schossen. und wenn uns jemand begegnete, ihn unsanft mit den Kolben ins Gestrüpp
stießen, indem sie behauptete», mir seien große Herren, denen man Platz machen müsse.
Zwei Tagereisen hatten wir vor uns, denn die fürstliche Residenz Maku lag recht
weit von unserm Dorf. Bis wir nach Hause kamen, würde sich der Magen wohl wieder
von allen Schrecken des Hochzeitsmahls erholt haben, aber derweil halten wir noch ein
persisches Nachtquartier zu überstehen. Doch selbst eine solche Nacht vergeht. Schon
wollten wir, in der Nähe unsers Dorfs, erleichtert ausathmen, da sprengte unser Koch
daher, die Hände ringend, schon von weitem laut jammernd. Gin persisches Heer war,
dcnvcil wir in Maku, in unsere Gegend eingerückt. Es ist selten angenehm, von Soldaten
umlagert zu sein; für uns aber war es schrecklich, denn viele Leute haben mehr Muth
als wenige, und der Muth zeigt sich hierzulande säst nur in Erpressungen. Unser»
Dorsbllrgermeister hatten wir gleich in den ersten Tagen mit einigen Tuman abgesunden.
Unserm Sürparas, dem Gouverneur über die Christen, mußte man schon etwas mehr
gebe». Der Gouverneur über die Mohammedaner erhielt noch mehr, und eines Tages
ivar sogar der höchste Beamte der Provinz, wir würden sagen: der Regierungspräsident,
in eigener Person erschienen, um unfern Besuch zu erwidern, wie er behauptete. Wir
hatten ihn aber erst geplant, noch nicht gemacht. Kurz bevor er sich empfahl, nahm mich
einer seiner Leute bei Seite und bedeutete mir, daß Seine Exzellenz ein Geschenk erwarte.
Ich offerierte ihm eine ältliche, silberne Taschenuhr. Seine Exzellenz nahm die Uhr zwar
an sich, schüttelte aber energisch den Kopf, zum Zeichen, das dies nicht genüge. Also
mußte noch tüchtig baar Geld zngelegt werden. Sonst hätte uns seine Exzellenz ciniach
ausgewiesen oder hätte sich gar hinter die Priester gesteckt, daß sie den Gläubigen ver-
kündeten, Allah habe ihnen im Traum offenbart, daß man die Frauki totschlagen müsse,
sollten die Hammel wieder fetter, die Bäche wieder wasserreicher und der Reis üppiger
ivcrden. Und nun waren wir den Erpressungen eines kaiserlichen Prinzen ausgeliesert,
der tausend Soldaten hinter sich hatte. Der Koch berichtete wehklagend, der Prinz erwarte
uns schon in unserm Haus, vor dem ein Ungeheuer von einer Flinte auf Rädern lauere,
um uns ein Leid zuzusügen, wenn wir nicht tüchtig zahlten.
Unser erster Gedanke war: Kehrt! einfach durchbrennen. Abör wir durften mancherlei
werthvolle Sachen im Haus nicht im Stich lassen. Unser zweiter Gedanke: sie holen und
dann ausreißen. Aber der Prinz würde u»S mit der liebenswürdigsten Miene und
tausend Soldaten hinter sich einfach zwingen, zu bleiben. Die Perser sind ja berühmt
wegen ihrer echt orientalischen Höflichkeit. Also galt es, dem dritten und letzten Gedanken
zu folgen: Kismet! Schicksal, nimm Deinen Laus! Vor unserm Haus war eine Kanone
aufgesahren, auf die wir jedoch nur einen kurzen scheuen Blick warfen, denn Seine
Hoheit wartete.
Seine Hoheit begrüßten uns sehr gnädig und echt militärisch: „Aessälam aleikum!"
''Friede sei mit Euch!) „Vä aleikum ässülam!" (und mit Euch sei Friede!) antworteten wir.
„Wie sicht cs um Ihr erlauchtes Befinden?" erkundigten >vir uns.
„Gottlob! Infolge Ihrer Güte geht es mir gut," antworteten Seine Hoheit.
