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Nr. 3

JUGEND

Stella

Goldig übern Tann geschrieben
Blinkt am Himmel Stern auf Stern,
Sternlein sechse, Sternlein sieben —
Eines ist der Liebe Stern.

Ans den Häusern hüben, drüben
Blitzen Lichter, Stern auf Stern,
Lichtlein sechse, Lichtlein sieben —
Eins ist meines Herdes Stern.

Und die Trepp' herunterstieben
Hübsche Kinder, Stern auf Stern,
Mägdlein sechse, Mägdlein sieben —
Eins ist meines Lebens Stern.

Mppe§

von Arthur Schubart

Ein Bild

Durch die engen, schmutzigen Gäßchen des nörd-
lichsten Montmartreviertels, da wo Elend, Talente
und Laster so nahe und innig vereint beisammen
wohnen wie kaum auf einem anderen Erdenfleck,
zogen an einem lauen Frühlingsmorgen schwer-
müthig süße Klänge.

Neugierig folgten die beiden vornehmen Damen,
welche vom Besuche des Laorö ecwur-Klosters
kamen, den lockenden Tönen durch ein Gewirr
steiler, steiniger Pfade auf einen kleinen, kahlen
Platz inmitten des unsauberen Winkelwerks. Ein
blinder Leiermann mit weißer Löwenmähne spielte
dort, das blasse Antlitz selbstvergessen emporge-
richtet zum blauen Himmel, der mild-
lächelnd die trostlose Umgebung verklärte-
Neben dem Blinden stand ein schwarzer
Pudel, der die Umstehenden durch beredte
Blicke und sanftes Anstupfen mit dem glän-
zenden Schnäuzchen demüthig eindringlich
aufzufordern schien, eine milde Gabe in
das Blechbüchslein zu spenden, das der
Treue an: Halse trug.

Gerührt von dem Anblick dieses Bildes zog
die jüngere der beiden Fremden ein Francstück
aus ihrer grauledernen Börse und neigte sich nieder,
um es dem Pudel in das Büchschen zu werfen.
Dieser setzte sich sogleich fein manierlich und bog
das kluge Köpfchen zurück, um der Dame ihr
Liebeswerk zu erleichtern. Dann bot er ihr freudig
winselnd, als hätte er die Größe des Geschenkes
erkannt, die vom zähen Straßenschlamm klebrige
Pfote.

„O pfui, das abscheuliche Thier I Melitta, gib
acht!" warnte entsetzt die ältere der Damen ihre
Begleiterin. Einen Augenblick nur zögerte das
junge Mädchen, dann ergriff es herzhaft mit der
fein behandschuhten Rechten die schmutzige Pfote
des zottigen kleinen Hundes.

Da wurde es mit einem Mal ganz still rings-
um in der schwatzenden Gaffer Schar — nur ein
alter Maler, der wohl einst bessere Tage gesehen
hatte, lüftete den breitrandigen Schlapphut und
murmelte: „Voilä une femmel“

Rindererziehung

Vier Uhr! — Stürmisch, wie ein unbändiger
Wildbach drängte eine Schar lärmender Knaben
aus dem finsteren Thorbogen ihrer Schule in die
ersehnte sonnige Freiheit und ergoß sich gleich
einem Schwarm wimmelnder Ameisen über den
Platz vor der Anstalt.

Lächelnd betrachtete ich dieses Schauspiel, immer
wieder fesselt es mich auf's Neue: diese, alle
Schranken niederbrechende, überschäumende Kraft

lS05

Chalif, das ist unwürdig für Dich wie mich —
ich wähle nicht!" J

Erstaunt blickte Omar auf die kühne Sprecherin
und sagte ernst: „Du eignest Dich wohl zur Kö-
nigin, nicht aber zum Weibe!"

Und wieder hob sich der Vorhang, eine neue
Schönheit einzulassen, anmuthiger als die Verab-
schiedete, voll Liebreiz und Grazie. Ohne zu über-
legen, griff sie voll kindlicher Freude nach dem
schimmernden Perlendiadem, drückte es auf ihr
nachtschwarzes Haar und trat lächelnd vor den
Herrscher: „Mit dem Schönsten will ich mich
schmücken — um Dir zu gefallen!" —

„Schmeichelei täuscht mich nicht über ein eitles
Herz!" sprach streng der Chalif und winkte zum
dritten Male.

