ethnographisches Museum der „Jugend" a. Schmidhammer
Leutnant v. Versewitz: „Jan; so leicht wird sich Rückkehr zur Einfachheit doch nich machen lassen, wenn man Jarderobe
von so ’nem ollen Spartaner-Iyauptling mit der von unsereinem verjleicht!"
Herumgaloppierte. Das war ganz absondrrlich
schön gewesen. Er Hatte cs mit angesehen. Aber
so ein Eisenbahn-Unglück — das war wohl noch
tausendmal gruseliger- Dann schlief der heilige
Harry ein.
Am nächsten Morgen weckte ihn die Mutter
sehr früh. Er mußte Wäsche ausfahreu, denn die
Mutter verdiente sich ein hübsches Taschengeld
mit Waschen und Bügeln für die Wohlhabenden
in Paducah und das Sanatorium weiter oben in
den Shawangunk-Bergen. Als Alles sauber in
dem kleinen Karren verpackt war, zog Harry da-
von durch den strahlenden Sommer-Morgen, von
cinein Kunden zum andern. Als er den Rest der
Wasche in dem Sanatorium abgeliefert hatte, traf
er seinen Freund Sammy.
„Sammy", sagte er in seiner raschen lebhaften
Art, „hast Tu von dem großen Eisenbahn-Unglück
gehört?"
„Jal Es stand ja in der Zeitung!"
„Hättest Du wohl dabei sein mögen, Sammy?"
„Ich weiß nicht. Jedenfalls nicht als einer
der Passagiere — blos als Zuschauer."
„Ich auch, Sammy, ich auch! Weißt Du —
Das denke ich mir herrlich, so Etwas sehen zu
können. Wie der Zug so daher kommt r-r-r-r-r-
s-s-s-s-hul hui Und dann so der Krach und der
Dampf und das Feuer! War's in der Nacht,
Sammy?"
„Ja, es war in der Nacht. Die Zeitung sagt:
um zehn, halbwegs zwischen Locustville und
Rosecrans, zwanzig Meilen von hier."
„Drüben in Jersey?"
„Nein, es ist in Pennsylvanien. Aber komm',
wir wollen 'n bischen Ball spielen'"
„Ich kann nicht, Sammy. Ich muß nach
Hause. Jetzt in den Ferien muß ich der Mutter
an die Hand gehen oder Vater auf dem Felde
helfen. Er schneidet den Buchweizen."
„Du bist wirklich der heilige Harry!" spöttelte
Sammy. „Bald wirst Du so'n Dings um den
Kopf haben — einen Heiligenschein."
Harry lachte gutmüthig. Eine Weile gingen
sie noch zusammen, bis sie den Charlie und den
Freddie trafen. Die forderte Sammy zum Ball-
spiel auf und sie sagten zu. So zog Harry allein
nach Hauic.
Nach Tisch ging er mit dem Vater ins Buch-
weizenfeld. Sie wählten einen kleinen Pfad, der
hart an der Eisenbahn entlang lief und dann
wieder ziemlich steil auswärts zu dem Buchweizen-
feld führte. An dieser Stelle trafen sie mehrere
Arbeiter, die im prallen Sonnenlicht schwitzend
das Bahnbett ausbesserten und einige schadhafte
Schwellen durch neue ersetzten. Der Vater wech-
selte einige Worte mit den Männern und erklomm
die Anhöhe. Plötzlich blieb er stehen und blickte
auf einige neue Schwellen, die auf dem abschüs-
sigen Boden lagen.
„Teufel —sind das leichtsinnige Kerls!" sagte
er, halb zu sich selber, halb zu Harry. Tann
wandte er sich nach den Arbeitern um und rief
ihnen zu: „He — Jungens! Es wäre besser. Ihr
thätet die Schwellen wo anders hin. Wenn eine
von ihnen auf die Schienen rutscht und ein Zug
kommt daher, gibt's ein Unglück-"
„Ach, die liegen fest!" rief einer der Arbeiter
lächelnd zurück.
„Ihr habt doch von dem Unglück bei Rosecrans
gehört? Da war's ein Baum gewesen, den einer
gefällt hatte und dcr aufs Geleise gerollt war."
„Ja, aber die Schwellen sind ja nicht rund.
Die rollen nicht!"
„Was sind sie?"
„Sie sind nicht rund!" rief der Mann lauter
zurück. „Sie rollen nicht!"