„Herrlichkeit haben Sie in die Wohnung Ihrer Sklaven gebracht!" versicherten wir.
Aber Seine Hoheit behaupteten: „Säräsrazi-i man äst" (es ist mir eine Kopferhöhung).
Schließlich bat uns Seine Hoheit um eine Gefälligkeit.
„Nicht mit einem Herzen, sondern mit tausend Herzen stehen wir zu Ihren Diensten,"
behaupteten wir. Aber alle tausend Herzen sielen uns in die Schuhe, als Hoheit
Iviinschtc, jeden Tag einige Stunden bei uns zu verbringen, da es im Lager wenig
kurzweilig sei. Das konnte nur eine langsame, sichere, anhaltende Geldabzapsung be-
deuten. Aber was sollten wir thun? Wir verbeugten uns ties und sagten: „Ihr Schatten
möge nicht abnehmen, wir wollen Dein Haupt umkreisen!" Nur der Koch fluchte leise:
„Gum shou!" (Hol Dich der Teufel!)
Am andern Morgen fuhren wir erschrocken von unserm Lager, denn dem Schießen
und Schreien nach zu urtheilen, mußte es, so unglaublich es schien, doch schon zu einem
Kampf gekommen sein. Aber wir täuschten uns, der Lärm galt nur der Kanone, die
von den Soldaten im Triumph durch die Gegend gezogen wurde. Aus dem ganzen
Bezirk liefen die Leute zusammen, das Ungeheuer zu bewundern. Wir thaten das auch
und merkten sehr bald, daß es sich um ein ganz altes, unbrauchbares Geschütz handelte.
Auch besaß Seine Hoheit, wie er uns ohne Umschweife zugab, nicht die geringste
Munition dafür. Sie hatte er schon in Teheran in Geld umgesetzt. Aber jedenfalls
machte die Kanone einen ungeheuren Eindruck auf die ganze Bevölkerung. Mit dieser
Flinte aus Rädern wird man leichte Arbeit mit der Handvoll Kurden haben, dachten die
Leute und athmcten leichter, denn dann würde das Heer ja wohl bald wieder abziehen
können.
Aber Wochen vergingen, ohne daß es zu irgend einem Gefecht kam. Die Soldaten
vertrieben sich die Zeit mit Tanzen und Singen, stahlen, >vas sie irgend erwischen
konnten, und schliefen. Die fünfzig Kurden, denen der Feldzug dreitausend Perser galt,
saßen ungeschoren aus ihrem Berg Dirik und plünderten jetzt zur Abwechslung nach der
türkischen Seite hin, statt nach der persischen. Das Gesicht Seiner Hoheit strahlte immer
inehr. wenn er uns besuchte, denn der Krieg dauerte nun schon einen Monat und würde
mit Gottes Hilfe noch recht lange dauern, da er durch seinen Vetter, Telcgraphenvor-
steher mit dem Titel „Bertheidiger des Königreichs," von Zeit zu Zeit von mancherlei
kriegerischen Erfolgen nach Teheran telegraphieren ließ, und wenn man dort ungeduldig
wurde, immer wieder für einen der nächsten Tage eine entscheidende Schlacht verhieß, die
aber dann doch wieder hinausgeschoben werden niußte, da die Kurden täglich neuen Zuzug
erhielten und ihre Zahl in den Telegrammen nun schon auf tausend gestiegen >var.
Da geschah etwas Furchtbares. Die Kanone war Verschlvunden! Seine Hoheit sahen
sehr bleich aus, als sie uns besuchte». Die Soldaten wehklagten, denn sie hatten mit
Hilfe dieser Kanone ans einen leichten Sieg gehofft; die Bevölkerung jammerte, denn
ohne die Kanone würde dieser Krieg nie ein Ende nehmen. Offenbar hatten die Kurden
sie in der Rächt, während Alles schlief, gestohlen und auf ihren Berg geschleppt, denn
dorthin wiesen die Spuren im Sande..
Was thun? Es war eine schlimme Situation für den „Unterarm des Staates". Wollte
er die Kanone mit Gewalt wieder in seinen Besitz bringen, ließ er es also aus ein Gefecht
Fritj £rler (münchen)
fltelierfelt
stießen, indem sie behauptete», mir seien große Herren, denen man Platz machen müsse.
