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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 11.1906, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28
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Nr. 28

JUGEND

1900

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Nebelwand

Eine große Nebelwand
Steht blaß und bleiern
Zwischen Dir und mir.

Suchende Sehnsucht

Sendet umsonst den schweifenden Blick auS,
Durchzndringen zum andern Strand,

An dem Du wandelst,

Die Du mir Lachen gabst und Licht.

Manchmal nur

Schießt es herüber, gedtimpften Scheines,
Wie warmes Leuchten;

Manchmal ein Windstoß

Schlägt in des Schleiers Wvlkenfalten

Glänzende Risse,

Dem Auge öffnend die fernen Pfade,

Darauf Du schreitest,

Die Du mir Lachen gabst und Licht.

Dann am epheuumsponnenen Pfeiler
Des weltverlorenen Meeresschlosses
llnter schweigenden Marmorbildern,

Selber ein Marmorbild,

Seh' ich Dich lehnen
Im weißen Gewände
Stumm und einsam,

Wie Du mit träumender stiller Seele
Ueber die dunklen Wasserweiten,

Aus tiefen Augen voll leiser Schwermuth
Mir lächelnd zuwinkst —

Und wieder lächelnd
Wink' ich hinüber,

Fange begierig

Mit durstendem Blick auf

Die flüchtigen Strahlen

Des einen schimmernden Augenblickes,

Da Du mir lächelst,

Die Du mir Lachen gabst und Licht.

Einmal noch,

Wärmend, ein Sonnengruß,

Flammt's von drüben mich an;

Schattenhaft

Quirlend, dann schiebt es sich vor,

Neidische Wolken
Schließen den Riß....

Und wieder blaß und bleiern
Eine große Nebelwand
Steht zwischen Dir und mir.

Fritz Erdncr

Das unschuldige Lämmlein

„Wie das Lämmchen groß wird," sagte seine
Taute, das Schaf, „da wird man bald ans Hei-
rathen denken müssen!"

„Das thue ich auch," sagte das Lämmchen.

„Glaub es nicht," jammerte des Lämmchens
Mutter, „es denkt noch nicht an derartige Sachen!
Es ist ja noch so unschuldig!"

„Was hat das Heiralhen mit der Unschuld zu
thuu?" trug das Lämmchen.

„Nichts!" rief das Tanten-Schaf.

„Das verstehst Du nicht," sagte die Alte.

„Das verstehst Du nicht! Das antwortet man
mir immer, wenn ich etwas wissen niöchtel" sagte
das Lämmchen ärgerlich.

Mutter und Tante sahen einander an.

. „Wenn Du einmal ein großes Schaf bist, so
weißt Du alles ganz von selber." Da kam der
Bock, Lämmchens Onkel.

„Onkel, was heißt unschuldig?" frug cs. Der
Onkel kratzte sich mit dem linken Hinterfuß am Kopf.

„Unschuldig! Das bedeutet halt, daß man
nichts weiß!"

„Aber Onkel!" rief das Lämmchen, „ich weiß
so viel! Da bin ich also nicht unschuldig?"

„Die Sachen, die man nicht weiß, wenn man
unschuldig ist," sagte der arme verlegene Bock,
„sind nicht dieselben Sachen, die man weiß, wenn
man unschuldig iftl" Er schnaufte laut. „Aha,"
sagte das Lämmchen. Sind Sie auch unschuldig,
Onkel Bock?"

„Ach, Lämmchen, weißt Du" — sagte der
Bock und sah sich hilflos um, „es ist so lange
her, daß ich gar nicht mehr weiß, ob ich es immer
noch bin!" Mutter Schaf und Tante Schaf stießen
sich mit den Köpfen.

„Sind Sie unschuldig, Frau Mutter?" frug
das Lämmlein.

„Verheirathete Leute nennt man nicht mehr
unschuldig." sagte ärgerlich das Schaf.

„Du bist einfältig," rief da« Tanten-Schaf,
„heirathe, dann weißt Du es!"

„Ich bin dumm und ich bin unschuldig, das
ist viel auf einmal," sagte kläglich das Lämmchen,
„da will ich mich mit dem Heirathen beeilen so
viel ich kann, denn unschuldig und einfältig ist
niemand gern!"

„Aber Lämmchen," riefen Bock, Mutter-Schaf
und Schaf-Tante, „das sagt man doch nichtI"

„Warum denn nicht?"

