1905
Gerechte Entrüstung
Der Sultan (zum Russen): „was, Du alter
Dreckhammel, willst bei mir auch kehren?!"
Die treue Garde*)
Neu-Russisches Volkslied
Wenn alle untreu werden,
Dann bleib ich auch nicht treu,
was Kann mich viel gefährden
Line Kleine iMeukerei?
Ich meutre gardemäßig.
Natürlich, das ist Klar!
Bin ich auch nicht verlässig,
Der Zar bleibt doch der Zar>
Die Garde bleibt die Garde!
Und muß er aufs Schaffott,
Ich auch mit der Locarde
Geleit' ihn hin, bei Gott!
Ich stell mich zu Spalieren
Und schrei: Kopf ab! Hurrahl —
Ls wird ihn riesig rühren:
Die Garde, feine Garde
Ist ihm im Tode nah!
A. I». V
*) Auch die (Barberegimenter, sogar das Bataillon
i Zarskoie-Lelo, sind nicht mehr zuverlässig.
Liebe Jugend!
In einer Abendgesellschaft wird beim opulenter.
Omer von den Zuständen in Rußland, den Iuden-
massacres, Meutereien, Streiks rc. gesprochen. Je-
mand bemerkt dazu, die Revolution werde auch
für uns schwere wirthschaftliche und politische Folgen
haben. „Ja," sagt einer der Gäste, „der Laviar
ist schon um zwei Mark theurer geworden."
JUGEND
Ein Interview bei Hermann -Bahr
Ich: Ich habe mit großem Interesse gehört,
daß Herr Gberst von Speidel Sie ä la suite des
kgl. bayrischen ksoftheaters gestellt hat. Fällt
Ihnen der Abschied von Vien nicht schwer?
Bahr: Nein! Mit diesem Volk habe ich kein
Mitleid. Ls verdient nicht, daß ich es mit meinen
Stücken erheitere, wie bin ich diesen Menschen
entgegengekommcn: beute war ich Idealist, morgen
Realist, heute volksthümlich, morgen symbolisch,
ich habe ihnen den Pegasus in allen Gangarten
vorgeritten, und sie haben mich in allen Ton-
arten ausgepfiffen. Nein, meine Frau hat ganz
recht: Ich bin zu geistreich und zu gut für Wien.
Ich: Diese Einsicht ist Ihnen leider etwas
spät gekommen. — wie gedenken Sie denn das
Repertoire des Münchner poftheaters zu gestalten?
Bahr: Großartig l Ich führe Alles auf, was
literarischen Verth hat, sowie einige meiner eige-
nen Stücke, vor Allem muß mehr Luripides ge-
pflegt werden. Das ist die erste Bedingung eines
modernen Repertoires. Rennen Sie Luripides?
Ich: Ich muß gestehen, daß ich ihn seit
mehreren Jahren nicht gelesen habe und auch
kein Bedürfniß dazu verspüre.
Bahr: Sehen Sie? — was habe ich gesagt!
— Ich plane sogar ein Luripides-Festspielhaus
in München zu gründen. Auch plautus und poraz
werde ich neu erwecken!
Ich: Soviel ich weiß, hat kforaz keine Bühnen-
werke geschrieben?
Bahr: Ls findet sich schon ein wiener, der
seilte Vdcn für die Bühne bearbeitet. —
Ich: werden Sie auch zeitgenössische Dichter
zu Worte kommen lassen?
Bahr: In meinem Sprechzimmer, jal Ich
gedenke, besondere Rücksicht bei meinen Entscheid-
ungen auf die süddeutsche Eigenart zu nehmen.
Ich: Laben Sie sich schon an Konrad Dreher
gewandt?
Bahr: Noch nicht. — Ach, aus Ibren An-
deutungen gewinne ich fast den Eindruck, als ob
mich auch die Münchner nicht verdienten!
Damit entließ mich gerührt der Dichter.
liarlvheu
Zar und Großfürst
Die Zarin Mutter: „willst Du hübsch brav
sein, Nikolaus, — gleich ruf ich den Vnkel!"
Hoftheater
Junger Autor (bei feinem Friseur): „Sie
schneiden der Kammerfrau der Prinzessin Llfriedika
immer die Hühneraugen ... könnten Sic nicht
mein neues Stück an der Hofbühne anbriugen?"