Zwei Tagereisen hatten wir vor uns, denn die fürstliche Residenz Maku lag recht
weit von unserm Dorf. Bis wir nach Hause kamen, würde sich der Magen wohl wieder
von allen Schrecken des Hochzeitsmahls erholt haben, aber derweil halten wir noch ein
persisches Nachtquartier zu überstehen. Doch selbst eine solche Nacht vergeht. Schon
wollten wir, in der Nähe unsers Dorfs, erleichtert ausathmen, da sprengte unser Koch
daher, die Hände ringend, schon von weitem laut jammernd. Gin persisches Heer war,
dcnvcil wir in Maku, in unsere Gegend eingerückt. Es ist selten angenehm, von Soldaten
umlagert zu sein; für uns aber war es schrecklich, denn viele Leute haben mehr Muth
als wenige, und der Muth zeigt sich hierzulande säst nur in Erpressungen. Unser»
Dorsbllrgermeister hatten wir gleich in den ersten Tagen mit einigen Tuman abgesunden.
Unserm Sürparas, dem Gouverneur über die Christen, mußte man schon etwas mehr
gebe». Der Gouverneur über die Mohammedaner erhielt noch mehr, und eines Tages
ivar sogar der höchste Beamte der Provinz, wir würden sagen: der Regierungspräsident,
in eigener Person erschienen, um unfern Besuch zu erwidern, wie er behauptete. Wir
hatten ihn aber erst geplant, noch nicht gemacht. Kurz bevor er sich empfahl, nahm mich
einer seiner Leute bei Seite und bedeutete mir, daß Seine Exzellenz ein Geschenk erwarte.
Ich offerierte ihm eine ältliche, silberne Taschenuhr. Seine Exzellenz nahm die Uhr zwar
an sich, schüttelte aber energisch den Kopf, zum Zeichen, das dies nicht genüge. Also
mußte noch tüchtig baar Geld zngelegt werden. Sonst hätte uns seine Exzellenz ciniach
ausgewiesen oder hätte sich gar hinter die Priester gesteckt, daß sie den Gläubigen ver-
kündeten, Allah habe ihnen im Traum offenbart, daß man die Frauki totschlagen müsse,
sollten die Hammel wieder fetter, die Bäche wieder wasserreicher und der Reis üppiger
ivcrden. Und nun waren wir den Erpressungen eines kaiserlichen Prinzen ausgeliesert,
der tausend Soldaten hinter sich hatte. Der Koch berichtete wehklagend, der Prinz erwarte
uns schon in unserm Haus, vor dem ein Ungeheuer von einer Flinte auf Rädern lauere,
um uns ein Leid zuzusügen, wenn wir nicht tüchtig zahlten.
Unser erster Gedanke war: Kehrt! einfach durchbrennen. Abör wir durften mancherlei
werthvolle Sachen im Haus nicht im Stich lassen. Unser zweiter Gedanke: sie holen und
dann ausreißen. Aber der Prinz würde u»S mit der liebenswürdigsten Miene und
tausend Soldaten hinter sich einfach zwingen, zu bleiben. Die Perser sind ja berühmt
wegen ihrer echt orientalischen Höflichkeit. Also galt es, dem dritten und letzten Gedanken
zu folgen: Kismet! Schicksal, nimm Deinen Laus! Vor unserm Haus war eine Kanone
aufgesahren, auf die wir jedoch nur einen kurzen scheuen Blick warfen, denn Seine
Hoheit wartete.
Seine Hoheit begrüßten uns sehr gnädig und echt militärisch: „Aessälam aleikum!"
''Friede sei mit Euch!) „Vä aleikum ässülam!" (und mit Euch sei Friede!) antworteten wir.
„Wie sicht cs um Ihr erlauchtes Befinden?" erkundigten >vir uns.
„Gottlob! Infolge Ihrer Güte geht es mir gut," antworteten Seine Hoheit.
„Herrlichkeit haben Sie in die Wohnung Ihrer Sklaven gebracht!" versicherten wir.
