Nr. 32
J UGEND
1905
ankommen, so würden seine Soldaten aller Wahr-
scheinlichkeit nach, sowie sie merkten, daß es Ernst
wurde, einfach die Flinten von sich werfen und
sortlausen. Liefen aber diesmal nicht sie fort,
sondern die sünszig Kurden, was bei einem Gegner,
der tausend Mann zählte, nicht ganz ausgeschlossen
war, so nahm der verdienstreiche Feldzug damit ein
vorzeitiges, unerwünscht schnelles Ende, war doch
der Vali von Choi, der auch einen militärischen Ver-
wandten in der Hauptstadt chatte, längst unruhig.
Nur mit Mühe konnte man ihm noch den Mund
stopfen, daß er über die so wenig kriegerischen Vor-
gänge noch keinen Bericht absandte, Preisgeben
aber durste man die Kanone unter keinen Umständen,
denn auch die Hoheit war sehr stolz auf sie. Also
mußte man versuchen, mit den Kurden zu unter-
handeln, Es wurden Parlamentäre nach Derik ge-
schickt, und bald erschienen einige der verwegensten
Kurden im persischen Lager, Schon am nächsten
Tage schoben die Kurden, die vor wenigen Nächten
die Kanone im Schweiße ihres Angesichts auf den
Berg geschasst hatten, sie eigenhändig ins persische
Lager zurück, Den Kurden war in Derik der Zucker
ausgegangen, und da sie den Thee ebenfalls gerne
recht süß tranken, hatten sie die Kanone gegen fünf
Zuckerhüte wieder herausgegeben,-
Seine Hoheit waren wirklich eine umgängliche
Natur. Fast täglich erschien er und unterhielt sich
mit uns, und da er sich sehr für Deutschland inter-
essierte, gewannen wir ihn ordentlich lieb. So hatten
wir plötzlich auch ein Interesse daran, daß der Feld-
zug »och recht lange dauerte, zumal immer noch
nicht von Geschenken die Rede war und uns vor dem
Tag der Trennung auch um deswillen bangte, denn
dann würde er schon mit seinen Wünschen heraus-
rückcn und ein ordentliches, gewichtiges Andenken
begehren.
Endlich aber kam der Augenblick, wo sich der
Vali nicht länger mehr de» Mund stopfen ließ. Nicht
nur seines militärischen Verwandten wegen, sondern
auch aus einem andern Grund, Das Heer räuberte
die ganze Gegend dermaßen aus, daß der Vali fürchten
mußte, sür ihn bliebe gar nichts mehr übrig, wenn
die Soldaten nicht bald abzogen.
So wurde denn wieder mit den Kurden unter-
handelt, Gegen hundert Tuman in baar (etwa acht-
hundert Mark), zogen sie in die türkischen Gebirge ab,
der „Vertheidiger des Königreichs" telegraphierte nach
Teheran den herrlichen Sieg und die völlige Ver-
nichtung der Kurden durch seinen Vetter, den „Unter-
arm des Staates", wofür die Beiden einen schönen
Orden und unsre Hoheit einen noch schöneren Titel
erhielt, und das siegreiche Heer konnte sich endlich
zerstreuen.
Zum letzten Mal beehrte uns Seine Hoheit mit
Ihrem Besuch, Diesmal kam er schon am Vormittag
und blieb bis gegen Abend, Er war merkwürdig
befangen, wir auch, Er wollte nicht recht mit der
Sprache heraus, uns ging es genau so. Er er-
kundigte sich wieder nach Deutschland und gestand,
daß er nach diesem Erfolg gegen Derik nächstes
Jahr sicher mit dem Schah nach Europa reisen
werde. Wir gratulierten. Schließlich bat er uns
um eine Gefälligkeit. „Nicht mit einem Herzen, son-
dern mit tausend Herzen steh'n wir zu Diensten,"
versicherten wir und schwitzten, denn nun würde es
kommen. Endlich überwand sich der Prinz und bat
uns, ihm zu sagen, wo man in Berlin am leichtesten
zu hübschen Mädchen komme. Ein Stein siel uns
vom Herzen, dies Geschenk wollten wir ihm gerne
machen. Voll Eiser notierten wir für ihn das Cafe
National und die Am orsäle,— wo ihn sein Schick-
sal wohl ereilt haben wird.