„Na, mir ist's recht! Ihr müßt's ja wissen!"
meinte der Vater und schritt weiter.
Am Abend nach dem Essen begab sich Harry
nach dem Hans, wo sein Freund Sammy wohnte,
und pfiff nach ihm. Sammy kam heraus-
„Sammy", sagte Harry, „ich habe etwas
Wichtiges erlebt. Du weißt, sie bessern drüben
die Schienen aus. Die Schwellen liegen weiter
oben auf dem Abhang, an unserm Buchweizen-
feld, und Vater hat den Leuten gesagt, das ist
gefährlich, wenn eine Schwelle herunterrollt, auf
die Schienen. Das kann ein Unglück geben wie
bei Rosecrans, sagt Vater. Dort war's ein um-
gehaucner Baum, sagt Vater. Aber der Mann
hat gelacht und gesagt, die Schwellen liegen fest
und sind nicht rund und können nicht rollen.
Denk' Dir nur!"
„Wie klug doch Dein Vater ist, Harry!"
meinte Sammy voll Bewunderung. „An so was
hätte ich nie gedacht."
„Ja, er ist wirklich sehr klug. Wie neulich
Mutter krank war, mit dem Hals, und den Doktor
haben wollte, sagte Vater, das kann er selber
machen. Und er hat's gemacht."
„Liegen die Schwellen noch da, Harry, oder
sind sie fortgenommen?"
„Die Arbeiter haben sie nicht fortgenommen.
Vielleicht hat's Vater gethan. Wir wollen mal
herüber und Nachsehen!"
Sammy war's recht. Die beiden gingen durch
die letzte Dämmerung herüber, wo die Schienen
waren. Nichtig — da lagen die Schwellen noch.
Harry und Sammy setzten sich auf den Rand des
Abhanges und betrachteten die Schwellen.
„Sie haben etwas Finsteres, etwas Unheim-
liches," sagte Harry, „wie Mörder, die Jemandem
auflanern."
„Was Du für verrücktes Zeug redest!" er-
widerte Sammy.
„Sammy", sagte Harry nach einer Weile,
„wenn jetzt eine Schwelle herunterrollt auf die
Schienen, dann gibt's ein Unglück wie bei
Rosecrans. Das könnten wir dann Alles sehen
und hören — den Krach und den Dampf und
das Feuer — Alles, Alles!" Seine Augen leuch-
teten erregt.
„'Es kommen noch zwei Lokal-Züge," meinte
Sammy, „und dann um halb neun kommt der
Magnolia-Eilzug nach Carolina und Georgia.
Er fährt mit einer Meile die Minute. Aber es
kann sein, daß Einer die Schwellen vorher findet
und sie wegnimmt."
„Wer soll sie finden, Sammy, wenn nicht zu-
fällig Jemand des Weges kommt? Weißt Du
was, wir bleiben sitzen, bis dcr Magnolia kommt.
Vielleicht fällt inzwischen eine Schwelle herunter."
Und sie saßen und warteten, während rings
herum die Grillen zirpten und die Katiedids, die
Lokusten, in den Bäumen ihr scharfes ‘Katie did
-Katie did’nt’ erschallen ließen. Die Nacht
war schwül und finster. Es sah nach Regen aus.
„Es giebt Regen!" meinte Sammy. „Hör'
nur, wie sich die Katiedids wieder zanken. Immer
noch wegen der hübschen Katie! Wie erzählte uns
doch die Lehrerin, Harry?"
„Sie meinte, es seien mal zwei alte Jungfern
gewesen, die sich immer zankten, ob ihre jüngste
Schwester, die hübsche Katie, einen jungen Nlann
geküßt hätte. Die eine sagte immer: ‘'Katie did’
— sie that's, und die andere: ‘Katie did nt’ — sie
tbat's nicht. So zankten sie sich, bis sie todt
hinfielen. Da wurden sie zivci Lokusten und
zankten sich im Sommer Nacht für Nacht in den
Bäumen weiter: ‘Katie did’! und ‘Katie did’nt'!"
„Glaubst Du Das, Harry?"
„Ach — es ist nur so ein Spaß von der
Lehrerin. Sie erzählt so viel solche — Du, ich
glaube, der erste Lokal-Zug kommt."
