath-saale
Kam es wieder zum Skandale,
welcher Alles übertraf,

Neulich, als sie dort Debatten
Db der Schlacht von

Innsbruck hatten;
Ganz besonders der Herr Graf
Sternbcrg triebs besonders stramm.
<Vb er auch aus deutschem

Stamm

K»d einst für die Buren focht,
Die der Brite unterjocht —

Jetzt ist er feudaler Tscheche,
Klirrte schrecklich mit dem Bleche,
Sprach von seinem „blauen Blut",

von des Adels Heldenmnth,
Schwatzte von deutschnationalen
„Knochenweichen Generalen",
Schimpfte auf die Dynastie,

Sprach „vom Kopfe stinkt der Fisch",
Bahnte, hetzte, lachte, schrie,
Brauchte gar verschwenderisch
Solche Bilder mit Behagen,

Die nicht passend sind zum Drucke,
lvcil sie riechen — ganz meschugge
Bat sich der Herr Graf betragen!
linter den verrückten sieben
Dieses deutschen Tschechen blieben
Auch die Andern nicht in Ruh;
Worte gab's wie Filzlaus I Lümmel!
Ein Geschimpfe, ein Getümmel,
Kurzum im genannten Saal
Ging' es schmachvoll wieder mal
wieinUngarnsReichstagzuI —
In dem edlen Ungarnreiche
Gab's a tempo eine gleiche
Animierte Reichsrathsitzung
Mit beträchtlicher Erhitzung
Und dazu mit Dbstruktion —

Tisza schloß die Session,

Doch da ward es immer besser:
Bücher, Stühle, Tintenfässer
Schmissen sie umher in wuth,

Aus der Nase floß das Blut
Einem edlen Magyarember —
Kurz, am achtzehnten Novembsr
Trieben sie's in Pest am End
wie im wiener Parlament!—
Meister Björnfon Björnstjerne
Ehren wir als Dichter gerne,
Aber als Politikus
Ist der Mann kein Hochgenuß!
Manchmal grenzt, was er da leistet,
Zu behaupten sich erdreistet,

An ein Geistes-Falliffement:

Im „Lourier Luropöen"

Schrieb er einen Pracht-Artikel
lieber Friedensheuchelci,
wonach Deutschland das Karnikcl
Fricdcnstörend wieder sei,

Weil sein Hieb auf Frankreichs

Fe» saß

Und nicht Frankreich UNS verhau'»,
Iveil sich's Lothringen

und Elsaß
lviedcr nahm, die deutschen Gau'n,
weil's in Schleswig und in Pole»
Keinen lietzer-Umtrieb duldet —
was hat Deutschland wohl

verschuldet,

Sich des Dichters Haß zu holen?!
wenn er's billig überdenkt,

Hat ihm Deutschland viel geschenkt,
Das er immer schilt und zankt —
Wohl die Hälfte seines

Ruhmes

Hat er unsres Publikuines
Geistiger Eultur verdankt! —

Der österreichische Doppeladler

>,Hinnnihrrrgottsakranic»t, — a andrer zieht
a» jedem E»d"."

996

von Hisxaniens jungem A .
Hört man meistens ziemlich n’c", '
was man aber jetzt veriuM'»'
Das verstimmt I
Als er jüngst besah genau
Der Alhambra alten BaU,
Ivagte Einer zu bemerken,

Daß besagten Wunderwerken

Renovierung nöthig thu'

Und man brauche Geld dazu-
Aber Seine Majestät
Meinte, gleichfalls nöthig ihm
Einer Kirche, die er nannte,

Daß man Gelder drauf veraM
Eine Ehristenkirche wär
Werth, so meint er, .hl

z e h n m a l n>

Als die imposanten Reste , ^

Aller maurischen paläs"'
Deine Zukunft, Spanierland,

Ruht in allerbester Hand! ,

Hei-oi*

Im «Dlymp war FrühsH^^cl
Richard Wagner war l"cl>r „ri-s
gelaunt und schimpfte mir
erquickender Grobheit auf Ö'c
kecs, die seinen parstfal i» *
lische übersetzt hatten, r*tf^
„warum in die Ferne |1tj
feit?" meinte Fritz Reuter, ^
hebbcn's r 0 Hus in't 4 0 chd "
evcrsctt." ,

Da crgiffein Grausen die«■
pischcn und sie hoben den J
schoppen auf.

>(f

Das alte Detlelweib

Line sehr patriotische, wahre, oo" ^
„Rordd, AUg, Zeitung" noch

demenüerie Lrzählung .

($ie „strkf, Ktg " zittert aus
von drei höheren Schulmännern "IM
gegebenen „Deutschen Lesebuch f»r
Mädchenschulen" einige höchst ,.ll«!!Mö
Lescsiücke als Probe, wie in unseren
die Loyalität gezüchtet wlrv.i

Unter den Linden, einer
der Residenzstadt Preußens, !'»>
mal bei bitterster Kälte vor
Jahren ein alte» Beltclweib, s?"
seit drei Wochen nichts gcge>I«m,§,ck
schon jede Hoffnung aus die Upck
stiitzung der Menschheit ausgsA. fr,
Plötzlich nahte sich ihr ein 6,,,,d

stiitzung der wiciuiyyeii ii»w:--,^o
Plötzlich nahte sich ihr ein
bildschöner Herr mit großen, $

lichen Augen und einem überaus
herftgen «chnurrbart, , „ o,!i>>'
„Weshalb bettelst Du, liebes
terchen," srug er mit wohltom ^
Engelstimme,

„Ach, gnädiger Herr," seuizy-gi^
Bettelweib, von soviel söütezu T» „,,i;
gerührt, „ich bin die Wittive ,#
Eezessionisten und leide yfi.

meinen vierzehn unmündigen , ft
Hunger, Mein ältester Loh» M
Jena, der zweite bei den TherMwi,:
und der dritte liegt bei stiaum^ck
Da lächelte ihr der schöne Herr
zu, drückte ihr einen Hundertmal
in beide Hände und verschwand

„Wißt Ihr auch, wer der Herr V'" ,g>
srug der nebenstehende D>e>n^

Rr, 644 die Beschenkte, .

„Rein," sagte die hllücksirmw
„So höre: DaS war der all«: v ,„,1
Ta kniete das Belleliveib nic°e „,n
sandte ein Stoßgebet zum
Der alte Fritz aber, der nw ßgft»
halte, daß die alte Frau u i cli t ,'ck
geioejen sei an der Sünde 1 Vi a
Itorbeuen Mannes, wurde gilUs';
vielen
seines

diese edle Thal bclvhnl, ,

u. 11 .vui 1111 v -1 iuuic^ •

Jahren durch die E»"." ,>>'
Standbildes in Amw"

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Monogrammist Frosch: Der österreichische Doppeladler
Herodot [Pseudonym]: Weltchronik der "Jugend"
[nicht signierter Beitrag]: Im Olymp war...
Karlchen: Das alte Bettelweib
 
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