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Nr. 50

1905

Der Streik im HofLräuhaus

Line schreckliche Geschichte
von A. De Nsra und A. Schmidhammer

wehe! wehe! wehe! wehe!
was ich jetzt auf Lrdtzn sehe,

Das erfüllt mein Herz mit Schrecken:
Revoluzz an allen Ecken!

In dem Reich des weißen Zaren,

Bei den heißen Magyaren,

Selbst im guten Gesterreich
Streikt und revoluzzt man gleich.

Aber ganz besonders greulich
war, was sich ereignet neulich,

Hier — im-o mein Herz, halt aus!

— Königlichen Hofbräuhaus! I
Nämlich dort bedienen immer
Sogenannte Frauenzimmer
Jeden Gast, der wo es will,

Mit Getränk und mit Gefühl.

Aber siehe, auch in diesen
Pflicht- und biergeschwcllten Büsen
Hat es plötzlich jetzt gegärt
Und sie haben sich beschwert.

So zum Beispiel Kat hi Meier
Fühlt empört sich ungeheuer,

Daß sie niemals habe „frei",
wenn sie geh'n will „auf an Bai".
Auch bei Greti Fischer mußten
Erst ein Brustkatarrh und Husten
Sich entwickeln ganz infam,

Bis sie Urlaubspaß bekam.

Rest Durst, geborn zu Mink'n,

Kriegt zu wenig Bier zu trinken.

Statt des Nachmittagskaffees
wünscht sie Bier und Schweizerkäs.
Marie Schmidt will nicht bloß unten
Zn dem großen Saal herunten
Alle Tag bedienen immer,

Sondern auch im Herren-Zimmer
Bei die „Geistling-Kamma-Herrn",
„wei sie beffa zo'in thean."

Anna Buß ist ungehalten,

Daß sie immer bloß dem alten
Stammtisch-Gfchwerl „sawüren" muß,
Nie den Herrn Studiosibus.

Lenzi Scharff läßt sich vor Allem
Dieses niemals nicht gefallen,

Daß der Bierjchenk Huber Franz
Sie betitelt »dumme Gans".

J U G E N D

Darin einig in Beschwerden,

Daß sie nicht behandelt werden,
wie es sich gehören thut
Für ein solchenes Institut.

Und daß gar für Krankenkaffen
Sie sich sollen machen lassen
Einen Lohnabzug — dös kennst!

Naal Dös waar fcho no dös fchennst!

„Mir waar's gnua!" schreit d' Iungfer Zilli,
„Mir Ham jede a Famili:

Insre Kinda kost'n aa wos!

Zoi't wcrd nix! (— gewaltge Bravo'; I —)
Und bal sich dö Herrn Dirökta
Und dö Landtagrherrn und -Dökta
Net do drei leg'n fesch und fix,

So werd g'streikt! Do feit si nixl"

wehe, schon bei dem Gedanken
Kommt das Hofbräuhaus ins wanken!
was soll aus dem Tempel werden,
wenn ihm sie den Rücken kehrten?
wer soll mit Gambrinus Gaben
Durstgcquälte Bürger laben?
wer wird kühn den Gast aus Preußen
„An faudumma Gischpi" heißen?
wer wird allen Unrath wischen
Mit der Schürze von den Tischen?

wer bringt Dir zum Nierenbratl

Unbestellt Dein Kopfsalat!?

wer das „Tellerfleisch durchwachsen"

Und die „reservierte Hax'n?"
wer pumpt Dir das Mittagessen,
wenn Du „'s Portmonnä vergessen?"
wer ist lieb und gut und edel,
wenn Ihr weg seid, stramme Mädel?
Sieh, in langem Zug heran
Schon des Streikes Gpfer nah'n:
Stammgäst', die vor Durst verdorrt sind,
Deren rothe Nasen fort sind,

Radi-, Blumen- Zeitungsdamen,

Die um alle Kundschaft kamen,
Exminister, welche wild sind,
weil die Stammkrüg' nicht gefüllt sind
Ach, und dann die Landtagsinnung
Ungewohnt der Selbstbedienung:

Daller, dürr wie Kirchthurmdohlen,
von dem vielen Bier-sich-holen,

Ueberhaupts sind alle Damen
— Ganz egal mit welchen Namen —

Grterer, als Hüne ragend,
weil die schweren Maßkrüg' tragend,
Heim, als Hausknecht abgewiesen,
weil er viel zu — zart für diesen . . . .

Gräßlich — gräßlich naht der Zug.
Muse! Nein! Nun ists genug!

So was darf es niemals geben!
Helft den holden 86-Heben l
Uebernimm die ganze Schaar,

Hoher Fiskus, aufs Aerar!

Alle Kellnerinnen jetzt
werden amtlich eingesetzt
Mit dem Titel „Iungfrau" und
weiß und blauem Schürzenbund.
Um es allen zu verkünden,

Sowohl vorne als auch hinten
wird auch jeder holden Fee
Aufgestempelt ein UV.

Keine ist dazu verpflichtet,

Daß sie irgend was entrichtet,
weder Krankengeld noch Straf',

Alles zahlt der Staat, das Schaf!
Auch die Männer, Schätz' und Kind',
welche schon vorhanden sind,
wie auch jene, wo noch kommen,
werden gratis übernommen
Und zum Schluß wird Iedermann
Ganz besonders kund gethan,

Daß, wer immer sei's in Rede
Gder That versuchen thäte,

Eine von den süßen Nandeln
Kathln, kisln zu behandeln
So wie es sich nicht gebührt —

Daß der Kerl gehonken wird.

worauf alle nun erklärten,

Daß sie wieder gut sein werden!

Gott sei Dank, der Streik ist aus.
Heut' geh ich ins Hofbräuhaus.
Register
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der Streik im Hofbräuhaus"
A. De Nora: Der Streik im Hofbräuhaus
 
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