Aber Seine Hoheit behaupteten: „Säräsrazi-i man äst" (es ist mir eine Kopferhöhung).
Schließlich bat uns Seine Hoheit um eine Gefälligkeit.
„Nicht mit einem Herzen, sondern mit tausend Herzen stehen wir zu Ihren Diensten,"
behaupteten wir. Aber alle tausend Herzen sielen uns in die Schuhe, als Hoheit
Iviinschtc, jeden Tag einige Stunden bei uns zu verbringen, da es im Lager wenig
kurzweilig sei. Das konnte nur eine langsame, sichere, anhaltende Geldabzapsung be-
deuten. Aber was sollten wir thun? Wir verbeugten uns ties und sagten: „Ihr Schatten
möge nicht abnehmen, wir wollen Dein Haupt umkreisen!" Nur der Koch fluchte leise:
„Gum shou!" (Hol Dich der Teufel!)
Am andern Morgen fuhren wir erschrocken von unserm Lager, denn dem Schießen
und Schreien nach zu urtheilen, mußte es, so unglaublich es schien, doch schon zu einem
Kampf gekommen sein. Aber wir täuschten uns, der Lärm galt nur der Kanone, die
von den Soldaten im Triumph durch die Gegend gezogen wurde. Aus dem ganzen
Bezirk liefen die Leute zusammen, das Ungeheuer zu bewundern. Wir thaten das auch
und merkten sehr bald, daß es sich um ein ganz altes, unbrauchbares Geschütz handelte.
Auch besaß Seine Hoheit, wie er uns ohne Umschweife zugab, nicht die geringste
Munition dafür. Sie hatte er schon in Teheran in Geld umgesetzt. Aber jedenfalls
machte die Kanone einen ungeheuren Eindruck auf die ganze Bevölkerung. Mit dieser
Flinte aus Rädern wird man leichte Arbeit mit der Handvoll Kurden haben, dachten die
Leute und athmcten leichter, denn dann würde das Heer ja wohl bald wieder abziehen
können.
Aber Wochen vergingen, ohne daß es zu irgend einem Gefecht kam. Die Soldaten
vertrieben sich die Zeit mit Tanzen und Singen, stahlen, >vas sie irgend erwischen
konnten, und schliefen. Die fünfzig Kurden, denen der Feldzug dreitausend Perser galt,
saßen ungeschoren aus ihrem Berg Dirik und plünderten jetzt zur Abwechslung nach der
türkischen Seite hin, statt nach der persischen. Das Gesicht Seiner Hoheit strahlte immer
inehr. wenn er uns besuchte, denn der Krieg dauerte nun schon einen Monat und würde
mit Gottes Hilfe noch recht lange dauern, da er durch seinen Vetter, Telcgraphenvor-
steher mit dem Titel „Bertheidiger des Königreichs," von Zeit zu Zeit von mancherlei
kriegerischen Erfolgen nach Teheran telegraphieren ließ, und wenn man dort ungeduldig
wurde, immer wieder für einen der nächsten Tage eine entscheidende Schlacht verhieß, die
aber dann doch wieder hinausgeschoben werden niußte, da die Kurden täglich neuen Zuzug
erhielten und ihre Zahl in den Telegrammen nun schon auf tausend gestiegen >var.
Da geschah etwas Furchtbares. Die Kanone war Verschlvunden! Seine Hoheit sahen
sehr bleich aus, als sie uns besuchte». Die Soldaten wehklagten, denn sie hatten mit
Hilfe dieser Kanone ans einen leichten Sieg gehofft; die Bevölkerung jammerte, denn
ohne die Kanone würde dieser Krieg nie ein Ende nehmen. Offenbar hatten die Kurden
sie in der Rächt, während Alles schlief, gestohlen und auf ihren Berg geschleppt, denn
dorthin wiesen die Spuren im Sande..
Was thun? Es war eine schlimme Situation für den „Unterarm des Staates". Wollte
er die Kanone mit Gewalt wieder in seinen Besitz bringen, ließ er es also aus ein Gefecht
Fritj £rler (münchen)
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