1905
Nr. 26
J U G END
Vor Klingers Richard Magner-Denkmal
Des Meisters Bild, wie's unsre Seele füllt!
Gesicht und Geist in herrlicher Vereinung!
Oes Mantels schwerer Faltenwurf verhüllt
Die Kleinlichkeit der irdischen Erscheinung.
In stiller Größe steht er einsam da,
Ein Schöpfer, dem nach qualvoll heißem Ringen
Die Welten, die sein sehnend Auge sah,
Nach seinem Takt und seiner Weise klingen!
Lauscht er hinaus? Lauscht er in sich hinein?
O blinde Kinderthorheit, so zu fragen!
Ihm müssen Seele, Wolke, Busch und Stein
Ihr langverschwiegenes Geheimniß sagen.
Die ganze Schöpfung ward ihm Wort und Ton
Vom ersten Frühlicht bis zur Sonnenwende.
Dem stolzen Walsung und dem Göttersohn
Verschmolz in eins der Anfang und das Ende.
Edgar Steiger
war er aber über die ersten Worte hinaus gekom-
men, als sich schon Männlein und Weiblein er-
hoben.
„Was, ös Stadtfrack glaubt's not amal an
oan Teufi?" und mit der bekannten Beschleunigung
war er an die Luft gesetzt.
„Alles was recht ist," meinte die zum Herd
zurückkehrendeWirthin, „aber a bisserl a Reli-
gion muaß sein."
Roeßcr
*
An die Sittlichkeitsapostel
§)er „Jugend seid Ihr gram. Mit Unrecht!
Denkt nur nach!
Was kann denn sie dafür, daß Ihr so
altersschwach?
Freut Euch vielmehr, daß sie noch nicht,
wie Ihr, so weise!
Worüber könntet Ihr Euch ärgern sonst,
Ihr Greise?
Unsittlich nennt Ihr uns, weil stets wir uns
von Neuem
An dem, was Gott erschuf, herzinniglich erfreuen.
*
§)ie Schönheit triumphiert trotz dem
Geschrei der Pfaffen.
Ihr ärgert Euch zu Tod, daß Gott auch
sie erschaffen.
Ja, wart im Paradies Ihr mit dabei gewesen,
Was wär' in Eurem Blatt vom
Schöpfungstag zu lesen!
*
sagt, daß unsre Kunst Euch ward zum
Aergerniß?
Reißt Euch die Augen aus! Glaubt mir,
das Hilst gewiß'
Crl-Cri
*
Herausgegeben
Skauöensstarke
Ein Handlungsreisender war in einem Gebirgs-
dörfchen eingeregnet worden, und gelangte bei der
Unterhaltung mit den Bauern im Gemeindewirts-
haus vom Hundertsten ins Tausendste. In seiner
Halbbildung begab er sich auch auf's religiöse
Gebiet.
Doch siehe dal Mochte er auch noch so sehr
seine überlegenen An-
schauungen über die Nicht-
existenz eines höchsten We-
sens nach dem landläuf-
igen Begriffe darthun, er
begegnete keiner Wider-
rede. Im Gegentheil,
beifälliges, zustimmendes
Gemurmel folgte seinen
Ausführungen.
Und dieser und jener
seiner andächtigen Zu-
hörer brachte Belege für
jene Behauptungen! Für-
wahr, es konnte keinen
echten Gott mehr geben:
Gerade bei den wucher-
treibenden Großbauern
stand das Korn immer
amschönsten; beim Huber-
naz, derzurhinterenWald-
wiese auf eine sehr eigen-
thümliche Weise gelangt
war, zog das Hagelwetter
immer schön vorüber und
sparte seine Wucht für
die gottgefälligen Nach-
barn ; und erst der Pfarrer!
Verständnißinnig blickten
sie sich gegenseitig an, lä-
chelten und griffen nach
den Gläsern.
Die beleibte Wirthin
war, ihre Fäuste ungefähr
in die Gegend der Hüf-
ten gestemmt, zum Tisch
getreten, und hatte bei-
fällig nickend zugestimmt.
„Wull, wulll" meinte
sie dann. „Hab mir's eh
schon dengelst denkt, 's
gebat koan Herrgott mehr
wo ma nur hinschaugt,
treibt der Teufi seiG'spiel."