Gedankenspklttrr
A: „Moderne Menschen gibt's schon einige.
Ivo bleiben nur die modernen Monarchen?"
8: „Ach, die sind schon längst gewesen I" —
A: „wie meinen Sie das?"
8: „Nun, zum Beispiel der Isohenstaufe
Friedrich II., der Hohenzoller Friedrich II.
Finden Sie nicht auch, daß es nur solange
moderne Herrscher geben kann, als es
noch keine modernen Menschen gibt?"
Liebe Jugend!
In einer Gesellschaft unterhält sich ein Leut-
nant der Infanterie mit seinem Vetter, einem
Seeoffizier. Elfterer bestreitet unter Anderem, daß
die mathematischen Kenntnisse der Landosfiziere
hinter denen der Seeoffiziere zurückständen; er
z. 8. wolle jede selbst „seemännisch"-mathema-
tische Frage des „Herrn Vetter" beantworten.
„Dann bitte," sagte der Seeoffizier, „was ist
Metacentrnm?"
Tandoffizier (stolz): „Metacentrum ist der
Schnittpunkt, den man erhält, wenn man auf dem
Schwerpunkt des Schiffskörpers die Senkrechte er-
richtet und dann — — —"
Seeoffizier (cinfallend): „Schon falsch; ans
einem Punkt kann man niemals eine Senkrechte
errichten!"
Landoffizier (anfänglich etwas oerlcgen,
dann aber stolz): „Na ja, — aber wenn er sehr
dick ist, doch!"
Loyal
„Warum die junge Hofdame wohl immer
solch entstellende Grimassen schneidet?"
„Sie will durchaus h ä ß li cher ans sehen, als
ihre Herrin, die Prinzessin."
Tempi passati!
Lin reicher £jerr, der sich wegen eines Leidens
einer «Operation unterziehen muß, kommt eines
Tages zu Prof. T h i e r s ch nach Leipzig und
bittet ihn, ihm doch einen recht tüchtigen Thirurgen,
der sich speziell mit dem Leiden des Kranken be-
schäftigt und hauptsächlich derartige Operationen
vornähme, zu empfehlen. Er (der Kranke) sei in
der glücklichen Lage, daß er weder Reisen noch
Kosten zu scheuen brauche, und werde sich ver-
trauensvoll dem Vorschläge von T. fügen. —
T. sieht den Herrn eine Zeit lang an, dann sagt
er: „Nun, wenn Sie gern reisen wollen, dann
fahren Sie doch nach Berlin zu v. Bergmann
oder wenn Ihnen das nicht weit genug ist, reisen
Sie zu Nußbaum nach München, oder wollen
Sie noch weiter, dann gehen Sie zu Billroth
nach Wien. — wenn Sie nun zu den Herren
kommen, werden dieselben Sie fragen: „wo
kommen Sie denn her?" Darauf antworten Sie:
„Aus Leipzig". Da sagen die Herren alle zu
Ihnen: „Sie Schafskops, warum gehen Sie nicht
zu Thiersch?"
Rleines Mißverständlich
Der Schulinspekter läßt sich von den Schülern
die Kuh beschreiben. „Ivas hat die Kuh alles?"
so fragt er. Sie zählen alle Theile aus außer
dem Kops. Um nun eine Kleine daraufzubringen,
daß die Kuh auch einen Kopf habe, deutet der
Inspektor dem Mädchen aus ihr blondes Haupt
und fragt; „Nun, die Kuh hat noch etwas,
lvas hast denn du da?"
Rasch antwortet die Kleine: „Läuse."
