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Falrer und Schnecke

Falter haben keine Tugend —

^ geb ich zu;

Sie genießen ihre Jugend

ganz schmafu!

Rauben allen Blumenseelchen

Glück und Ruh,

Halte» selbst in Lilienkelchen

Rendezvous.

Aber denkt, ein Falterleben,

liebe Leut',

Ist ja nur ei» kurzes Schweben
überm Heut'.

Darum laßt sie doch genießen,

wie sie's freut,

Alles was in Wald und Wiesen

schnell sich beut.

Freilich, besser hats die Schnecke,

der — nach Brehm —

Auch der Aufenthalt im Drecke
angenehm;

Sie genießt das Leben gründlich
und bequem.

Tugendhaft sowohl als sündlich —
je nachdem.

Doch erregt ihr wüstes Schleimen
nie Skandal,

Den» sie thut es im Geheimen
allemal;

Nur der Faltersiug, der kecke,

macht ihr Qual,

Weil er „offen buhlt" . . . Die Schnecke
hat Moral!

A. I)e Nora

ütcbc Jugend!

Ich besprach in einer Land-
schule das Goethesche Nacht-
lied „Der Du von dem
Himmel bist" und wollte
wissen, wer es eigentlich war,
der den Seufzer „Ach ich bin
des Treibens müde, was soll
all der Schmerz und Lust"
ausstieß. Lin kleiner Junge
erhob sich stolz und antwor-
tete:

„Linvi ehh ändler" (Ach
ich bin des T r e i b e n s müde).

Proteste

Der Vorsitzende des preußischen Apotheker-
kammerausschusses protestirt in der Apotheker-
zeitung entrüstet gegen den Ausdruck „Apotheker-
rech n u n g e n", den P o d b i e l s k i im Reichstag ge-
brauchte; ein solches Wort beleidige den schwer um
seine Existenz ringenden Stand der Apotheker.

Die Vorsitzenden der preußischen Handwerks-
kammern protestiren im Namen der zu ihrem
Ressort gehörigen Schneider- und Handschuh-
macherinnungen gegen die Mißachtung, mit der
der Militär Chirurgus a. D., Geschichtsprosessor und
Schriftsteller v. Schiller von Gevatter Schnei-
der und Handschuhmacher gesprochen habe; ein
solches Wort beleidige den schwer um seine Existenz
ringenden Mittelstand.

Ein Ketzer hatte behauptet, er wisse, wo Barthel
den Most hole. Der Orden der Bartholo-
mäer protestirt entrüstet gegen diese Behauptung
und nennt sie eine dreiste Lüge. Ihr Patron, der
heilige Bartholomäus, habe nienmls in seinem Leben
Most gestohlen.

Weit verbreitet ist die Ansicht, daß viele Köche
den Brei verderben. Bei vielen Köchen mag
dies vielleicht zutreffen, bei allen jedenfalls nicht.
Der Professor Robert Koch wenigstens protestirt
entrüstet gegen die Annahme, daß er zu diesen vielen
Köchen gehöre.

Aus der Zeit

. . wie heißt denn der neue Verein?"
„Tlub ehemaliger Männer der Ba-
ronin von Klappsky."

Epigramme.

Der Naturfteund spricht:

Du schönes Thal, beglänzt von Sonnenstrahlen,
Mit deinen Wäldern, deinen stillen Hainen!

Gott schütze stets dich huldreich vor Vandalen,

Und mehr noch vor — Verschönerungsvcreinen!

Der Klaviervirtuos

Die Riesentechnik hat mein Herz beklemmt!

In diesen Fingern welche kühne Kraft!

Es fehlte nur zur höchsten Meisterschaft,

Daß er als Schlußeffekt den Flügel stemmt.

An eine Frauenrechtlerin

Den lieben Gott sogar hast Du befehdet,

Daß er zuletzt schuf Adams Ehgespons.

— Er that's mit Recht. Denn Eva hätte sonst
Ihm in die ganze Schöpfung 'reingeredet.

Unter Dichtern

„Warum so wild? Weshalb die Leidenschaft?"

— „Den Schuft, den Müller, soll der Teufel holen.
Er hat mir eine Idee gestohlen!"

— „Beruhige Dich! Er ist genug gestraft!"

Als ich in meiner Familie
die Aussicht hatte, in nicht
allzu ferner Zukunft eine
Wochenpflegen» zu benöthi-
gen, wandte ich mich an die
wohlbcleumundete Frau X.
Anfänglich lehnte sie ab, da
sie gerade zu der gewünschten
Zeit anderweitig bestellt wäre.
Dann aber erhielt ich eines
schönen Tages folgende tröst-
liche Nachricht von ihr: „Ser
geöhrter her! nu bin ich
doch noch frei vor ihnen,
weil ich durch ein ßu
Frühes um meine letzte
stelle u m ge ko in men bin."
Register
[nicht signierter Beitrag]: [ohne Überschrift]
[nicht signierter Beitrag]: Proteste
August Geigenberger: Grotesken I: Die Musterung
A. De Nora: Falter und Schnecke
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Helios: Epigramme
[nicht signierter Beitrag]: Schulhumor
 
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