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LntrüZlungr-vuett

zur Eröffnung des X. Jahrgangs der.Jugend'. 3.
Gesungen vom Schwarzen Aujust und
der pfarrer Kathl.

Aujust:

DZs is auf die Moral
Der allergrößt' Hohn:
wird Jubilarin
Do freche Person!

Kathl:

Dös ausg'schamte Ding
Hat vor d'Leut' mi' blamirt,

Hat a ehrsame Iungfer
Infam verschimpfirt!

Aujust:

Mei' heczliabste Rathl,
was soll uns denn g'scheh'n?

Laß sie red'n, was sie will —

's har uns ja Niam'd g'seh'nl

Kathl:

Lei der Nacht, da is's finster,

Dös is halt a Glück —

Sonst wäc' ma' ja sicher
As an' Augenblick!

Aujust:

Ja, finster und Nacht is
Auf der Welt niamal's g'nua —

Gab's über d' ganz' Welt an

Vorhang,

Geschwind zög'n wir ihn zua!

Aujust und Kathl

(ULISOIIO):

Und so zwoa wia wir zwa,

DZ sein halt a paar,
wir kommen in Himmi
Unter d'Enger ln ihr' Schaar!

Und sein wir erst drob'n,

Dann lach'n wir fein stad,

Wenn in der Höll' drunt' die

„Jugend"'

Und der Hirth Schorschl brat't!

Der Deutsch-Russische Geheim-
vertrag

Durch die Jndiscretion eines Vorwärts-
Setzerlehrlings sind wir in die glückliche Lage
gekommen, den Deutsch-russischen Geheim-
vertrag noch vor dem „Vorwärts" veröffent-
lichen zu können und zwar mit den Be-
merkungen, die dieses Blatt an ihn knüpft:
„Vertrag zwischen B. v. Bülow
und Plehwe. Geschlossen am 25. Dez.
1904 auf einem Unterseeboot 40 m
unter Wasser zwischen Rixdorf und
Porth Arthur."

1. Ich, B. v. Bülow, Unteroffizier der
Reserve, verpflichte mich, jeden russi-
schen Anarchisten, der sich dem Reichs-
kanzlerpalais bis 10 m nähert, zu
verhaften und eigenhändig an die rus-
ische Grenze zu bringen, oder in's
Meer zu werfen. (Anm. d. Red. Da-
her die angeblich „unpolitischen" (!)
Aufenthalte Bülows in Norderney!
Sollte dieser Wink nicht plötzlich Licht
in die Konitzer Affaire bringen?)

2. Ich, B. v. Bülow, verpflichte mich,
jährlich auf der Werft des Herrn
Krupp in Essen zehn Kriegsschiffe für
Rußland auf deuffche Kosten erbauen
zu lassen und sie unbemerkbar nach
dem Hafen von Moskau zu trans-
portieren. Die Kriegsschiffe werden
zerlegt und von Soldaten im Tor-
nister befördert. Auch Pferde dürfen
beim Transport verwendet werden.
(Anm. d. Red. Was haben wir immer
gesagt? Jetzt ist es erklärlich, weshalb

die Hauptmannspferde nicht abgeschafft werden
sollen.

Russische Prozesse werden von jetzt ab an-
standslos in Königsberg verhandelt. (Anm.
d. Red. Wir können den Angeklagten nur
rathen, Berufung beim Haager Schiedsgericht
anzumelden, oder wenn das nichts nützt,
sich an's Oldenburger Reichsgericht zu wen-
den. Wie wir hören, werden die Untersuch-
ungsgefangenen in den Bleikammern des
Schlosses Pichelswerder festgehalten. Also
existiert es doch.")

4. Ich B. v. Bülow verpflichte mich, nie aus den
Werken russischer Anarchisten, Nihilisten und
Gewerkschaftler zu zitieren.

5. Keiner darf was von diesem Vertrage sagen,
auch seiner Frau nicht. (Anm. d. Red. Das
kennzeichnet die ganze Verruchtheit dieses
Komplotts! Nebenbei bemerkt: echt russisch,
daß Plehwe noch nach seinem Tode solche
Kontrakte schließt! Nicht einmal seine Ermord-
ung vermochte diesen Elenden einzuschüchtern.)

Kärtchen

Auf der Elbe

Beim Abgang eines Truppentransportes
von Hamburg

Herbstabend nebelt überm Strom.
Verschwommen liegt das Riesenheer

der Schiffe,

Wir jagen zischend durch die Flut,
Ringsum Getöse, Branden, Dampferpfiffe.

Buntfarbige Lichter huschen her,

Es tauchen auf gespenstisch schwarze Leiber,
Doch gleich entkeuchen sie in Nacht,

Als peitschte Satan sie, der Höllentreiber.

Nun rauschen wir den Häfen nah
In das Gewirr der Dampfer,

Segler, Kähne,

Wo Arbeit donnert Tag und Nacht
Und Berge häuft der Eisenarm der Krähne.

Hier bricht der Lebensstrom der Welt,

O deutsches Vaterland, in deine Thore!
Ich schau' im Geist ein mächtig Bild,
Ein ehern Lied erdröhnt vor meinem Ohre:

Giganten seh' ich, stark bewehrt,

Die Welt umzieh'n im Drang

des Wogenschwalles,
Aus ihrer Flagge dräut der Aar —

Und „Deutschland!" klingt es

„Deutschland über Alles!"

So träum' ich! — Nein! Das stolze Lied
Schallt hell und wirklich, mich vom

Traume weckend.

Und aus dem Dunkel braust's heran:

Ein Stahlcoloß, uns Zwerge

fast erschreckend!

Er trägt sie hin, für deutsche Ehr

Im fernen Land zu kämpfen und zu bluten,
Zu kämpfen mit der Hinterlist,

Mit Seuchen, Hunger, Frost und

Durstesgluten.

Geb Gott Euch frohe Wiederkehr,

Die Ihr des kühnen Wollens Ernst besessen!
Und wer nicht kehrt und ferne ruht,

Die Heimath soll ihn

nrmmermehr vergessen!

O. Wentorf
Register
Karlchen: Der deutsch-Rrussische Geheimvertrag
Adolf Münzer: Selbstbildniß
O. Wentorf: Auf der Elbe
[nicht signierter Beitrag]: Entrüstungs-Duett
 
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