6io
J UGEND
1905
ankommen, so würden seine Soldaten aller Wahr-
scheinlichkeit nach, sowie sie merkten, daß es Ernst
wurde, einfach die Flinten von sich werfen und
sortlausen. Liefen aber diesmal nicht sie fort,
sondern die sünszig Kurden, was bei einem Gegner,
der tausend Mann zählte, nicht ganz ausgeschlossen
war, so nahm der verdienstreiche Feldzug damit ein
vorzeitiges, unerwünscht schnelles Ende, war doch
der Vali von Choi, der auch einen militärischen Ver-
wandten in der Hauptstadt chatte, längst unruhig.
Nur mit Mühe konnte man ihm noch den Mund
stopfen, daß er über die so wenig kriegerischen Vor-
gänge noch keinen Bericht absandte, Preisgeben
aber durste man die Kanone unter keinen Umständen,
denn auch die Hoheit war sehr stolz auf sie. Also
mußte man versuchen, mit den Kurden zu unter-
handeln, Es wurden Parlamentäre nach Derik ge-
schickt, und bald erschienen einige der verwegensten
Kurden im persischen Lager, Schon am nächsten
Tage schoben die Kurden, die vor wenigen Nächten
die Kanone im Schweiße ihres Angesichts auf den
Berg geschasst hatten, sie eigenhändig ins persische
Lager zurück, Den Kurden war in Derik der Zucker
ausgegangen, und da sie den Thee ebenfalls gerne
recht süß tranken, hatten sie die Kanone gegen fünf
Zuckerhüte wieder herausgegeben,-
Seine Hoheit waren wirklich eine umgängliche
Natur. Fast täglich erschien er und unterhielt sich
mit uns, und da er sich sehr für Deutschland inter-
essierte, gewannen wir ihn ordentlich lieb. So hatten
wir plötzlich auch ein Interesse daran, daß der Feld-
zug »och recht lange dauerte, zumal immer noch
nicht von Geschenken die Rede war und uns vor dem
Tag der Trennung auch um deswillen bangte, denn
dann würde er schon mit seinen Wünschen heraus-
rückcn und ein ordentliches, gewichtiges Andenken
begehren.
Endlich aber kam der Augenblick, wo sich der
Vali nicht länger mehr de» Mund stopfen ließ. Nicht
nur seines militärischen Verwandten wegen, sondern
auch aus einem andern Grund, Das Heer räuberte
die ganze Gegend dermaßen aus, daß der Vali fürchten
mußte, sür ihn bliebe gar nichts mehr übrig, wenn
die Soldaten nicht bald abzogen.
So wurde denn wieder mit den Kurden unter-
handelt, Gegen hundert Tuman in baar (etwa acht-
hundert Mark), zogen sie in die türkischen Gebirge ab,
der „Vertheidiger des Königreichs" telegraphierte nach
Teheran den herrlichen Sieg und die völlige Ver-
nichtung der Kurden durch seinen Vetter, den „Unter-
arm des Staates", wofür die Beiden einen schönen
Orden und unsre Hoheit einen noch schöneren Titel
erhielt, und das siegreiche Heer konnte sich endlich
zerstreuen.
Zum letzten Mal beehrte uns Seine Hoheit mit
Ihrem Besuch, Diesmal kam er schon am Vormittag
und blieb bis gegen Abend, Er war merkwürdig
befangen, wir auch, Er wollte nicht recht mit der
Sprache heraus, uns ging es genau so. Er er-
kundigte sich wieder nach Deutschland und gestand,
daß er nach diesem Erfolg gegen Derik nächstes
Jahr sicher mit dem Schah nach Europa reisen
werde. Wir gratulierten. Schließlich bat er uns
um eine Gefälligkeit. „Nicht mit einem Herzen, son-
dern mit tausend Herzen steh'n wir zu Diensten,"
versicherten wir und schwitzten, denn nun würde es
kommen. Endlich überwand sich der Prinz und bat
uns, ihm zu sagen, wo man in Berlin am leichtesten
zu hübschen Mädchen komme. Ein Stein siel uns
vom Herzen, dies Geschenk wollten wir ihm gerne
machen. Voll Eiser notierten wir für ihn das Cafe
National und die Am orsäle,— wo ihn sein Schick-
sal wohl ereilt haben wird.
