ßoridob!
„Ich bitte Dich, Lili, nimm die Sache nicht zu
leicht. Du kennst Adelheid nicht so gut wie ich. Sie
kann gräßlich energisch sein, zumal wenn die Ehre
der Familie auf dem Spiele steht."
„Ich werde der frechen Person schon den Stand-
punkt klar machen!"
„Aber das geht doch nicht!"
„Was geht sie Deine und meine Ehre an!"
„Du wirst ganz harmlos sein. Vergiß doch nicht
den Nachsatz zu ihrer Epistel."
„Na, das können angenehme Wochen werden!"
Rechtsanwalt Mayer stöhnte asthmatisch.
„Ich verreise so lange," beschloß Frau Lili.
„Du bleibst hier, verstehst du mich!" Ihr Mann
war ernstlich böse. „Alles weitere wird sich finden."
„Da bin ich begierig!" Frau Lili verließ gekränkt
das Zimmer. Herr Mayer konnte alleine früh-
stücken, was ihm sehr unangenehm war, denn er
liebte diese Frühstückstunde, wo es sich so behaglich
mit seiner Frau plaudern ließ. Nun hatte der ver-
dammte Brief sie glücklich schon verdorben. Er warf
die Epistel vor sich auf den Boden und trampelte
mit beiden Füssen zornig auf ihr herum. Als sie
hinreichend schmutzig und zerfetzt war, frühstückte er.
Sonntag, gegen Mittag erschien Adelheid.
„Hast du meinen Brief nicht erhalten, Hans?"
„Doch."
„Warum hast im mich denn nicht von der Bahn
abgeholt?"
„Ich hatte zu thun."
„Nun, was sagst du zu der Sache? Ist es nicht
schrecklich?"
Hans Mayer bekam einen rothen Kopf.
„Ich sehe dirs an, auch dir geht es nahe, lieber
Junge. Wie könnte es auch anders sein. Aber
verlaß dich darauf, ich werde schon dahinter kommen.
Das bin ich mir, dir, uns allen schuldig."
„Erlaube! Wäre das nicht in erster Linie meine
Angelegenheit?"
„Aber Hans! Es handelt sich doch auch um den
gutenNamenvonPapa,Mama und uns Schwestern."
„Euch sagt doch niemand etwas böses nach."
„Diese schreckliche Frau trägt doch unfern Namen,
den sie beschmutzt."
„Dummes Zeug!"
Adelheid lächelte. Wie man ein Kind anlächelt,
das noch nichts von der Welt und ihrer Schlechtig-
keit weiß. „Ich kann mir denken, wie peinlich es
dir ist. Uns allen ist es peinlich. Aber sage selbst..."
„Ich sage gar nichts!"
Adelheid lächelte wieder nachsichtig. Sie kannte
ja ihren Bruder. Man mußte ihm diese schlechte
Stimmung schon nachsehn.
Das Mittagessen verlief selbstverständlich höchst
nngemüthlich. Denn wenn zwei Frauen harmlos
thun und sich statt Sottisen Liebenswürdigkeiten
sagen, ist es immer unbehaglich.
Nach Tisch ging Frau Lili aus.
,Warum geht sie zu dieser Stunde aus, Hans?"
„Herrgott, ich weiß es nicht, Adelheid!'
„Das kommt mir sehr verdächtig vor/
„Mach dich nicht lächerlich."
Adelheid durchstöberte das ganze Haus. Als sie
in Lilis Schlafzimmer kam, das dem Schlafzimmer
ihres Mannes entgegengesetzt, am andern Ende des
Flurs lag, bückte sie sich sogar, um unter das Bett
zu sehn. Da sie aber unter dem Bett nichts erblicken
konnte als etwas Staub und Daunenflocken, sagte
sie sich: was soll sie ihren Liebhaber hier verstecken,
da sie jetzt doch höchst wahrscheinlich bei ihm ist.
Dem Bett gegenüber stand ein geräumiger Kleider-
schrank, den Adelheid neugierig öffnete. Wie das
duftete! Was für herrliche Sachen da hingen! Das
sah wahrhaftig nicht nach einer ehrbaren Frau aus.
Plötzlich schoß Adelheid ein Gedanke durch den
Kopf. Hastig, aber leise schlich sie auf den Flur
zurück, erschien bald wieder mit allerhand Handwerks-
zeug und schnitt ein kreisrundes Loch in die Schrank-
thür. Nicht zu groß durste es sein, damit es nicht
zu sehr auffiel. Aber auch nicht zu klein, damit man
das Zimmer einigermaßen übersehen konnte. Adel-
heid trat in den Schrank und nickte befriedigt. Dann
setzte sie das kreisrunde Stück Holz wieder vorsichtig
in die Schrankthür und verklebte es sogar ein wenig
auf der Innenseite, damit es nicht herausfiele, wenn
der Schrank einmal zu heftig geöffnet wurde. Nun
endlich legte sie sich im Gastzimmer auf das Bett,
denn ihre Glieder zitterten vor Aufregung und Em-
pörung, daß sie zum Schutze der Familienehre zu
solchen Mitteln greifen mußte.