Und der erste Lokal-Zug kam und die Erde
zitterte und sie blickten erwartungsvoll auf die
Schwellen. Aber keine rührte sich. Und der
zweite Lokal-Zug kam und die Erde zitterte und
sie bl'ckten wiederum erwartungsvoll auf die
Schwellen. Aber nach wie vor blieben sie un-
beweglich.
- „Die Männer hatten doch Recht!" meinte
Harry. „Sie liegen ganz fest." Er erhob sich
und trat zu den Schwellen. Er stieß mit dem
Fuß gegen eine. Sie rückte sich nicht. Sammy
stand auf und stieß auch mit km Fuß gegen die
Schwelle, gleich erfolglos. Nun packte sie Harry
an einem Ende und zog mit aller Kraft. Und
plötzlich gerietst die Schwelle in Bewegung. Sie
rutschte, immer rascher, und kollerte den Abhang
hinab. Unten schlug sie hart auf die Schiene.
Es gab einen dumpfen, unheimlichen Klang, der
Harry und Sanimy erschreckte.
„Nun liegt sie unten", sagte Harry. Sie
schwiegen eine Weile.
„Wollen wir sie liegen lassen?" meinte Sammy.
„Ja, wir lassen sie liegen. Wir wollen mal
sehen, was wird." Er warf sich nieder und legte
das Ohr an den Boden. „Der Magnolia kommt
— Sammy. Ich höre ihn schon!"
Sammy warf sich ebenfalls auf den Boden.
„Es scheint so. Die verflixten Grillen und
die Katiedids sägen wieder drauf los, daß es
schwer ist ihn zu hören."
Er sprang wieder auf. Beide lugten scharf
nach Westen in die Dunkelheit.
„Da hinten kommt er!" rief Harry. „Siehst
Du ihn, siehst Du ihn? Sammy?" Er schlug sich
aufgeregt auf die Schenkel.
Wahrhaftig — da kam er aus den Bergen
herangerast, um die große Kurve herum, eine
Meile Geschwindigkeit in der Minute. Wie eine
riesige leuchtende Zauberschlange schoß er durch
die Nacht dahin, in funkelndem Kleide, mit einem
riesigen, lodernden, gelben Auge am Kopf, das
starr und mißtrauisch den Weg vor ihm abzu-
suchen schien, als ob es unsichtbare Feinde ent-
490
Leutnant v. Versewitz: „Jan; so leicht wird sich Rückkehr zur Einfachheit doch nich machen lassen, wenn man Jarderobe
von so ’nem ollen Spartaner-Iyauptling mit der von unsereinem verjleicht!"
Herumgaloppierte. Das war ganz absondrrlich
schön gewesen. Er Hatte cs mit angesehen. Aber
so ein Eisenbahn-Unglück — das war wohl noch
tausendmal gruseliger- Dann schlief der heilige
Harry ein.
Am nächsten Morgen weckte ihn die Mutter
sehr früh. Er mußte Wäsche ausfahreu, denn die
Mutter verdiente sich ein hübsches Taschengeld
mit Waschen und Bügeln für die Wohlhabenden
in Paducah und das Sanatorium weiter oben in
den Shawangunk-Bergen. Als Alles sauber in
dem kleinen Karren verpackt war, zog Harry da-
von durch den strahlenden Sommer-Morgen, von
cinein Kunden zum andern. Als er den Rest der
Wasche in dem Sanatorium abgeliefert hatte, traf
er seinen Freund Sammy.
„Sammy", sagte er in seiner raschen lebhaften
Art, „hast Tu von dem großen Eisenbahn-Unglück
gehört?"
„Jal Es stand ja in der Zeitung!"
„Hättest Du wohl dabei sein mögen, Sammy?"
„Ich weiß nicht. Jedenfalls nicht als einer
der Passagiere — blos als Zuschauer."
„Ich auch, Sammy, ich auch! Weißt Du —
Das denke ich mir herrlich, so Etwas sehen zu
können. Wie der Zug so daher kommt r-r-r-r-r-
s-s-s-s-hul hui Und dann so der Krach und der
Dampf und das Feuer! War's in der Nacht,
Sammy?"
„Ja, es war in der Nacht. Die Zeitung sagt:
um zehn, halbwegs zwischen Locustville und
Rosecrans, zwanzig Meilen von hier."
„Drüben in Jersey?"