Unser guter Städter
war im Schuß, hatte er
mit dem Herrgott so leich-
tes Spiel gehabt, wollte
er sich noch als Zugabe die
Vernichtung des Teufels-
glaubens leisten. Kaum
Der bekannte Chirurg T. wird in die Residenz
berufen, wegen plötzlicher Erkrankung des Thron-
folgers. Auf dem Bahnhof trifft er mit dem
Gberpräsidenten der Provinz zusammen und wird
von der Excellenz leutselig herablassend ins Ge-
spräch gezogen, das mit der Bemerkung beendet
wird: „Nun, Herr Geheimrath, wir muffen uns
wohl jetzt trennen. Sie fahren wohl Zweiter." Und
die Excellenz bestieg die Erste. Auf dem Bahnsteig
der Residenz trifft man
sich von neuem. Draußen
erwartet den Professor
eine Hofequipage. Eine
Hofequixage! Und die
um drei Wärmegrade
leutseliger werdende Ex-
cellenz wendet sich an
seinen Begleiter:
„So ist es also wahr,
was ich gehört habe, Herr
Geheimrath, Se. königl.
Hoheit ist wirklich ernst-
lich erkrankt?"
„wahr ist es leider,
Excellenz," versetzt der
Professor, „aber ich wußte
nicht, daß das Gerücht
schon unter das Volk
gedrungen sei."
und Prosa
„Ach, das muß doch
reizend sein, so wie Sie
hinauszufahren, die Netze
auszuwerfen und diewum
der des Meeres heraus-
zufischenl Haben Sie
denn auch schon einmal
Nixen gesehen?"
„G ja, Frölen, ick
heww schonst tau osten
Malen nixen seh'nl"
*
Scbulbumor
Beim Durchsprechen
des Gedichtes „wer hat
Dich, Du schöner Wald"
fragt der Lehrer: „was
denkt ihr euch bei den
Worten, ,was wir still
gelobt im Wald, wollen's
draußen treulich halten' ?"
— Antwort eines (Quar-
taners: „Line heimliche
Verlobung!"
*
§)as Nackte ist's, wovor Euch stets am
meisten bangt.
Gewiß! Euch nackt zu fefy’rt, hat keiner
noch verlangt.
Bei flß U ch e r S Arpad Schmidhammer
Wat soll ick nur thun, Herr Pastor? Der Junge will for alles nich de Brust nehmen l"
Preis und Dank dem Herrn! Der Junge ist noch nicht verseucht von der üderhand-
nehmenden Unsittlichkeit l"
Nr. 26
J U G END
Vor Klingers Richard Magner-Denkmal
Des Meisters Bild, wie's unsre Seele füllt!
Gesicht und Geist in herrlicher Vereinung!
Oes Mantels schwerer Faltenwurf verhüllt
Die Kleinlichkeit der irdischen Erscheinung.
In stiller Größe steht er einsam da,
Ein Schöpfer, dem nach qualvoll heißem Ringen
Die Welten, die sein sehnend Auge sah,
Nach seinem Takt und seiner Weise klingen!
Lauscht er hinaus? Lauscht er in sich hinein?
O blinde Kinderthorheit, so zu fragen!
Ihm müssen Seele, Wolke, Busch und Stein
Ihr langverschwiegenes Geheimniß sagen.
Die ganze Schöpfung ward ihm Wort und Ton
Vom ersten Frühlicht bis zur Sonnenwende.
Dem stolzen Walsung und dem Göttersohn
Verschmolz in eins der Anfang und das Ende.
Edgar Steiger
war er aber über die ersten Worte hinaus gekom-
men, als sich schon Männlein und Weiblein er-
hoben.
„Was, ös Stadtfrack glaubt's not amal an
oan Teufi?" und mit der bekannten Beschleunigung
war er an die Luft gesetzt.
„Alles was recht ist," meinte die zum Herd
zurückkehrendeWirthin, „aber a bisserl a Reli-
gion muaß sein."
Roeßcr
*
An die Sittlichkeitsapostel
§)er „Jugend seid Ihr gram. Mit Unrecht!
Denkt nur nach!
Was kann denn sie dafür, daß Ihr so
altersschwach?
Freut Euch vielmehr, daß sie noch nicht,
wie Ihr, so weise!
Worüber könntet Ihr Euch ärgern sonst,
Ihr Greise?
Unsittlich nennt Ihr uns, weil stets wir uns
von Neuem
An dem, was Gott erschuf, herzinniglich erfreuen.
*
§)ie Schönheit triumphiert trotz dem
Geschrei der Pfaffen.
Ihr ärgert Euch zu Tod, daß Gott auch
sie erschaffen.
Ja, wart im Paradies Ihr mit dabei gewesen,
Was wär' in Eurem Blatt vom
Schöpfungstag zu lesen!