Zur Cafestunde stellte sich Frau Lili wieder ein.
„Ich bin Scharff begegnet und habe ihn zum Abend-
essen gebeten", flüsterte sie ihrem Manne zu.
„Ich bitte dich, Lili, denke an die Ehre der
Familie!"
„Deine Schwester hat dich wohl schon angesteckt?"
„Ich wäre heute Abend so gerne in den Sllub
gegangen", murrte Hans Mayer.
„So geh doch, Mann!"
„Ich kann Euch doch unmöglich allein lassen,
ich muß doch auf meine Schwester Rücksicht nehmen."
Frau Lili lächelte. „Das dachte ich mir. Deß-
halb bat ich Scharff. Sonst dürfte es gar zu lang-
weilig werden."
Hans Mayer rang die Hände. „Vorsicht, Vor-
sicht, Lili!" Seine Frau erklärte schalkhaft: „Sei
ohne Sorge, ich weiß auch, was ich der Familien-
ehre schuldig bin."
„Da hat man nun endlich sein behagliches Leben",
jammerte Hans Mayer . . .
„Und seinen Klub", warf Frau Lili ein.
„Da lebt man zufrieden und glücklich, bums,
kommt diese unausstehliche Adelheid dazwischen. Ich
pfeife auf die Familienehre!" Er erhob sich schwer-
fällig und ging seiner Schwester entgegen, die grade
in die Thür trat.
„Es ist wohl recht warm draußen?" wandte sich
Adelheid an ihre Schwägerin.
A. Salzmann (München)
„Nicht daß ich wüßte."
„Wie sonderbar. Du warst doch aus? Oder bist
du schon lange wieder hier?"
„Jawohl, ganze zwei Stunden war ich aus."
„Und weißt nicht, was für eine Temperatur
draußen herrscht?"
„Nein."
Adelheids Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse,
während sie scherzhaft mit dem Finger drohte: „Das
läßt tief blicken!"
„Laß doch den alten Sabor in Ruhe", murrte
Hans Mayer.
„Wie verliebt deine Frau immer noch sein muß,
Hans, daß sie nicht einmal weiß, ob es kalt oder
warm ist auf der Straße."
„Mein Gott, ich bin doch kein Thermometer,
liebe Schwägerin."
Als Hauptmann Scharff zu Tisch erschien, fuhr
Adelheid ordentlich zusammen, denn das war ja der
Mann, mit dem Lili Hans betrügen sollte. Und
Hans? Er that ganz harmlos, der gute Junge. Er
behandelte den Hauptmanu wie seinen besten Freund.
Und Lili? Sie that desgleichen. Wie schamlos das
war!
„Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Herr
Hauptmann", konnte sich Adelheid nicht enthalten
zu sagen, als man beim Nachtisch saß.
„Von mir?" Hauptmann Scharff sah ganz er-
schrocken drein.
„Meine Schwägerin bildet sich nämlich ein, Herr
Hauptmann, wir hätten ein Verhältniß mit ein-
ander", sagte Frau Lili lächelnd.
Wie roth der Hauptmanu wurde!
„Aber Lili!" rief Hans Mayer.
„Mein Gott!" schrie Adelheid.
Lili lachte laut. Nun hielt es der Hauptmann
für das Angemessenste, dasselbe zu thun. Hans
Mayer schloß sich dem an.
„Siehst du, liebe Schwägerin!"
Adelheid verließ indigniert das Zimmer.
„Nun könntest du ruhig in deinen Klub gehn,
Hans."
„Meinst du wirklich, Lili?"
.„Adelheid hat für heute genug."
„Wirklich, lieber Junge", meinte der Hauptmann
und beugte sich zu dem Rechtsanwalt.
„Deine Kleine ist mir begegnet. Sie ist außer
sich, daß sie nun schon zwei Tage vergebens auf
dich wartet", flüsterte der Hauptmann.
„Kann ich denn?" erwiderte Hans Mayer leise.
„Bedenke doch, meine Schwester!"