Deutscb-Engllscbcn Ucrständfgung
Sie liebten sich beide, doch Keiner
wollt' es dem andern gestehn,
Sie sahen sich an so feindlich
Und wollten vor Liebe vergehn (?)
1$. Heine
Der liberale 6emeln<lewabl§ieg
Münchner Kindl, 0 Du Schlankerl,
Gelt, Du hast Dich nur verstellt!
Plicht in einem neuen Iankcrl
Zeigst Du wieder Dich der Welt!
Mir dem alten Herzerl wieder
Lachst Du froher als vorher
Auf Dein freies München nieder,
2lls ob nichts geschehen war' —
Münchner Kindl, lieber Bammsl
Lach nur! Lach! Mir Hammsl Mir Hamms!
Auszuziehn Dir Dein Gwandcrl
Und ein rabenschwarzes an,
Standen schon die Krippcnmanderl
Siegeshungrig auf dem plan.
Und sie schleppten, voll der Jauchen,
Manchen Kübel her und Topf,
Dich zu taufen und zu tauchen,
Bis Du schwarz von Fuß zu Kopf —
Münchner Kindl, lieber Lamms!
Lach f’ nur aus! Verloren Hamms!
Denn wie wacker sie Dich schwärzten,
Du versohltest sie am End!
Einen Fußtritt auf den werthstcn
Gabst Du ihnen, sapperment,
Daß sie rechts und links mit Beulen
Eilig flogen an die wand;
Zähneknirschen wird und Heulen
Darob sein im „ganzen Land" —
Münchner Kindl, lieber Bammsl
Lach nur, lach! Die Prügel Hamms!
Ach es that nur einen Schnepper,
„wart a wennggl" hieß es bloß,
Und die sämmtlichen Hepp-Hepper
waren selbst in Abrams Schoß!
Und der Heim war heimgesendet
Und Biclühlawck war weg. —
Ja das Blatt hat sich gewendet:
„Schwarz ist Trumpf?" — „Dös kennst!
An Dreck!"
Münchner Kindl, lieber Bammsl
Lach nur! Lach! Mir Hamms! Mir Hamms
\. 1». x.
•
Fellzuchtwahl. Aus England wird berichtet,
daß jetzt dort Pelze in allen Farben gefärbt werden,
um zu den einzelnen Toiletten zu passen, .künst-
lerisch veranlaaie Gemüther erfreuen sich zwar an
den Pelzsarbenfhmphonien, nehmen aber Anstand
daran, daß die Färbung eine künstliche ist; denn
aus Pelzen und weiblichen Wangen muß die Farbe
eigentlich natürlich sein. Der Menschengeist über-
windet aber alle Schwierigkeiten. Sv hat sich auch
ein spekulativer Kops gesunden, der Thiere mit Pelzen
in allen Farben züchtet. Er hat z. B. Löwen vege
tabilisch ernährt; ein Löwe, der nur Spinat zu ftesten
bekam, erhielt sehr bald ein grünes Fell; ein anderer
Löwe, der Spinat mit Ei bekam, hatte ein grünes
Fell mit gelben Flecken. Ein schwarzer Bär, der
imtner Himbeerwasser trank, bekam ein earmvisin-
iarbenes Fell, und ein .Königstiger, der mit Weiß
wursten und Augustinerbräu genährt wurde, bekatt,
einen nach Art der Schilderhäuser blau und weiß
gestreiften Pelz.
»
Petersburger Drahtnachricht.
Das pofzeremoniell ist um einen Paragraphett
erweitert worden:
fl >227 a. Der Zar darf von den Großfürstett
erst dann am Krawattl gepackt werden, wenn er
das Zeichen dazu gegeben hat.
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Gerechte Entrüstung
Der Sultan (zum Russen): „was, Du alter
Dreckhammel, willst bei mir auch kehren?!"
Die treue Garde*)
Neu-Russisches Volkslied
Wenn alle untreu werden,
Dann bleib ich auch nicht treu,
was Kann mich viel gefährden
Line Kleine iMeukerei?
Ich meutre gardemäßig.
Natürlich, das ist Klar!
Bin ich auch nicht verlässig,
Der Zar bleibt doch der Zar>
Die Garde bleibt die Garde!
