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1905

Nr. 6

J UGEN D

Aus dem lyrischen

TageöuD k>e§ Leutnants v. Leksewi^

Rabinettsordre

Anjriffe neuerdings massenhaft
Seitens Livilkerls jefchchen:

Möchten Parademarsch abjeschafft,
Iardekorps aufjelöft sehen!

Lachhaft natürlich! — Aber doch
Schwachen Erfolg jetzt errungen,

Einiges, wenn auch nichts Iroßcs noch,
Majestät abjezwungcn.

Lese soeben „Verordnungsblatt":

„Leichter jcmacht Excrciren" . . .

Trost nur: bleibt noch jenug un satt,
Rerle zn schikaniren!

s

(Vom russischen Ariegsschaupkah

Aus dem Hauptquartier des Großfürsten
Wladimir

1. Bote: Kaiserliche Hoheit, die Semstwos wer-
den aufsässig; sie schreien nach einer Konstitution.

Großfürst: Laß sie schreien.

2. Bote: Die Arbeiter jammern über ihre Lage;
sie hungern.

Großfürst: Laß sie hungern.

3. Bote: Die Arbeiter ziehen vor das Winter-
palais; sie betteln um Gehör.

Großfürst: Laß sie betteln.

4. Bote: Das Militär schießt; tausende liegen
in ihrem Blute.

Großfürst: Laß sie liegen.

5. Bote: Die ausländischen Börsen werden un-
ruhig; die russischen Kurse sinken.

Großfürst (aufspringend): Um Gotteswillen,
das Vaterland ist in Gefahr. Die Zahl der Todten
und Verwundeten soll sofort durch 75 dividirt wer-
den; die sämmtlichen russischen Zeitungen sollen
über die Neckereien der Truppen und der Arbeiter
das Maul halten; an die. auswärtigen Zeitungen
ist zu telegraphieren, daß hier alles quietschvergnügt
ist, am 22. Januar seien einige Betrunkene auf
dem Eise der Newa verunglückt. Trepow soll Ge-
neralgouverneur von Petersburg werden, um das
arme Volk gegen die Willkür der Beamten zu schützen.
Auch der Zar soll das seinige thun; er soll für das
Glück seines Volkes beten.

6. $ote* Die Börsen sind wieder fest, die rus-
sischen Werthe steigen.

Großfürst: Ich habe das Vaterland gerettet.
Schafft Sekt her, daß ich ihn auf das Wohl der
Arbeiter und des ganzen Volkes trinke.

Bei gewissen Berliner wohlthätigkeits-
b azaren hat man sich jetzt entschlossen, den Damen
an den Rassen kein baares Geld, sondern nur noch
am Eingang käufliche Marken zu bezahlen,
damit nicht mehr so große Summen für „eigene
Unkosten" verschwinden. Böse Menschen haben
behauptet, inan müsse die Gesellschaft nicht mehr
aaute volee, sondern hauts voleurs .'nennen 1

Graf pückler-Tschirne

beschwert sich in seinem neuen Organ darüber, daß
er sechs Monate Gefängniß bekommen habe, während
er doch den Orden pour le merite verdient habe. —
Nun, es bestand an entscheidender Stelle auch die
Absicht, seine Verdienste in dieser Weise anzuerkennen:
aber der Ausführung dieses Planes stellten sich Hin-
dernisse entgegen, die nicht in der Person des hoch-
geborenen Grafen lagen. Der Orden pour le merite
wird bekanntlich in neuerer Zeit nur paarweise ver-
liehen. Die Dekorirung des Grafen Pückler-Tschirne
unterblieb nur deshalb, weil man sich an maß-
gebender Stelle nicht dazu entschließen konnte, den
Orden pour le merite auch dem rothen Manasse zu
verleihen.

Ein merkwürdiges Phänomen ruft in Zoologen-
kreisen lebhafte Kontroversen hervor. Aus allen
Weltgegenden wird nämlich berichtet, daß plötzlich
alle Kühe —zu lachen angefangen haben. Als Ur-
sachen nennt man die Bemerkung Oertzens, man
solle die Regelung der V er f a s su n g s fr a g e ruhig der
mecklenburgischen Regierung überlassen, und
die Aufforderung des Zaren an die Arbeiter, sie so llten
zu ihm und seiner Regierung Vertrauen haben.
Häckel verficht die Ansicht, die Kühe lachten über die
Ochsen, welche die Zentrumsversicherungen
für bare Münze nähmen.

Die Macher der (Nevokutioir

Der Sturm verweht. — Im Land der Neußen
Herrscht wieder bange Kirchhossruh.

