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1905

JUGEND

Nr. 3

Port Hrtbur

Port Arthur fiel. Lin wall von Leichen ragt
Zersetzt auf den zerborst'nen Mauerkronen.

Das letzte Brod ward kummervoll zernagt,
verschossen ward die letzte der Patronen. —

-o zieh'n sie aus; das Ljaupt von Gram gebeugt
Und doch von gold'gem Glanz des Ruhms

umschimmert,

Indeß im Osten aus den Fluten steigt

Lin neues Reich, vom Morgenglanz umflimmert!

was Menschenkraft vermag, Ihr habt's gelhan!
!vo war ein Häuflein fester, tapfrer, treuer?
viel Monde sperrtet ihr dem Feind die Bahn,
Der euch umschlang, ein Riesenungeheuer,
wo war da einer von so kargem Sinn,

Mit seinem Leib, mit seinem Blut zu sparen?
Das höchste Recht, ihr warft es freudig hin:

Das Recht zu leben gabt ihr für den Zaren.

Nun kehrt ihr heim ins theure Vaterland
Und schaut umher; auch da ein schweres Ringen.
Lin Kampf ums Recht ist lichterloh entbrannt,
Den Kutt' und Knute wollen niederzwingen.

Die Stimmen, bereu L)urrahruf erscholl,

Ob unter euch die Lrde mochte beben,

Ob rings um euch der Feinde Menge schwoll,
Ihr dürft sie in der Heimath nicht erheben.

Der Zar ist Herr. Lr läßt sich nimmermehr
Lin Zinkchen aus der Krone Goldreif brechen.
Lin Frevel ist des freien Manns Begehr,

Für's eigne Wohl zu rathen und zu sprechen.
Kommt her! Der Zar schmückt eure Heldenbrust
Mit Kett' und Kreuzlein. Laßt die wünsche fahren
Nach Recht und Freiheit. Lure höchste Luft
Sei immerdar: Zu sterben für den Zaren.

Kommt! Küßt das Kreuz! Der heilige Synod
Hat es gesegnet. Küßt's mit frommem Schauern.
Den Herrn laßt walten. Lu er ist der Tod,

Der junger in zerstörter Städte Mauern.

Und Kutt' und Knute laßt mit Herrngebot
Auch fürder walten über Rußlands Volke!

So spricht der Zar, indeß das Morgenroth
Im Osten steigt aus goldumsäumter Wolke.

p. Aramer

frage eines guten Oesierreiefters

Unterrichtsminister Ritter v. Härtel, der sich in zahl-
reichen Fällen schon als gefügiger Freund der Klerikalen
erwiesen, hat sich erst kürzlich auf eine Interpellation fol-
gende Antwort geleistet: „Wir haben Herrn Marschall zum
Professor ernannt, weil ein Künstler, der die Ehre hatte,
Mitglieder des Allerhöchsten Kaiserhauses, Se.

Seiltgkeit den Papst und andere hochstehende
ersönlichkeiten medaillieren zu dürfen, sich
unmöglich unlauterer Manipula-
tionen schuldig gemacht haben kann."

O Roerber, lieber Roerber,

Gib Antwort mir, ich bitt':
warum nahmst Du beim Scheiben
Nicht auch den Härtel mit?

Austriacus

Liebe Jugend!

In irgend einem Ministerium war
ein Herr innerhalb eines Jahres zum
Regierungsrath und vom Negierungs-
rath zum Oberregierungsrath befördert
worden. Kein Wunder, daß ihnr das
rasche Avancement ein bischen in den
Kopf stiegt Vielbeschäftigt, wie
er zu sein glaubte, wollte er sich den
Glückwünschen seiner zukünftigen Unter-
gebenen um jeden Preis entziehen und
kam zu diesem Zweck auf folgende ge-
niale Idee: Er stellte vor die Thüre
seines Bureaus einen Stuhl und be-
festigte an der Thüre ein Plakat mit
der Inschrift: „Sitzung". Er selbst be-
fand sich aber im Bureau. Und nun
nahten sie alle, bemooste Häupter, junge
Streber, befrackt und gewichst, verneigten
sich in tiefer Ehrfurcht vor denr Stuhl
des Gewaltigen und legten ihre Karte
auf hochdessen Stuhl- — Geschehen im
^abre des Heiles 1904 — nicht in
Byzanz I

Ms ckem lyrischen

Tagebuch des Leutnants v. vertewih:

Familiemag

Neulich „Familientag" jehabt:

Vierzig von Verfewiye!

Anblick mir wieder Herz jclabt:

Füllhorn von Schönheit und Irüye!

Damen janz reizende drunter auch.
Essener Zauber, zu wissen:

Darf hier, nach alten juten Brauch,

Alle und Jede küjsen!

Tlwt's auch, wenn von Natur nicht dumm.
Niemals mir dumm erschienen:

Hatte im Umseh'n um mich rum
Dutzende schöner Lousinen.

^ Oberst da, olles famoses Haus,

Ileich mich in Arm jenommen,

Rief mich als „Stolz der Familie" aus —
Nur meinetwegen jekommen!