Und muß er aufs Schaffott,
Ich auch mit der Locarde
Geleit' ihn hin, bei Gott!
Ich stell mich zu Spalieren
Und schrei: Kopf ab! Hurrahl —
Ls wird ihn riesig rühren:
Die Garde, feine Garde
Ist ihm im Tode nah!
A. I». V
*) Auch die (Barberegimenter, sogar das Bataillon
i Zarskoie-Lelo, sind nicht mehr zuverlässig.
Liebe Jugend!
In einer Abendgesellschaft wird beim opulenter.
Omer von den Zuständen in Rußland, den Iuden-
massacres, Meutereien, Streiks rc. gesprochen. Je-
mand bemerkt dazu, die Revolution werde auch
für uns schwere wirthschaftliche und politische Folgen
haben. „Ja," sagt einer der Gäste, „der Laviar
ist schon um zwei Mark theurer geworden."
JUGEND
Ein Interview bei Hermann -Bahr
Ich: Ich habe mit großem Interesse gehört,
daß Herr Gberst von Speidel Sie ä la suite des
kgl. bayrischen ksoftheaters gestellt hat. Fällt
Ihnen der Abschied von Vien nicht schwer?
Bahr: Nein! Mit diesem Volk habe ich kein
Mitleid. Ls verdient nicht, daß ich es mit meinen
Stücken erheitere, wie bin ich diesen Menschen
entgegengekommcn: beute war ich Idealist, morgen
Realist, heute volksthümlich, morgen symbolisch,
ich habe ihnen den Pegasus in allen Gangarten
vorgeritten, und sie haben mich in allen Ton-
arten ausgepfiffen. Nein, meine Frau hat ganz
recht: Ich bin zu geistreich und zu gut für Wien.
Ich: Diese Einsicht ist Ihnen leider etwas
spät gekommen. — wie gedenken Sie denn das
Repertoire des Münchner poftheaters zu gestalten?
Bahr: Großartig l Ich führe Alles auf, was
literarischen Verth hat, sowie einige meiner eige-
nen Stücke, vor Allem muß mehr Luripides ge-
pflegt werden. Das ist die erste Bedingung eines
modernen Repertoires. Rennen Sie Luripides?
Ich: Ich muß gestehen, daß ich ihn seit
mehreren Jahren nicht gelesen habe und auch
kein Bedürfniß dazu verspüre.
Bahr: Sehen Sie? — was habe ich gesagt!
— Ich plane sogar ein Luripides-Festspielhaus
in München zu gründen. Auch plautus und poraz
werde ich neu erwecken!
Ich: Soviel ich weiß, hat kforaz keine Bühnen-
werke geschrieben?
Bahr: Ls findet sich schon ein wiener, der
seilte Vdcn für die Bühne bearbeitet. —
Ich: werden Sie auch zeitgenössische Dichter
zu Worte kommen lassen?
Bahr: In meinem Sprechzimmer, jal Ich
gedenke, besondere Rücksicht bei meinen Entscheid-
ungen auf die süddeutsche Eigenart zu nehmen.
Ich: Laben Sie sich schon an Konrad Dreher
gewandt?
Bahr: Noch nicht. — Ach, aus Ibren An-
deutungen gewinne ich fast den Eindruck, als ob
mich auch die Münchner nicht verdienten!
Damit entließ mich gerührt der Dichter.
liarlvheu
Zar und Großfürst
Die Zarin Mutter: „willst Du hübsch brav
sein, Nikolaus, — gleich ruf ich den Vnkel!"
Hoftheater
Junger Autor (bei feinem Friseur): „Sie
schneiden der Kammerfrau der Prinzessin Llfriedika
immer die Hühneraugen ... könnten Sic nicht
mein neues Stück an der Hofbühne anbriugen?"
Deutscb-Engllscbcn Ucrständfgung
Sie liebten sich beide, doch Keiner
wollt' es dem andern gestehn,
Sie sahen sich an so feindlich
Und wollten vor Liebe vergehn (?)
1$. Heine
Der liberale 6emeln<lewabl§ieg
Münchner Kindl, 0 Du Schlankerl,
Gelt, Du hast Dich nur verstellt!
Plicht in einem neuen Iankcrl
Zeigst Du wieder Dich der Welt!
