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Nr. 18

1905

Die blaue Stunde

Der (lag Ni im Dcrgiühen,

3d) gehe den Mendrölhen nach,

Die langsam vor n Ir fliehen,

Zd) sd)reNe au;, gemach, gemad) . . .

Da; ist ein weiche; gehen,

Mit milden fänden kost der Wind,
gelang liegt in den I)öhen
Und alle warben Ieud)ten lind . . .

Dun kommt die blaue 5<unde,

Da; letzte llielernroll) verblaßt
Und stiller wird die Kunde,

Zch strecke mich am Dusch zur Kalt . ..

3ch höre mein l)er;e hämmern
Und irgendwo ein Deben zieht
Und durch da; blaue Dämmern
Schluchz! einer jRmfel Lied . . .

Georg Muschuer

Aphorismen

Von A pauly


'IL...



In dein denkenden, forschenden Geist scheint
der Mensch der Natur entsprungen, ihr ent-
flohenes selbständig gewordenes Geschöpf zu
sein, aber in dem sinnenden Weib hat sie die
andere Hälfte ihrer Schöpfung an der Brust
behalten,

*

Was das beste Zeichen an einem Kinde
ist, eigener Wille, eigenes Denken, das be-
trachten die Erzieher als das Wichtigste was
sie auszurotten hätten.

*

Die Verrücktheit theilt mit dem Genie
das Nebcrraschende ihrer Behauptungen. Da-
durch kann sie von Urtheilsloseu mit diesem
verwechselt werden und eine Zeit lang in der
Gesellschaft an die Oberfläche kommen und
dessen Rolle -spielen.

*

Es ist einer der allerwichtigsten Punkte
in unserer Selbsterziehnng, uns für Gründe
empfänglich zu machen, die uns unangenehm
sind.

*

Alle Tugenden und Gaben des Menschen
sind werthvoll, aber erst das Gemüth ver-
einigt sie zu einem Menschlichen, für Alle
Köstlichen.

-i-

Wenn uns die Geduld ausgeht, geht uns
die Vernunft aus.

Befreit

Ueber dem [xeid
Flattert das Liied;
Wolke verzieht,
Schon ilt lie weit.

Binfer dem Flor
Bebt lieh und bricht
Göttliches Dicht
Segnend hervor..

Was Du gefhan,
Creulote Frau,

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ii:

liegt [ich wie Uhau
Huf meine Bahn.

Blühende Saat
Wuchs aus dem Weh —
Dichter denn je
Dacht mir der Pfad.

lieber das Deid
Siegt nun mein Died;

Wolke verzieht,

Schon Ilt lie weit.

Anton Eindner

H. Nisle f

z# Die Bajadere der Sahara

Sobalb der feurige Ball der Sonne am
j Horizont in ein tiefrothes Gluthmeer

untergetaucht und der Mond die endlose
Wüstenfläche in ein magisches leichen-
farbenes Licht gehüllt, erwacht Biskra,
da«- Paradies der Sahara, zu neuem
Leben.

ivie Tobte lagen die Menschen
während des Tages in den Lehmhütten
ausgestreckt, denn die Gluth der tyrannischen Sonne hatte
jedes Leben, jede Bewegung gehindert und jetzt im Schuhe
der nachsichtigen Oerhüllerin aller menschlichen Leiden-
schaften, der heiligen Nacht, kriechen sie hervor aus ihren
Schlupfwinkeln, wischen sich den Schweiß mit Sand ab,
hüllen sich in den Burnus und saugen glücklich die feucht-
warme Nachtluft ein.

Im flackernden Licht zahlloser, bunter Papierlateruen
wogt der Menschenstrom durch die engen Gassen der kleinen
Gasenstadt. Zwischen weißen Lehmhäusern hindurch,
verwegene, gebräunte Räubergesichter mit schwarzen
Bärten, den weißen Burnus tief ins Gesicht gezogen,
Kabylen, Mozabiten, Beduinen und Araber von Tunis
und Marokko, rothe Spahisoffiziere, blaue Turkos und
ebenholzschwarze Tuaregs mit thierischem, heiserem Lachen,
— Ligaretten rauchend und schreiend, wogen sie alle auf
und ab.

wir sind in den heiligen Gassen der Gulad Nayls,
der Bauchtänzerinnen Biskras, jener Töchter der wüste,
denen es, entgegen den Satzungen des Korans, erlaubt
ist, sich unverhüllt den Männern zu zeigen und sich ihnen
preiszugeben. Ihr Stamm beherrscht die ganze Steppe
der Hodna und ist der bedeutendste der algerischen Sahara.