Und eine blonde Jungfrau erschien, jünger
und zarter als die beiden Andern, sanft und
schüchtern wie eine Taube. Mit niedergeschlagenen
Augen, die feinen Hände über der Brust gefaltet,
lauschte sie Omars Wort und wählte nach kurzem
Zögern den Reif aus Eisen-

„Du hast den Rechten!" rief der Chalif erfreut,
küßte die Jungfrau und verkündete sie als Sul-
tane vor allem Volke- Dieses aber pries ihn
ob der Weisheit, mit derber seine Wahl getroffen.

Stolz und glücklich saß Omar drei Tage später
neben seinem jungen Weibe und plötzlich neigte
er sich zu ihm herab und flüsterte zärtlich: „Wer
anders, Zcüde, hat Dich das schlichte Eisen wählen
gelehrt als Dein Herz?"

Da lächelte die junge Frau ganz seltsam,
schmiegte sich schweigend an des weisen Mannes
Brust und dachte dankbar der klugen Amme, die
ihr so oft die alte Geschichte erzählt, wie Chalifen
ihre Gattinnen wählen —

Taplenslreick

Trommeln rasseln durch die Gassen »

Nachts um neun den Zapfenstreich.

Holder Schatz, ich muß Dich lassen,

Werde nur darum nicht bleich.

Wenn die Tambour wirbelnd schlagen.

Heißt es: Gute Nacht, mein Kind!

Statt zu jammern und zu klagen,

Küß mich einmal noch geschwind.

Scheinen heute Nacht die Sterne
In Dein stilles Kämmerlein,

Denk an mich in der Kaserne,

Möcht' viel lieber bei Dir sein.

Dort an meiner rechten Seite
Liegt ein dicker Bombardier
Und er schnarcht zu meinem Leide,

Sehn ich schlaflos mich nach Dir.

I^ernrlck vor» Recter

6mem Määchen

Du mit Deinen dunklen, bannenden Augen,
Die aus blassem Antlitz so seltsam brennen,
Die viel leichter lachen und lächeln können,
Aber auch viel ernster und tiefer schauen
Als die Augen alle der drallen Schwestern —
Ahnst Du, daß nicht lange mehr hier im bunten
Treiben Du Dich regst? Dein Auge weiß es:
Ist schon jetzt ein fernher grüßendes Leuchten
Wie das Leuchten droben der traurigen Sterne.

Hanns V. Gunippenberg

solcher erwartungsfrohen, jugendlichen Menschen-
woge, dieses freudige Leuchten in Hunderten von
erregten Kinderaugen, diese bunte Verschiedenheit
von Trachten, Köpfen und Charakteren...

Während ich so zwischen den einzelnen Gruppen
dahinschritt, hörte ich plötzlich hinter mir eine ge-
drückte Knabenstimme sagen: „Jetz geht's gut,
Seppl, heut is der Vatter vor der Schul bei'm
Lehrer g'wen, und i Hab dahoam nix'n g'sagt von
die drei letzten Vierer — da weards wieder Hieb
setz'n..."

„Was lügst d' denn auch allweil?" mißbilligte
der Vertraute.. .

„Ja no, weil mi der Vatter halt allwei prügelt,
wann i an Vierer ei'gsteh; da wart i na lieber
glei mehr« ab!"

„Jetz da is der mei do scho anders!" meinte
kopfschüttelnd der Freund — „i kann eahm Vierer
bringa, so viel i mag, bal i's eahm nur glei sag,
daß i wieder ein' Hab. Na thuat er mer nix,
als wiea grad gut zured'n — und des thuat ja
net weh!"

Lhalifenwahl

Omar der junge Chalif, der wegen seiner
Weisheit im ganzen Morgenlande berühmt war,
saß auf den purpurnen Kiffen seines Prunkge-
maches in tiefes Sinnen verloren; sollte er doch
heute die höchste Weisheit bewähren und unter
den drei schönsten und edelsten Jungfrauen des
Reiches eine wählen zur rechtmäßigen Gattin.

Jetzt bewegte sich auf seinen Wink ein schwerer,
goldgestickter Sammtvorhang, eine majestätische
Frauengestalt erschien und trat erhobenen Hauptes
vor Omars Thron.

„Sieh hier Fetme, diese beiden Diademe," sprach
der Chalif, wohlgefällig die Herrliche betrachtend,
„hier das perlenbesetzte und hier das eiserne —
wähle!"

Da hob das schöne Weib sein stolzes Haupt
noch höher und antwortete: „Du willst mich prüfen,


Emil Schüller
Register
Arthur Schubart: Nippes
Emil Schuller: Zierleiste
Fritz Erdner: Stella
Heinrich v. Reder: Zapfenstreich
Hanns Theodor Karl Wilhelm Frh. v. Gumppenberg: Einem Mädchen
 
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