Im Hause Mayer gab es sehr ungemüthliche
Wochen. Adelheid ließ nicht ab von ihrem Verdacht,
trotzdem sie den Hauptmann nur selten zu Gesicht
28
„Ich bitte Dich, Lili, nimm die Sache nicht zu
leicht. Du kennst Adelheid nicht so gut wie ich. Sie
kann gräßlich energisch sein, zumal wenn die Ehre
der Familie auf dem Spiele steht."
„Ich werde der frechen Person schon den Stand-
punkt klar machen!"
„Aber das geht doch nicht!"
„Was geht sie Deine und meine Ehre an!"
„Du wirst ganz harmlos sein. Vergiß doch nicht
den Nachsatz zu ihrer Epistel."
„Na, das können angenehme Wochen werden!"
Rechtsanwalt Mayer stöhnte asthmatisch.
„Ich verreise so lange," beschloß Frau Lili.
„Du bleibst hier, verstehst du mich!" Ihr Mann
war ernstlich böse. „Alles weitere wird sich finden."
„Da bin ich begierig!" Frau Lili verließ gekränkt
das Zimmer. Herr Mayer konnte alleine früh-
stücken, was ihm sehr unangenehm war, denn er
liebte diese Frühstückstunde, wo es sich so behaglich
mit seiner Frau plaudern ließ. Nun hatte der ver-
dammte Brief sie glücklich schon verdorben. Er warf
die Epistel vor sich auf den Boden und trampelte
mit beiden Füssen zornig auf ihr herum. Als sie
hinreichend schmutzig und zerfetzt war, frühstückte er.
Sonntag, gegen Mittag erschien Adelheid.
„Hast du meinen Brief nicht erhalten, Hans?"
„Doch."
„Warum hast im mich denn nicht von der Bahn
abgeholt?"
„Ich hatte zu thun."
„Nun, was sagst du zu der Sache? Ist es nicht
schrecklich?"
Hans Mayer bekam einen rothen Kopf.
„Ich sehe dirs an, auch dir geht es nahe, lieber
Junge. Wie könnte es auch anders sein. Aber
verlaß dich darauf, ich werde schon dahinter kommen.
Das bin ich mir, dir, uns allen schuldig."
„Erlaube! Wäre das nicht in erster Linie meine
Angelegenheit?"
„Aber Hans! Es handelt sich doch auch um den
gutenNamenvonPapa,Mama und uns Schwestern."
„Euch sagt doch niemand etwas böses nach."
„Diese schreckliche Frau trägt doch unfern Namen,
den sie beschmutzt."
„Dummes Zeug!"
Adelheid lächelte. Wie man ein Kind anlächelt,
das noch nichts von der Welt und ihrer Schlechtig-
keit weiß. „Ich kann mir denken, wie peinlich es
dir ist. Uns allen ist es peinlich. Aber sage selbst..."
„Ich sage gar nichts!"
Adelheid lächelte wieder nachsichtig. Sie kannte
ja ihren Bruder. Man mußte ihm diese schlechte
Stimmung schon nachsehn.
Das Mittagessen verlief selbstverständlich höchst
nngemüthlich. Denn wenn zwei Frauen harmlos
thun und sich statt Sottisen Liebenswürdigkeiten
sagen, ist es immer unbehaglich.
Nach Tisch ging Frau Lili aus.
,Warum geht sie zu dieser Stunde aus, Hans?"
„Herrgott, ich weiß es nicht, Adelheid!'
„Das kommt mir sehr verdächtig vor/
„Mach dich nicht lächerlich."
Adelheid durchstöberte das ganze Haus. Als sie
in Lilis Schlafzimmer kam, das dem Schlafzimmer
ihres Mannes entgegengesetzt, am andern Ende des
Flurs lag, bückte sie sich sogar, um unter das Bett
zu sehn. Da sie aber unter dem Bett nichts erblicken
konnte als etwas Staub und Daunenflocken, sagte
sie sich: was soll sie ihren Liebhaber hier verstecken,
da sie jetzt doch höchst wahrscheinlich bei ihm ist.
Dem Bett gegenüber stand ein geräumiger Kleider-
schrank, den Adelheid neugierig öffnete. Wie das
duftete! Was für herrliche Sachen da hingen! Das
sah wahrhaftig nicht nach einer ehrbaren Frau aus.
Plötzlich schoß Adelheid ein Gedanke durch den
Kopf. Hastig, aber leise schlich sie auf den Flur
zurück, erschien bald wieder mit allerhand Handwerks-
zeug und schnitt ein kreisrundes Loch in die Schrank-
thür. Nicht zu groß durste es sein, damit es nicht
zu sehr auffiel. Aber auch nicht zu klein, damit man
das Zimmer einigermaßen übersehen konnte. Adel-
heid trat in den Schrank und nickte befriedigt. Dann
setzte sie das kreisrunde Stück Holz wieder vorsichtig
in die Schrankthür und verklebte es sogar ein wenig
auf der Innenseite, damit es nicht herausfiele, wenn
der Schrank einmal zu heftig geöffnet wurde. Nun
endlich legte sie sich im Gastzimmer auf das Bett,
denn ihre Glieder zitterten vor Aufregung und Em-
pörung, daß sie zum Schutze der Familienehre zu
solchen Mitteln greifen mußte.