In den Kaffeehäusern ertönt der eintönige Schlag
der Handtrommel, begleitet von dem bald auf- bald ab-
wärts steigenden Ton der arabischen Flöte. Das Innere
dieser Laf§s ist mit Petroleumlampen und farbigen Lam-
pions festlich beleuchtet. Bunte Papierguirlanden, sowie
prachtvolle Teppiche schmücken die wände. Im Hinter-
grund ist ein Podium errichtet, welches ebenfalls mit
Teppichen belegt ist und auf dem zwei Neger, der eine
mit der Guitarre, der andre mit der Flöte, sowie ein
einäugiger Araber mit der Handtrommel, eine unmelodische
Musik ausführen. Den wänden entlang laufen Divans,
auf welchen in weißen Burnus gewickelt die Söhne der
Sabara Ligaretten rauchend die Tänzerin erwarten. Line
erstickende Atmosphäre, hervorgerufen durch die starke Aus-
dünstung der Menschen und den Tabakqualm, herrscht in
den: dichtgefüllten Raum, in welchem nur ein schmaler
Gang freigelassen ist. Dem der Straße herein fluthet
das grellweiße Licht des Mondes und plötzlich sind alle die
in düsterer Leidenschaft glühenden Augen auf den Ein-
gang gerichtet, wo in grellstem Aufputz die zuckende Ge-
stalt einer Gulad Nayl erscheint. Ihre schwarzen Haare
trägt sie mit pferdehaarcn durchflochten in dicken Zöpfen
um die Ghren gewickelt. Lin feiner Seidenschleier,
der der Haut einer Schlange gleicht, ist um ihren Körper
gewunden. Die Wangen sowie die Stirne sind mit blauen
Sternen tätowirt, die Gelenke mit dicken Gold- und Silber-
spangen eingefaßt.

Die Arme ausgebreitet, schwebt sie durch den Gang,
die großen schwarzen Augen starr auf einen Punkt ge-
richtet. Keiil Lächeln utnspielt ihren Mund, die Hände
zittern wie in verhaltener Leidenschaft. Da plötzlich bleibt
sie stehen, sie sieht sich bewundert, die Arme wirft sie in
die Höhe, der Kopf ist schamhaft zu Boden gesenkt, die Lider
geschloffen. Jede Muskel ist angespannt, und doch scheint
ihr Körper eine vollkommene Ruhe zu bewahren. Zuerst
langsam, dann immer schneller, nach dem Takte des grin-
senden, einäugigen Arabers, wirft sie den Unterleib in die
Höhe, indem sie bei jedem Stoß eine Viertelwendung ihres
Körpers ausführt. Ihr Tanz wird zur Raserei, immer
schneller bewegen sich die Bauchmuskeln, der Unterleib be-
rührt sogar die geschwellte Brust, und jetzt noch ein starker
Schlag der Handtrommel, plötzlich bricht die Musik ab,
und sie sinkt lächelnd, die Augen in sinnlichem verlangen
halb geöffnet, zusammen.

Sie erhebt sich wieder. Zwei duftige Schleier wirbeln
in ihren mit Henna gefärbten Händen. Das Klirren
der Arm- und Fußspangen hat den Takt der Musik an-
genommen, und nun schwebt sie wieder dahin, so daß
sich der faltenreiche, bunte Rock kaum zu bewegen scheint.
Die Augen glühen und sind weit geöffnet. Ein reizendes
Lächeln umspielt den blau tätowierten Mund, aus dem
Register
August Pauly: Aphorismen
Albert Karl: Die Bajadere der Sahara
Heinrich Nisle: Zierleiste
Anton Lindner: Befreit
Georg Muschner: Die blaue Stunde
 
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