Mir dem alten Herzerl wieder
Lachst Du froher als vorher
Auf Dein freies München nieder,
2lls ob nichts geschehen war' —
Münchner Kindl, lieber Bammsl
Lach nur! Lach! Mir Hammsl Mir Hamms!
Auszuziehn Dir Dein Gwandcrl
Und ein rabenschwarzes an,
Standen schon die Krippcnmanderl
Siegeshungrig auf dem plan.
Und sie schleppten, voll der Jauchen,
Manchen Kübel her und Topf,
Dich zu taufen und zu tauchen,
Bis Du schwarz von Fuß zu Kopf —
Münchner Kindl, lieber Lamms!
Lach f’ nur aus! Verloren Hamms!
Denn wie wacker sie Dich schwärzten,
Du versohltest sie am End!
Einen Fußtritt auf den werthstcn
Gabst Du ihnen, sapperment,
Daß sie rechts und links mit Beulen
Eilig flogen an die wand;
Zähneknirschen wird und Heulen
Darob sein im „ganzen Land" —
Münchner Kindl, lieber Bammsl
Lach nur, lach! Die Prügel Hamms!
Ach es that nur einen Schnepper,
„wart a wennggl" hieß es bloß,
Und die sämmtlichen Hepp-Hepper
waren selbst in Abrams Schoß!
Und der Heim war heimgesendet
Und Biclühlawck war weg. —
Ja das Blatt hat sich gewendet:
„Schwarz ist Trumpf?" — „Dös kennst!
An Dreck!"
Münchner Kindl, lieber Bammsl
Lach nur! Lach! Mir Hamms! Mir Hamms
\. 1». x.
•
Fellzuchtwahl. Aus England wird berichtet,
daß jetzt dort Pelze in allen Farben gefärbt werden,
um zu den einzelnen Toiletten zu passen, .künst-
lerisch veranlaaie Gemüther erfreuen sich zwar an
den Pelzsarbenfhmphonien, nehmen aber Anstand
daran, daß die Färbung eine künstliche ist; denn
aus Pelzen und weiblichen Wangen muß die Farbe
eigentlich natürlich sein. Der Menschengeist über-
windet aber alle Schwierigkeiten. Sv hat sich auch
ein spekulativer Kops gesunden, der Thiere mit Pelzen
in allen Farben züchtet. Er hat z. B. Löwen vege
tabilisch ernährt; ein Löwe, der nur Spinat zu ftesten
bekam, erhielt sehr bald ein grünes Fell; ein anderer
Löwe, der Spinat mit Ei bekam, hatte ein grünes
Fell mit gelben Flecken. Ein schwarzer Bär, der
imtner Himbeerwasser trank, bekam ein earmvisin-
iarbenes Fell, und ein .Königstiger, der mit Weiß
wursten und Augustinerbräu genährt wurde, bekatt,
einen nach Art der Schilderhäuser blau und weiß
gestreiften Pelz.
»
Petersburger Drahtnachricht.
Das pofzeremoniell ist um einen Paragraphett
erweitert worden:
fl >227 a. Der Zar darf von den Großfürstett
erst dann am Krawattl gepackt werden, wenn er
das Zeichen dazu gegeben hat.
996
[nicht signierter Beitrag]: Petersburger Drahtnachricht
Arpad Schmidhammer: Gerechte Entrüstung
[nicht signierter Beitrag]: Fellzuchtwahl
A. D. N.: Der liberale Gemeindewahlsieg
[nicht signierter Beitrag]: Hoftheater
[nicht signierter Beitrag]: Zar und Großfürst
Karlchen: Ein Interview bei Hermann Bahr
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Monogrammist Frosch: Zur Deutsch-englischen Verständigung
A. D. N.: Die treue Garde
Arpad Schmidhammer: Gerechte Entrüstung
[nicht signierter Beitrag]: Fellzuchtwahl
A. D. N.: Der liberale Gemeindewahlsieg
[nicht signierter Beitrag]: Hoftheater
[nicht signierter Beitrag]: Zar und Großfürst
Karlchen: Ein Interview bei Hermann Bahr
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Monogrammist Frosch: Zur Deutsch-englischen Verständigung
A. D. N.: Die treue Garde