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1905

Das Dresdner Krematorium

Die sächsische Regierung hat den Dresdener
Stadtverordneten eröffnet, daß zwar die Lrbauung
eines Lrematoriums erlaubt, die Verbrennung aber
bis auf weiteres noch gesetzlich verboten sei.

Ae Gremadorium? Nu, meinetwegen!
Unmenschen fet'n nrer nich. Nur ruhig Blut!
Will Lener, statt sich in an Sarg zu legen,
Derbrennen, nu, so Hammer nischt dergegen,

Das heeßt: solange er'sch nich wirklich dhut.

Denn daß de Beeme nich zum Himmel wachsen,
Das heeßt: Der Mensch das Aißerschte nich wagt,
Dafür sorgt das Gesetz in unserm Sachsen,

Das hibsch dergleichen Mätzchen untersagt.

Drum wollt ihr so en neieir Mfen bauen,

So kimmert das de Areishauptnrannschast wenig.
Ihr kennt ihn friedlich alle Tag beschau'n,

Nur nischt verbrennen drin — dann

sei'n mer eenig!

*

Das Geheimniß des Gürtels. In Viersen
wurde zur Schillerfeier statt „mit dem Gürtel,
mit dem Schleier" aus Sittlichkeitsgründen „mit
dem Brautkranz, mit dem Schleier" dekla-
miert. Ja, sind die Viersener denn verrückt! Wissen
sie nicht, welches Symbol das Kränzlein ist, und
welche sündigen Gedanken das Wort Brautkranz in
der Brust jedes Frommen erwecken muß? Wenn
man schon ändert, dann ändere man gründlich:

Hochzeit ist die schönste Feier
Heule ist der neunte Mai.

Ach, das Brautkleid von C. Meyer
Reißt nach kurzer Zeit entzwei.

Alfons XIII.

„Ich, Alfons von Spanien, verkünde der Welt:

Die protestantische Ketzerbrut

Wird ausgerottet aus Stadt und Feld!

Ich werde baden in ihrem Blut!

Ich lasse sie schmoren in Kerkernacht,

Ich fasse den giftigen Drachen beim Schwanz,
Der Kirche, die einzig selig macht,

Verhelfe ich wieder zu neuem Glanz.

Gott stärkt mich zu dieser That I Ja, Ja!

Ich rotte die teuflische Bande aus!

Ich werde, ich werde — zu Hülfe, Mama!
Mama, zu Hülfe! Da läuft 'ne Maus!"

H. Fritsch (Dresden)

Das Dekorative in der Armee

Sri's i. Garderegrment zu Fuß sokk demnächst ein Marokkaner aks Schekkenbaumtra'ger eingestellt
werden. Wi* wir weiter hören, soll für die j. Garde-Dragoner, das Regiment König Eduards,
bereits ein indischer Agmeek-Paukenschkäger angeworben sein.

Verdeutschte Politik

In der Berliner Delegiertenversammlung des deutschen Flottenvereins
wurde der Vorschlag gemacht, das Fremdwort „Agitation", das einen so
bösen Beigeschmack habe, durch das milde deutsche Wort „Werbethätigkeit"
zu ersetzen. Dieses Beispiel verdient Nachahmung. Würde nach dem Vorgänge
des Flottenvereins unsere ganze Politik, wollte sagen: „städtische Kunst", ver-
deutscht, so wiirde ihr auch, dem Charakter unserer sanften Muttersprache ent-
sprechend, alles Gehässige und Aufreizende genommen. Wie nett klingt z. B.
„Gesellschaftsmensch"! Wie roh dagegen das Fremdwort „Sozialist"! Wie
gehässig „Antisemit"! Wie erfrischend dagegen „Blutreiniger"! Spricht man
von einem „Konservativen", so stellt man sich stets etwas Verknöchertes, Ueber-
lebtes, Muffiges vor. Sagen wir aber statt dessen „Freund der guten alten
Zeit", so möchten wir den würdigen Herrn am liebsten umarmen. Bei „natio-
nalliberal" endlich wissen wir heutzutage gar nicht mehr, was wir uns vor-
stellen sollen: es schillert so konservativfreisinnig-sozial-schutzzöllnerisch-freihänd-
lerisch-landwirthsbündlich-gouvernemental-oppositionell. Wie könnte man
das, ohne im geringsten spöttisch zu werden, besser verdeutschen als durch
das ehrliche Wort „Allerweltsfreund"?

Cri-Cri

*

Die JudenVerfolgungen in russischoffiziöser Beleuchtung.
Selbstverständlich werden die russischen Behörden diejenigen verfolgen, die
die Judenverfolgungen eingeleitet haben; sie werden einer strengen Polizei-
strafe wegen groben Unfugs und ruhestörenden Lärms nicht entgehen.
Aber auch die Juden sind nicht schuldlos. Sie zerfallen in zwei Klassen. Die
einen leisteten ihren Angreifern thätlichen Widerstand und reizten die letzteren
dadurch zur höchsten Wuth ; die anderen ließen sich wehrlos plündern und
Niederschlagen und verleiteten dadurch ihre Angreifer zu immer neuen Ueber-
fällen. Die Juden werden deshalb wegen Anstiftung zum Straßen-
raub, zur Brandstiftung und zum Mord verfolgt werden.

Rosckcljeslwensk^s Lebenslauf

Lr schoß bei HuU auf Boote — warum, das weiß man nicht.
Weil ihn ein Zeind bedrohte — doch wer, das weiß man nicht.

Dann blieb er lang verschwiegen — wozu, das weiß man nicht
Bei Madagaskar liegen — weshalb, das weiß man nicht.

Auf einmal taucht' er, stehste! — woher, das weiß man nicht,
Lmpor an Chinas Küste — wie stark, das weiß man nicht.

Und that stch ganz gemütlich — wie lang, das weiß man nicht,
In fremden Häfen gütlich — doch wo, das weiß man nicht.

Dann hieß es bald, er dampfe — wohin, daß weiß man nicht
Kühn zum Lntscheidungskampfe — mit wem, das weiß man nicht

Doch später sagten viele — wieviel', das weiß man nicht,

Lr komme nicht zum Ziele — wieso, das weiß man nicht.

Lr solle selbst marod' sein — woran, das weiß man nicht.

Jetzt soll er sogar todt sein — ob's wahr ist, weiß man nicht

A» I). UiT*

-Auch ein (Nittekftandsretter

Mediziner (Corpsstudent): Du, warum will denu unser bayrischer
Cultusminister die Abiturientenzeugnisse des Karlsruher Mädchengymnasiums
nicht gelten lassen?

Jurist (ebenfalls Corpsstudent): Na, weil die Madel beim Physicum
und beim Staatskonkurs lauter Einser kriegen. Wie sollte man bei der
Konkurrenz uns mit unfern Dreiern noch unterbringen?

Mediziner: Verstehe! Also gewissermaßen ein Gesetz zum Schutze des
Mittelstands!

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Register
[nicht signierter Beitrag]: Das Dresdner Crematorium
Bim: Alfons XIII
A. D. N.: Roschdjestweskys Lebenslauf
[nicht signierter Beitrag]: Auch ein Mitelstandsretter
Hans Fritsch: Das Dekorative in der Armee
Cri-Cri: Verdeutschte Politik
 
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