*
sagt, daß unsre Kunst Euch ward zum
Aergerniß?
Reißt Euch die Augen aus! Glaubt mir,
das Hilst gewiß'
Crl-Cri
*
Herausgegeben
Skauöensstarke
Ein Handlungsreisender war in einem Gebirgs-
dörfchen eingeregnet worden, und gelangte bei der
Unterhaltung mit den Bauern im Gemeindewirts-
haus vom Hundertsten ins Tausendste. In seiner
Halbbildung begab er sich auch auf's religiöse
Gebiet.
Doch siehe dal Mochte er auch noch so sehr
seine überlegenen An-
schauungen über die Nicht-
existenz eines höchsten We-
sens nach dem landläuf-
igen Begriffe darthun, er
begegnete keiner Wider-
rede. Im Gegentheil,
beifälliges, zustimmendes
Gemurmel folgte seinen
Ausführungen.
Und dieser und jener
seiner andächtigen Zu-
hörer brachte Belege für
jene Behauptungen! Für-
wahr, es konnte keinen
echten Gott mehr geben:
Gerade bei den wucher-
treibenden Großbauern
stand das Korn immer
amschönsten; beim Huber-
naz, derzurhinterenWald-
wiese auf eine sehr eigen-
thümliche Weise gelangt
war, zog das Hagelwetter
immer schön vorüber und
sparte seine Wucht für
die gottgefälligen Nach-
barn ; und erst der Pfarrer!
Verständnißinnig blickten
sie sich gegenseitig an, lä-
chelten und griffen nach
den Gläsern.
Die beleibte Wirthin
war, ihre Fäuste ungefähr
in die Gegend der Hüf-
ten gestemmt, zum Tisch
getreten, und hatte bei-
fällig nickend zugestimmt.
„Wull, wulll" meinte
sie dann. „Hab mir's eh
schon dengelst denkt, 's
gebat koan Herrgott mehr
wo ma nur hinschaugt,
treibt der Teufi seiG'spiel."
Unser guter Städter
war im Schuß, hatte er
mit dem Herrgott so leich-
tes Spiel gehabt, wollte
er sich noch als Zugabe die
Vernichtung des Teufels-
glaubens leisten. Kaum
Der bekannte Chirurg T. wird in die Residenz
berufen, wegen plötzlicher Erkrankung des Thron-
folgers. Auf dem Bahnhof trifft er mit dem
Gberpräsidenten der Provinz zusammen und wird
von der Excellenz leutselig herablassend ins Ge-
spräch gezogen, das mit der Bemerkung beendet
wird: „Nun, Herr Geheimrath, wir muffen uns
wohl jetzt trennen. Sie fahren wohl Zweiter." Und
die Excellenz bestieg die Erste. Auf dem Bahnsteig
der Residenz trifft man
sich von neuem. Draußen
erwartet den Professor
eine Hofequipage. Eine
Hofequixage! Und die
um drei Wärmegrade
leutseliger werdende Ex-
cellenz wendet sich an
seinen Begleiter:
„So ist es also wahr,
was ich gehört habe, Herr
Geheimrath, Se. königl.
Hoheit ist wirklich ernst-
lich erkrankt?"
„wahr ist es leider,
Excellenz," versetzt der
Professor, „aber ich wußte
nicht, daß das Gerücht
schon unter das Volk
gedrungen sei."
und Prosa
„Ach, das muß doch
reizend sein, so wie Sie
hinauszufahren, die Netze
auszuwerfen und diewum
der des Meeres heraus-
zufischenl Haben Sie
denn auch schon einmal
Nixen gesehen?"
„G ja, Frölen, ick
heww schonst tau osten
Malen nixen seh'nl"
*
Scbulbumor
Beim Durchsprechen
des Gedichtes „wer hat
Dich, Du schöner Wald"
fragt der Lehrer: „was
denkt ihr euch bei den
Worten, ,was wir still
gelobt im Wald, wollen's
draußen treulich halten' ?"
— Antwort eines (Quar-
taners: „Line heimliche
Verlobung!"
*
§)as Nackte ist's, wovor Euch stets am
meisten bangt.
Gewiß! Euch nackt zu fefy’rt, hat keiner
noch verlangt.
Bei flß U ch e r S Arpad Schmidhammer
Wat soll ick nur thun, Herr Pastor? Der Junge will for alles nich de Brust nehmen l"
Preis und Dank dem Herrn! Der Junge ist noch nicht verseucht von der üderhand-
nehmenden Unsittlichkeit l"