„Nein, es ist in Pennsylvanien. Aber komm',
wir wollen 'n bischen Ball spielen'"
„Ich kann nicht, Sammy. Ich muß nach
Hause. Jetzt in den Ferien muß ich der Mutter
an die Hand gehen oder Vater auf dem Felde
helfen. Er schneidet den Buchweizen."
„Du bist wirklich der heilige Harry!" spöttelte
Sammy. „Bald wirst Du so'n Dings um den
Kopf haben — einen Heiligenschein."
Harry lachte gutmüthig. Eine Weile gingen
sie noch zusammen, bis sie den Charlie und den
Freddie trafen. Die forderte Sammy zum Ball-
spiel auf und sie sagten zu. So zog Harry allein
nach Hauic.
Nach Tisch ging er mit dem Vater ins Buch-
weizenfeld. Sie wählten einen kleinen Pfad, der
hart an der Eisenbahn entlang lief und dann
wieder ziemlich steil auswärts zu dem Buchweizen-
feld führte. An dieser Stelle trafen sie mehrere
Arbeiter, die im prallen Sonnenlicht schwitzend
das Bahnbett ausbesserten und einige schadhafte
Schwellen durch neue ersetzten. Der Vater wech-
selte einige Worte mit den Männern und erklomm
die Anhöhe. Plötzlich blieb er stehen und blickte
auf einige neue Schwellen, die auf dem abschüs-
sigen Boden lagen.
„Teufel —sind das leichtsinnige Kerls!" sagte
er, halb zu sich selber, halb zu Harry. Tann
wandte er sich nach den Arbeitern um und rief
ihnen zu: „He — Jungens! Es wäre besser. Ihr
thätet die Schwellen wo anders hin. Wenn eine
von ihnen auf die Schienen rutscht und ein Zug
kommt daher, gibt's ein Unglück-"
„Ach, die liegen fest!" rief einer der Arbeiter
lächelnd zurück.
„Ihr habt doch von dem Unglück bei Rosecrans
gehört? Da war's ein Baum gewesen, den einer
gefällt hatte und dcr aufs Geleise gerollt war."
„Ja, aber die Schwellen sind ja nicht rund.
Die rollen nicht!"
„Was sind sie?"
„Sie sind nicht rund!" rief der Mann lauter
zurück. „Sie rollen nicht!"
„Na, mir ist's recht! Ihr müßt's ja wissen!"
meinte der Vater und schritt weiter.
Am Abend nach dem Essen begab sich Harry
nach dem Hans, wo sein Freund Sammy wohnte,
und pfiff nach ihm. Sammy kam heraus-
„Sammy", sagte Harry, „ich habe etwas
Wichtiges erlebt. Du weißt, sie bessern drüben
die Schienen aus. Die Schwellen liegen weiter
oben auf dem Abhang, an unserm Buchweizen-
feld, und Vater hat den Leuten gesagt, das ist
gefährlich, wenn eine Schwelle herunterrollt, auf
die Schienen. Das kann ein Unglück geben wie
bei Rosecrans, sagt Vater. Dort war's ein um-
gehaucner Baum, sagt Vater. Aber der Mann
hat gelacht und gesagt, die Schwellen liegen fest
und sind nicht rund und können nicht rollen.
Denk' Dir nur!"
„Wie klug doch Dein Vater ist, Harry!"
meinte Sammy voll Bewunderung. „An so was
hätte ich nie gedacht."
„Ja, er ist wirklich sehr klug. Wie neulich
Mutter krank war, mit dem Hals, und den Doktor
haben wollte, sagte Vater, das kann er selber
machen. Und er hat's gemacht."
„Liegen die Schwellen noch da, Harry, oder
sind sie fortgenommen?"
„Die Arbeiter haben sie nicht fortgenommen.
Vielleicht hat's Vater gethan. Wir wollen mal
herüber und Nachsehen!"
Sammy war's recht. Die beiden gingen durch
die letzte Dämmerung herüber, wo die Schienen
waren. Nichtig — da lagen die Schwellen noch.
Harry und Sammy setzten sich auf den Rand des
Abhanges und betrachteten die Schwellen.
„Sie haben etwas Finsteres, etwas Unheim-
liches," sagte Harry, „wie Mörder, die Jemandem
auflanern."
„Was Du für verrücktes Zeug redest!" er-
widerte Sammy.