Menge Ram'raden (in Iala) da —

Alle jespannt, mich zu sehen.

Einjcs Livil auch zujegen — na ja,

Eben nich janz zu umjehen .. .

Sind nu mal nich so wie Unserein,

Nich so espritjeladen,

Rönnen aber janz nützlich sein,
Beispielsweis beim Berathen.

War zu berathen. Statut jebaut.

Nich meine Sache. Ieschlafen.

Feste jenickt. Erst aufjethaut,

Wie jrad bei'm Schlußparajraphen . . .

Rrone voii's Ianze: Familienmahl.
Mächtig Pokal jeschwungen.

Lerer jeschlagen — phänomenal:
Bombenerfolg errungen!

Damen mich beinah umjebracht —

Mußte mir ernstlich verbitten —

Reineweg Jagd auf mich jemacht. ..
Rurzuin: fein abjeschnitten.

Finde Icschlechtstag janz unjemein
werthvoll, durch nichts zu ersetzen:
wissen Talent dort von Unserein
wie sonst fast nirgends zu schätzen.

Richter (zum Angeklagten, der soeben, kurz
vor Neujahr, zu zwei Jahren Zuchthaus verur-
theilt wurde): „Angeklagter, haben Sie etwas
dagegen einzuwenden?"

Angeklagter: „Ja, dürft ich vielleicht um
eine LnthebuMgskart'n bitt'n!"

Än Josephine!

Sittlich gereinigte Liebeslyrik von Fridolin Frommknecht

(!) Schönste aller Josephinen,

Wie sind Sie keusch und tugendhastl
Nein! Wirklich: mein Gefühl zu Ihnen,
Das grenzt schon fast au Leidenschaft!

Wie stürmisch meine Pulse schlugen,

Als ich Sie sah von Weitem schon,

Wie Sie den Lilienstengel trugen
Am Sonntag bei der Prozession!

Man sah am weißgestärkten Kleide
Die Unschuld Ihnen förmlich an —

Und hinten war von lichter Seide
Ein himmelblaues Schleifchen dran.

Da stand ich mit verklärter Miene
Und dachte: Die so hold, so rein —

O dürfte sie mir doch Cousine,

O dürfte sie mir Schwester sein!

*

Glauben Sie: in heißen Liedern
Zwar besinge ich mein Lieben,

Doch geschieht es nicht aus niedern,

Wüsten, sinnlich-rohen Trieben!

Daß Sie je sich mir geselleir
Könnten als getrautem Gatten,

Solches nur mir vorzustellen,

Würde ich mir nie gestatten!

Ein Besitz im Rausch der Sinne,

Wie er bei Verliebten üblich —

Diese Art brutaler Minne
Scheint mir schändlich und betrüblich.

Keusch an Ihrer Schönheit Glanze
Will ich meine Flamme nähren,

Doch nach Ihrem Myrthenkranze
Wag' ich nimmer zu begehren!

*

VTun bin ich recht brav und strebsam
Und tugendhaft und solid,

Damit es mit freudigem Herzen
Meine Angebetete sieht.

Ich hoffe, daß einst sie die Hände
Aufs Haupt mir legen thut,

Betend, daß Gott mich erhalte
So rein, so brav, so gut!

Mtgetbeitt von Biedermeier mit et

on unbekannter Seite erhielten wir die
nachfolgenden Verse; wir bitten den
Verfasser, uns seinen Namen nebst ge-
nauer Adresse angeben zu wollen.

Liebe Jugencl!

Mir hat's schon längst auf der

Seele gebrannt,

Vom Rhein einen Gruß zu senden
Dir, wackere „Jugend" im Bayerland,
Als Dank für Deine Spenden.

Du ahnst ja nicht, was Du uns bist
Hier unten am deutschen Strome,

Wo Alles so schwarz und so düster ist,
Wie die Krypta im Kölner Dome.

Du reichst — Dein Ueberschuß ist

ja groß! —

Uns wöchentlich frische Patronen,

Mit denen schießen wir lustig los
Auf alle bornierten Cujonen.

Du lehrst uns, was tüchtig sich

regen heißt.

Wenn's gar zu öd will werden,

Und zeigst, daß der fröhliche freie Geist
Noch nicht geschwunden auf Erden.

Und wird es in Preußen uns

gar zu dumm,

Wir wollen, wie Du, es machen,

Und über Bonzen- und Büttelthum
Von Herzen lachen, ja lachen.

Und dieses Lachen, es sei das Band,

Das uns für immer vereine-

Willkommen denn, „Jugend" vom

Jsarstrand,

Willkommen als — Wacht am Rheine!

Ein Mitkämpfer

Hus der „Mockc": A. Schmidhammer

Serenissimus in seinem Arbeitszimmer
Index
P. Kramer: Port Arthur
Arpad Schmidhammer: Aus der "Woche": Serenissimus im Arbeitszimmer
Biedermeier mit ei: An Josephine
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: Familientag
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Austriacus: Frage eines guten Österreichers
 
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