Man gibt ein bischen Speck den Mäusen
Und schlägt dann schlau die Falle zu.

Zum Schein gewährt man ein paar Nechte,
Und mählich wird's dem Volke klar,

Daß es ein Spielzeug höh'rer Mächte,
Geleitet von verräthern war.

Sie brauchten einen Grund zum Schießen,
Sie lagen schon im Hinterhalt,

Und ach, die armen Narren ließen
Sich provozieren zur Gewalt.

Und nun, da siegreich die Negierung,
Macht ste Luch wie zum Hohn bekannt,
Daß unter Englands, Japans

Schürung

Der Aufstand und der Streik entstand.

„wir meinen's gut, wir Staatsgewalten,
Das Ausland hetzt Luch drauf und dran."

-wer kennt ihn nicht, den Spruch,

den alten:

wer sich entschuldigt, klagt sich an?!

Helios»

Der mink des Himmels

Den lieben Nachbarn in Paris
wird es auf einmal schrecklich mies
Bei all den vielen Schlägen,

Die fern im Dsten unverwandt
Auf ihren Freund aus Nussenland
Gewaltig niederfegen.

Weh, rufen ste, wir find geprellt!

Der gute Freund! Das gute Geld!
wie soll man dies nun kriegen?

Hilf Himmel, eh es wird zu spät,

Hilf, daß nicht Alles pleite geht
Und daß die Nüssen stegen!

-D Freunde jammert nicht zu sehr!

Sein Geld verlieren ist ja schwer!

Doch denkt, ihr Herrn pariser:
wenn Ihr, mit diesem Freund liirt,
Nun hättet „die Nevanche" riskirt,
wär' das vielleicht nicht mieser?

A. He Xora

*

Der ärztliche Bezirksverein in Freiburg i. S.
verurtheille jüngst den Dr. Frank in Frankenthal
zu einer hohen Geldstrafe, u. a. mit der Begründung,
daß er zu familiären Verkehr mit tief
unter seinem Stande stehenden Personen
(Arbeitern) unterhalten habe. Leider hatte
der Dresdner Ehrengerichtshof so wenig Sinn für
die Freiberger Standesehre, daß er besagtes Urtheil
aufhob und den angeklagten Arzt fr ei sprach.
Um sich daher für die Zukunft vor so unsauberen
Elementen sicher zu stellen und die ärztliche Standes-
ehre fleckenrein zu erhalten, hat, wie wir nun er-
fahren, der Freiburger Bezirksverein neuerdings
für seine Mitglieder ein neues Statut aufgestellt,
dem wir folgende Bestimmungen entnehmen:

1. Mitglieder des ärztlichen Bezirksvereins in
Freiberg i. S. können nurAdelige werden, und
zwar vom Baron aufwärts. Herren mit bloßem
„von" dürfen nur als Krankenwärter, in Ausnahme-
füllen auch als Assistenzärzte Verwendung finden.

2. Die loyale Gesinnung der Mitglieder ist durch
regelmäßigen sonntäglichen Kirchenbesuch und durch
Spalierstehen und Hurrahschreien bei Tenkmals-
einweihungen, Fürstenbesuchen re. zu bekunden.

3. Wer 10 Jahre lang Mitglied des ärztlichen
Bezirksvereins gewesen ist und noch keinen Orden
erhalten hat, wird cum infamia ausgeschlossen.

4. Für Krankenbesuche ist folgende Toilette vor-
geschrieben: a) beim hohen Adel Frack, weiße Hals-
binde und Ordensschmuck, b) beim niederen Adel
schwarzer Gehrock mit den Ordensbändchen, c) beim
Bürgerthum gewöhnlicher Jaquett-oder Saccoanzug,
d) beim Arbeiterstande je nach der Temperatur
Schlafrock oder Hemdsärmel.

Ruropatkin ergreift energisch bic Offensive
Register
[nicht signierter Beitrag]: Ein merkwürdiges Phänomen...
[nicht signierter Beitrag]: Der ärztliche Bezirksverein in Freiburg...
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz
Frido: Vom russischen Kriegsschauplatz
[nicht signierter Beitrag]: Graf Pückler-Tschirne
Monogrammist Igel: Kuropatkin ergreift energisch die Offensive
Helios: Die Macher der Revolution
A. De Nora: Der Wink des Himmels
Monogrammist Pentagramm: Illustration zum Text "Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von
[nicht signierter Beitrag]: Bei gewissen Berliner Wohltätigkeitsbazaren...
 
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