Gedankenspklttrr
A: „Moderne Menschen gibt's schon einige.
Ivo bleiben nur die modernen Monarchen?"
8: „Ach, die sind schon längst gewesen I" —
A: „wie meinen Sie das?"
8: „Nun, zum Beispiel der Isohenstaufe
Friedrich II., der Hohenzoller Friedrich II.
Finden Sie nicht auch, daß es nur solange
moderne Herrscher geben kann, als es
noch keine modernen Menschen gibt?"
Liebe Jugend!
In einer Gesellschaft unterhält sich ein Leut-
nant der Infanterie mit seinem Vetter, einem
Seeoffizier. Elfterer bestreitet unter Anderem, daß
die mathematischen Kenntnisse der Landosfiziere
hinter denen der Seeoffiziere zurückständen; er
z. 8. wolle jede selbst „seemännisch"-mathema-
tische Frage des „Herrn Vetter" beantworten.
„Dann bitte," sagte der Seeoffizier, „was ist
Metacentrnm?"
Tandoffizier (stolz): „Metacentrum ist der
Schnittpunkt, den man erhält, wenn man auf dem
Schwerpunkt des Schiffskörpers die Senkrechte er-
richtet und dann — — —"
Seeoffizier (cinfallend): „Schon falsch; ans
einem Punkt kann man niemals eine Senkrechte
errichten!"
Landoffizier (anfänglich etwas oerlcgen,
dann aber stolz): „Na ja, — aber wenn er sehr
dick ist, doch!"
Loyal
„Warum die junge Hofdame wohl immer
solch entstellende Grimassen schneidet?"
„Sie will durchaus h ä ß li cher ans sehen, als
ihre Herrin, die Prinzessin."
Tempi passati!
Lin reicher £jerr, der sich wegen eines Leidens
einer «Operation unterziehen muß, kommt eines
Tages zu Prof. T h i e r s ch nach Leipzig und
bittet ihn, ihm doch einen recht tüchtigen Thirurgen,
der sich speziell mit dem Leiden des Kranken be-
schäftigt und hauptsächlich derartige Operationen
vornähme, zu empfehlen. Er (der Kranke) sei in
der glücklichen Lage, daß er weder Reisen noch
Kosten zu scheuen brauche, und werde sich ver-
trauensvoll dem Vorschläge von T. fügen. —
T. sieht den Herrn eine Zeit lang an, dann sagt
er: „Nun, wenn Sie gern reisen wollen, dann
fahren Sie doch nach Berlin zu v. Bergmann
oder wenn Ihnen das nicht weit genug ist, reisen
Sie zu Nußbaum nach München, oder wollen
Sie noch weiter, dann gehen Sie zu Billroth
nach Wien. — wenn Sie nun zu den Herren
kommen, werden dieselben Sie fragen: „wo
kommen Sie denn her?" Darauf antworten Sie:
„Aus Leipzig". Da sagen die Herren alle zu
Ihnen: „Sie Schafskops, warum gehen Sie nicht
zu Thiersch?"
Rleines Mißverständlich
Der Schulinspekter läßt sich von den Schülern
die Kuh beschreiben. „Ivas hat die Kuh alles?"
so fragt er. Sie zählen alle Theile aus außer
dem Kops. Um nun eine Kleine daraufzubringen,
daß die Kuh auch einen Kopf habe, deutet der
Inspektor dem Mädchen aus ihr blondes Haupt
und fragt; „Nun, die Kuh hat noch etwas,
lvas hast denn du da?"
Rasch antwortet die Kleine: „Läuse."
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