Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben (10.1905, Band 2 (Nr. 27-52))

In der angewandten Kunstausstellung,

Die in München Jeden jetzt entzückt,

Rief ich unter stolzer Herzensfchwellnng
Freudig aus: Das ist uns mal geglückt!

So was Gutes bringt man halt zu Stande
In der Kunststadt blos am Jsarstrande,

Die so bald uns Keiner nicderdrückt l

Wie da Jeder glatt und leicht und nobel
Auf den Kopf auch seinen Nagel trifft:

Sei's der Arbeitsmann mit seinem Hobel,

Sei's der Künstler mit dem Zeichenstift I
Weg sind alle Mätzchen jetzt und Faxen —

Aus denl Heute voll herausgewachsen
Zeigt sich da ein Stil in klarer Schrift!

Weg sind jene Henkel auch und Hörner,

Die mau an die Möbel erst gemacht
Und worüber oft auch ein moderner
Mensch zuweilen leise Hohn gelacht!

Keine Schnörkel werden mehr geschlungen,

Aus deni Zweck erscheint die Form entsprungen,
Ruhe athmet auch die reichste Pracht!

Nicht Snobismus buhlt hier, der abstruse,

Um der Modenarrheit leichte Gunst —

Eine edle, regelrechte Muse
Ueberwand hier allen Schwindels Dunst!
München, sei gegrüßt zu diesem Siege,
Denn in Deinen Mauern prangt die Wiege
Einer neuen angewandten Kunst!

Diese Wiege schätz' ich um so höher,

Als sie aus der Künstler eigner Kraft
Aufgeblüht ist und kein Mediceer
Gütig lächelnd Vortheil ihr verschafft!
Ward sie auch verfolgt nicht von Despotik,
Galt sie neben Renaissance und Gothik
Doch für Mangel-, schrullen-, zweifelhaft!

Aber heute sieht der blind'ste Hesse:
Hier ist mehr erreicht, als eitler Sums!
Bald wohl meldet sich das Interesse
Eines hohen Ministeriums!

Diese Räume, diese Gegenstände

Sind die Schöpfung zukuuftssichrer Hände

Und das Staunen unsres Publikums!

Hier hat Alles, von der bunten Stube,

Wo das Kind die Kunst schon lernt im Spiel,
Bis zum Grabstein auf der Todtcngrube
Eigenart und meist sogar recht viel!

Damen-, Schlaf- und Eß- und Herren-Zimmer
Und Musiksalons erblickst Du — inimer
Gleich famoS in Arbeit, wie im Stil!

Drum herbei! Wer Augen hat im Kopfe
Und dazu des Manimons goldnen Schein,
Fasse die Gelegenheit beim Schopfe
Und er richte hochmodern sich ein:

Sei's bei Bruno Paul, bei Diez, bei Heine,
Oder Pankok — immer wird ihm eine
Musterleistung auch gesichert sein.

Die Kunststadt München

ÄLorf Münzer (München)

Aber wem hiezu die Mittel fehlen,

Der ersteh' für kleines Honorar
Etwas von den Cobblers und Cocktailcn
In der gleichfalls stilgerechten Bar!

Und er rufe dann, mit mir begeistert:

Hoch die Wackern, die dies Werk gemeistert,
Hoch die Münchner Kunst für immerdar!

Biedermeier mit ei

Freudige Gedanken,

ausgclöst beim Besuche der Ausstellung für an-
gewandte Run st in München im Sommer ISS5