Zur Cafestunde stellte sich Frau Lili wieder ein.
„Ich bin Scharff begegnet und habe ihn zum Abend-
essen gebeten", flüsterte sie ihrem Manne zu.
„Ich bitte dich, Lili, denke an die Ehre der
Familie!"
„Deine Schwester hat dich wohl schon angesteckt?"
„Ich wäre heute Abend so gerne in den Sllub
gegangen", murrte Hans Mayer.
„So geh doch, Mann!"
„Ich kann Euch doch unmöglich allein lassen,
ich muß doch auf meine Schwester Rücksicht nehmen."
Frau Lili lächelte. „Das dachte ich mir. Deß-
halb bat ich Scharff. Sonst dürfte es gar zu lang-
weilig werden."
Hans Mayer rang die Hände. „Vorsicht, Vor-
sicht, Lili!" Seine Frau erklärte schalkhaft: „Sei
ohne Sorge, ich weiß auch, was ich der Familien-
ehre schuldig bin."
„Da hat man nun endlich sein behagliches Leben",
jammerte Hans Mayer . . .
„Und seinen Klub", warf Frau Lili ein.
„Da lebt man zufrieden und glücklich, bums,
kommt diese unausstehliche Adelheid dazwischen. Ich
pfeife auf die Familienehre!" Er erhob sich schwer-
fällig und ging seiner Schwester entgegen, die grade
in die Thür trat.
„Es ist wohl recht warm draußen?" wandte sich
Adelheid an ihre Schwägerin.
A. Salzmann (München)
„Nicht daß ich wüßte."
„Wie sonderbar. Du warst doch aus? Oder bist
du schon lange wieder hier?"
„Jawohl, ganze zwei Stunden war ich aus."
„Und weißt nicht, was für eine Temperatur
draußen herrscht?"
„Nein."
Adelheids Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse,
während sie scherzhaft mit dem Finger drohte: „Das
läßt tief blicken!"
„Laß doch den alten Sabor in Ruhe", murrte
Hans Mayer.
„Wie verliebt deine Frau immer noch sein muß,
Hans, daß sie nicht einmal weiß, ob es kalt oder
warm ist auf der Straße."
„Mein Gott, ich bin doch kein Thermometer,
liebe Schwägerin."
Als Hauptmann Scharff zu Tisch erschien, fuhr
Adelheid ordentlich zusammen, denn das war ja der
Mann, mit dem Lili Hans betrügen sollte. Und
Hans? Er that ganz harmlos, der gute Junge. Er
behandelte den Hauptmanu wie seinen besten Freund.
Und Lili? Sie that desgleichen. Wie schamlos das
war!
„Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Herr
Hauptmann", konnte sich Adelheid nicht enthalten
zu sagen, als man beim Nachtisch saß.
„Von mir?" Hauptmann Scharff sah ganz er-
schrocken drein.
„Meine Schwägerin bildet sich nämlich ein, Herr
Hauptmann, wir hätten ein Verhältniß mit ein-
ander", sagte Frau Lili lächelnd.
Wie roth der Hauptmanu wurde!
„Aber Lili!" rief Hans Mayer.
„Mein Gott!" schrie Adelheid.
Lili lachte laut. Nun hielt es der Hauptmann
für das Angemessenste, dasselbe zu thun. Hans
Mayer schloß sich dem an.
„Siehst du, liebe Schwägerin!"
Adelheid verließ indigniert das Zimmer.
„Nun könntest du ruhig in deinen Klub gehn,
Hans."
„Meinst du wirklich, Lili?"
.„Adelheid hat für heute genug."
„Wirklich, lieber Junge", meinte der Hauptmann
und beugte sich zu dem Rechtsanwalt.
„Deine Kleine ist mir begegnet. Sie ist außer
sich, daß sie nun schon zwei Tage vergebens auf
dich wartet", flüsterte der Hauptmann.
„Kann ich denn?" erwiderte Hans Mayer leise.
„Bedenke doch, meine Schwester!"
Im Hause Mayer gab es sehr ungemüthliche
Wochen. Adelheid ließ nicht ab von ihrem Verdacht,
trotzdem sie den Hauptmann nur selten zu Gesicht
28