„Sammy", sagte Harry nach einer Weile,
„wenn jetzt eine Schwelle herunterrollt auf die
Schienen, dann gibt's ein Unglück wie bei
Rosecrans. Das könnten wir dann Alles sehen
und hören — den Krach und den Dampf und
das Feuer — Alles, Alles!" Seine Augen leuch-
teten erregt.
„'Es kommen noch zwei Lokal-Züge," meinte
Sammy, „und dann um halb neun kommt der
Magnolia-Eilzug nach Carolina und Georgia.
Er fährt mit einer Meile die Minute. Aber es
kann sein, daß Einer die Schwellen vorher findet
und sie wegnimmt."
„Wer soll sie finden, Sammy, wenn nicht zu-
fällig Jemand des Weges kommt? Weißt Du
was, wir bleiben sitzen, bis dcr Magnolia kommt.
Vielleicht fällt inzwischen eine Schwelle herunter."
Und sie saßen und warteten, während rings
herum die Grillen zirpten und die Katiedids, die
Lokusten, in den Bäumen ihr scharfes ‘Katie did
-Katie did’nt’ erschallen ließen. Die Nacht
war schwül und finster. Es sah nach Regen aus.
„Es giebt Regen!" meinte Sammy. „Hör'
nur, wie sich die Katiedids wieder zanken. Immer
noch wegen der hübschen Katie! Wie erzählte uns
doch die Lehrerin, Harry?"
„Sie meinte, es seien mal zwei alte Jungfern
gewesen, die sich immer zankten, ob ihre jüngste
Schwester, die hübsche Katie, einen jungen Nlann
geküßt hätte. Die eine sagte immer: ‘'Katie did’
— sie that's, und die andere: ‘Katie did nt’ — sie
tbat's nicht. So zankten sie sich, bis sie todt
hinfielen. Da wurden sie zivci Lokusten und
zankten sich im Sommer Nacht für Nacht in den
Bäumen weiter: ‘Katie did’! und ‘Katie did’nt'!"
„Glaubst Du Das, Harry?"
„Ach — es ist nur so ein Spaß von der
Lehrerin. Sie erzählt so viel solche — Du, ich
glaube, der erste Lokal-Zug kommt."
Und der erste Lokal-Zug kam und die Erde
zitterte und sie blickten erwartungsvoll auf die
Schwellen. Aber keine rührte sich. Und der
zweite Lokal-Zug kam und die Erde zitterte und
sie bl'ckten wiederum erwartungsvoll auf die
Schwellen. Aber nach wie vor blieben sie un-
beweglich.
- „Die Männer hatten doch Recht!" meinte
Harry. „Sie liegen ganz fest." Er erhob sich
und trat zu den Schwellen. Er stieß mit dem
Fuß gegen eine. Sie rückte sich nicht. Sammy
stand auf und stieß auch mit km Fuß gegen die
Schwelle, gleich erfolglos. Nun packte sie Harry
an einem Ende und zog mit aller Kraft. Und
plötzlich gerietst die Schwelle in Bewegung. Sie
rutschte, immer rascher, und kollerte den Abhang
hinab. Unten schlug sie hart auf die Schiene.
Es gab einen dumpfen, unheimlichen Klang, der
Harry und Sanimy erschreckte.
„Nun liegt sie unten", sagte Harry. Sie
schwiegen eine Weile.
„Wollen wir sie liegen lassen?" meinte Sammy.
„Ja, wir lassen sie liegen. Wir wollen mal
sehen, was wird." Er warf sich nieder und legte
das Ohr an den Boden. „Der Magnolia kommt
— Sammy. Ich höre ihn schon!"
Sammy warf sich ebenfalls auf den Boden.
„Es scheint so. Die verflixten Grillen und
die Katiedids sägen wieder drauf los, daß es
schwer ist ihn zu hören."
Er sprang wieder auf. Beide lugten scharf
nach Westen in die Dunkelheit.
„Da hinten kommt er!" rief Harry. „Siehst
Du ihn, siehst Du ihn? Sammy?" Er schlug sich
aufgeregt auf die Schenkel.
Wahrhaftig — da kam er aus den Bergen
herangerast, um die große Kurve herum, eine
Meile Geschwindigkeit in der Minute. Wie eine
riesige leuchtende Zauberschlange schoß er durch
die Nacht dahin, in funkelndem Kleide, mit einem
riesigen, lodernden, gelben Auge am Kopf, das
starr und mißtrauisch den Weg vor ihm abzu-
suchen schien, als ob es unsichtbare Feinde ent-
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