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- Nr. 11

Canto della influenza

Von Signore Domenico Rayelmachee

Die „Tribuna" bedauert» daß Krankheit Giolitti
zum Rücktritt gezwungen habe. Line Influenza
habe mehr angerichtet, als alle Opposition und Ob-
struktion.

So einer Snuffett sein sie stimm,

So einer Influenza,

Das kann sie einer ntlnistero
verelfen sur partenza!*)

Indessen sein sie voller Snuff
Der Welt, der tutt’ il mondo,

Sein porco tedesco gans gesund
Und werden dick und tondo i2)

0 dio mio, mack' Du dock,

Daß diesen Olleubratel
Lin grande Influenza nimmt
Bei feiner Sweinskrawattel!

wenn fott einer Eccellenza kann
Vov Sneuzen nit regieren,

Muß einer Di eck mit Snussen auck
Geswind demissionieren!

Erlöst aus dieser flaue weist,

O Madonna e bambino,
von das verfluckte bostia
Die povero Drontino!

zum Abfahren. *) rund.

Kottenburger $cbil1er=?eler

Das Amtsblatt der schwäbischen Bischossstadt
Rottenburg bringt ein Eingesandt, dessen klerikaler
Verfasser den Literaturfreunden nicht verwehren
will, da und dort den Schillertag zu feiern; aber da
Schiller, trotzdem er manches Schöne und Edle ge-
schaffen habe, doch nicht aus christlichem Boden
stehe, solle man für die Feier nicht mehr an Zeit,
Mühe und Geld auswenden, als für die Ideale
des Lhristenthums. —

Jawohl, Ihr lieben Leser, endlich ein ver-
nünftiges und dabei tolerantes Wort! vergessen
wir nicht, Ihr Brüder und Schwestern, daß Schiller
immerhin ein Lutherischer war und daher ver-
dammt ist. Sammeln wir uns an seinem hundert-
jährigen Todestage früh zu einer frommen Pro-
zession und ziehen wir unter Absingen des Liedes:
„Dies irae, dies illa, solvet secla in favilla“ in
die Kirche, wo eine Messe für die Seele des Ketzers
von Schiller gelesen werden wird, wir wollen
beten, daß der Herr diese Seele, die nun gerade
hundert Jahre in der Hölle geschmort hat, gnaden-
voll in das Fegefeuer versetzen möge! Die Jung-
frau von Orleans, deretr Heiligsprechung bisher
an ihrer Frauenemanzipationsihäligkeit scheiterte,
wird dann zur weiteren Feier des Schillertages
von Seiner Heiligkeit kanonisiert werden.

Am Nachmittag wird ein Denkmal des hoch-
würdigen Herzogs von Alba enthüllt; dann wird
für unsere Pfarrkirche zu Schillers Gedenkfeier
eine neue Glocke gestiftet. Abends aber wollen
wir uns in den Räumen des katholischen Ge-
sellenvereins bei einem Glase guten katholischen
Bieres und bei katholischer Musik zusammenfinden
und wollen den Schillertag mit einer Vorlesung
aus den Kirchenvätern beschließen. Bevor wir
dann auseinandergehen, wollen wir noch in einem
stillen Gebete den Fimmel bitten, er möge mit
der Seele Schillers nicht gar zu streng dafür in's
Gericht gehen, daß der Ketzer ein solches Mach-
werk gedichtet hat, wie den „Faust".

Frido

Der bibelfeste Domino

Auf einem Bai pard im Münchner Deutschen
Theater erregte ein Domino Aufsehen, dessen
Busen mit Blumen bemalt war. Die Schöne
hat diese dekorative Idee offenbar aus dem hohen
Lied Salomonis geschöpft, wo es heißt:

„Deine zwo Brüste sind wie zwei junge Reh-
zwillinge, die unter Rosen weiden!"

- t -

Der neue Mutarch

„wie finden Sie den neuen Berliner Dom?"
wurde Friedrich Naumann gefragt.

„Zum Rarbolischwerd enl" lautere die
vielsagende Antwort.

Ein neuer Fall

Kaum hat das Hüller Schiedsgericht sein Ab-
schiedsdiner gehalten, so erfüllt schon wieder ein neuer
Streit die frühlingsschwangeren Lüfte. Herr Rektor
Barkhausen und Herr Geheimrath Launhardt in
Hannover sind sich in die Haare — soweit solche
vorhanden sind — gerathen über die Frage, wem
von ihnen das größere Verdienst bei dem Abschluß
des berühmten „Friedens von Hannover" zukomme.
Jeder willls gewesen sein. Jedem hat Herr v. Studt
ein Telegramm geschickt, jedem die Hand gedrückt,
jeden lieb angeblickt, jeder hat bei dem Concept des
Friedensvertrages seinen Senf dreingegeben, der eine
um eine halbe Stunde früher als der andere, wie
bei einer Zwillingsgeburt. Und der „ältere" Zwil-
ling will immer der Gescheitere sein.

Zum Glück haben sich die Studenten Heile,
Zimmermann und Remh, die Führer des ver-
flossenen Feldzuges, bereit erklärt, gegen das gleiche
Honorar, das die Hu l lerhaager bekommen haben,
und freien Biereonsum für die Zeit der Tagung, ein
Schiedsgericht zu bilden, und erhielten auf ihren
Vorschlag sowrt eine Studtdepesche folgenden In-
halts: „Alles gewährt. Sofort beginnen. Unter
allen Umständen Frieden zustande bringen. Dank
voraus." Daraufhin haben sie unverzüglich das
Schiedsgericht konstituiert.

Die Untersuchung wird gründlich vorgenommen.
Mitglieder des Schiedsgerichts, das der größeren Un-
parteilichkeit halber aus 503 Studierenden der Han-
noverschen Hochschule besteht, werden sowohl nach dem
Geburtsorte des Herrn Rektors Barkhausen als des
Herrn Professors Launhardt abgeschickt, um Zeugen
ausfindig zu machen, welche bestätigen können, daß
diese Herren den „Frieden von Hannover"
verschuldet haben. Sollten die Recherchen nicht
zufriedenstellend ausiallen, so sollen ferner folgende
Orte und Persönlichkeiten besucht und zur Vernehmung
vorgemerkt werden: alle Orte, an welchen die beiden
Herten Gegner, und alle Personen, mit welchen die
beiden Herren Gegner jemals studiert, pokuliert, dis-
putiert, poussiert, doktoriert, examiniert, oder sich
blamiert haben; alle Orte und Personen, welche mit
Herrn v. Studt und den beiden Herren Gegnern vor
und nach dem Friedensschlüsse inVerbindung standen;
alle Personen, welche mit allen Studenten von Han-
nover in der Zeit vor, während und nach dem
Friedensschlüsse in Verbindung standen. Man hofft,
dadurch eine vollständige Klarheit in die verwickelte
Frage und die sämmtlichen Bierfässer des Bezirks
Hannover zu bringen und zu einer einfachen salo-
monische Entscheidung zu gelangen. Sollte aber
unerwarteter Weise eine solche diesermaßen nicht zu
stände kommen, jo wird als ultima ratio ein Bier-
gericht entscheiden, indem Herr Rektor Barkhausen
und Herr Professor Launhardt vor versammelter
Corona einen „Papst" auszupauken haben werden.
Wer zuerst das „Pst" ausstößt, soll als der Sieger
gelten und erhält den Titel: „Preisfriedens-
stifter von Hannover". Prost! a. i>. ät.

Im Zuge der Zeit!

Bei einer — königlichen — Faustaufführung
in Berlin sollte Matkowsky-Faust die frivolen
Verse sprechen:

Schaff' mir ein Halstuch von ihrer Brust,

Ein Strumpfband meiner Liebeslust!

Er machte aber dem sittlichen Zug unserer Zeit
folgend aus dem (salva venia) Strumpfband ein
Schnupftuch! Ist nun aber nicht ein Hals-
tuch von ihrer Brust ebenso schlimm, fast noch
schlimmer? welche Vorstellungen weckt eine solche
Busenhülle — o! Man setze auch dafür ein
moralischeres Kleidungsstück:

Schaff' mir einen Schlappschuh vom

holden Mädchen

Oder ein Schnupftuch von

meinem Grethchenl

Jetzt sind die Verse hoftheaterrein l

-r a ~

ms

Die ungarische Krise

dauert fort. Deutschland hat endlich, endlich seine
Handelsverträge unter Dach und Fach gebracht, —
aber die ungarische Krisis dauert fort. Der Kanal ist
endlich genehmigt, ja sogar die Hüller Kommission ist
mit ihrem Schiedsspruch fertig geworden, — aber die
ungarische Krisis dauert fort. Der König von Ungarn
hat schon 3547 ungarische Politiker gehört, — aber die
ungarische Krisis dauert fort. Jetzt wird der König
die wenigen noch übrigen wahlfähigen Magyaren
hören, und wenn er dann noch immer keinen ge-
eigneten Ministerpräsidenten findet, dann wird er
im Auslande weitersuchen. Dort kommen Fürst
Swiatopolk-Mirski, der Ministerpräsident a. D.
Combes, der König Peter von Serbien, der Minister
Ruhstrat, der Ministerialdirektor Althoff und der
Preisriuger August Wudicke, genannt August mit
die starke Lemain, in Betracht. Wird auch mit diesen
keine Einigung erzielt, dann will man es mit Miß
Jsadora Duncan als Ministerpräsidentin versuchen.
Man hofft, daß sie mit den Magyaren Fraktur
tanzen wird.

Oer Kronprinz unci clie Etikette

Land Italien, Du bist bekanntlich
Heute wie schon anno dazumal
Für die Menschheit, braut- und ehestandlich
Das bewährte Reise-Ideal.

Unser Kronprinz hat, gleich allen Deutschen,

Diese Sehnsucht männiglich gespürt
Und darum sein allerhöchstes Bräutchen
In Florenz galant herumgcführt.

Leider aber hat ihn die infame
Etikette dieser Lust beraubt:

Nämlich ohne strenge Gardcdame
Ist das Reisen Bräuten nicht erlaubt.

Und da die Mama daheim gelegen,
weil sie etwas angegriffen war,

Mußte trennen sich von dessentwegen »

Das betrübte, allerhöchste paar.

Armer Rronprinzl Und auch Du, Läcilie,
Dürftest herzlich zu beklagen sein,

Denn im Lürgerstand läßt die Familie
Die Verlobten manchmal gern allein.

Ihr jedoch dürft' ohne höchst honette
Ucbcrwachung niemals nirgends hin,

So verlangt's die strenge Etikette,

— Gott sei Dank, daß ich kein

Rronprinz bin!

Kärtchen

*

Der Steuerausschuß zu Berlin hat eine
Theaterbilletsteuer vorgeschlagen mit der Be-
gründung, daß, wer sich ein Vergnügen leisten
kann, auch dabei eine Kleinigkeit für den Staat
thun soll, wir haben utls bei den Theatersach-
verständigen, den Herren Kritikern, erkundigt und
die einstimmige Auskunft erhalten, daß es ab-
solut kein Vergnügen sei, ins Theater zu
gehen. —

Da Hamm mer'sch I

*

Die Streikbewegung in Rußland greift
immer mehr um sich: >

In St. Petersburg will eine weitere Klasse
der Bevölkerung nicht mehr um einen kärglichen Lohn
die Gefahren ihres Berufes auf sich nehmen, die An-
gehörigen dieser Klasse wollen nicht jeden Tag und
zede Stunde ihr kostbares Leben aufs Spiel setzen,

— die Großfürsten streiken.

In Moskau streiken die Ren tiers. Sie wollen
so lange im Schweiße ihres Angesichts arbeiten, bis
die Zensur abgeschasft ist.

In Nischnei-Nowgorod streiken die Säug-
linge. Sie wollen so lange die Brust nicht nehmen,
bis ihnen eine Verfassung gegeben ist.

In Warschau streiken die Streikenden. Jeder
Ausstand soll so lange ruhen, bis die Forderungen
der Ausständigen abgelehnt sind.

206
Register
[nicht signierter Beitrag]: Die Streikbewegung in Rußland...
t [Ostini]: Der bibelfeste Domino
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
[nicht signierter Beitrag]: Der Steuerausschuß zu Berlin
A. D. N.: Ein neuer Fall
Karlchen: Der Kronprinz und die Etikette
Domenico Katzelmacher: Canto della influenza
Frido: Die ungarische Krise
Frido: Rottenburger Schiller-Feier
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
 
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