„Weil, wenn Du das sagst, die andern Leute
denken könnten, Du seist nicht mehr unschuldig!"

„Ja aber," sagte das Lämmlein, ich will ja
gerade heirathen, damit ich nicht mehr unschuldig
sein muß!"

Da rannten die drei Alten in großen Sprüngen
davon.

„Es muß arg sein mit meiner Unschuld,"
dachte betrübt das Lämnichen, „daß die so davon
rennen!" Dort oben auf der Weide grast mein
Vetter, das Böcklein! Der ist klug, der kann mir
gewiß sagen, was die andern nicht wissen I" Und
das gute Lämmchen ging zum Böcklein. —

Am Abend sagte es zum alten Schaf: „Frau
Mutter, ich weiß es jetzt! Unschuldig ist beides,
angenehm und unangenehm! Eine Weile freut
mau sich, daß man es ist und nach einer Weile
freut mau sich, daß mau es nicht mehr ist! Selber
weiß man es nie, wenn man unschuldig ist, aber
man weiß es sicher, wenn man es nicht mehr ist l
So lange man unschuldig ist, spricht man nie da-
von, und wenn mau nicht niehr unschuldig ist,
spricht mau immer davon! Von der Unschuld
der andern, meine ich!"

Argwöhnisch drehte das Schaf den Kopf. „Wo-
her hast Du diese Weisheit?" frug es.

„Von meinem Vetter, dem Böcklein," sagte
vergnügt das Lämmchen, „und er hat mir sie
ganz umsonst beigebracht!" — —

JLina Wenger-Rnutz

Die öffentkiche (Meinung

Herr Meyer hat es konstatiert,

Herr Kohn hats schleunigst registriert;

Drauf echote das Volk: Hurrah,

Ein neuer Mann ist wieder da.

Die Luft erzittert überall
Von Hall und Schall und Widerhall:
„Hurrah, hurrah! Habt ihr gehört,

Was Kohn und Meyer jüngst erklärt?

Und weils Autoritäten sind,

So glauben wir es ihnen blind
Und brauchen gar nicht nachzudenken,
Dieweil wir ihnen Glauben schenken."

„Ein neuer Mann!" Die Menge sprichts
Den andern nach. Das kostet nichts
Und ist bequem. „Hurrah, hurrah,

Ein neuer Mann ist wieder da."

Urlur Lokescb

Liebe Jugend!

In einer Zeit, in der die Rufe „Konfessions-
schule!" „Simultan schule!" „Weltliche
Schule!" erschallen, ist es von Interesse, einmal
die Ansicht auch eines direkt Betheiligten zu höre».
Der achtjährige Brendl Max äußert sich dazu!
„Gar keine Schule!"

Intimes

„No, Aathl, was sagst denn zum Herrn Pfarrer
sein Bart?"

Aathl: „Js net übel, aber so steche»
thuat er."

Herr und 's Herrle

Serenissimus vertheilt nach der Jagd lDürst'
chen an die Hunde der Jäger. Einer der lfnnde
bekam immer Prügel von seinem Herrn, wen»
er von andern Etwas annahm.

Als diesem nun von der f^otjcit die Wurst
hiugehaltcn wurde, zog er den Schwanz ein tt»b
drückte sich zn seinem Herrn.

Da rief Hoheit voll Entrüstung: „Schaut'^
nur einmal das, äh, Luder an. 2leh, Ainderman»-
sagen Sie ihm doch, äh, wer ich bin."

Ai »der mann: „Da geh her, Hektar! Hier
Herl Schau, da ist ja 's Herrle."

Altphilologen

Der Herr Professor hat des langen und breiten
anseinandergesetzt, daß er Sokrates für de»
weisesten aller Menschen halte. In der nächste»
Stunde fragt er:

„Meyer, wen halten Sie für den weiseste»
Menschen?"

„Nach meiner Ansicht ist unbedingt Plato der
tveiseste!"

„27a, setzen Sie sich nur hin! Da sieht nia»
wieber, wie Sie in der vorigen Stund"
aufgepaßt haben!"

Ein Dichter-V7ad>laf$

„. . . Ich möchte seinen 27achlaß ordnen, Frcw
Müller." — „Det Hab' ick schon jethan. . in dec»
Fach hier is der L e i n e n - und in dem der p a p i e r'
kragen."
Register
[nicht signierter Beitrag]: Ein Dichter-Nachlaß
[nicht signierter Beitrag]: Altphilologen
[nicht signierter Beitrag]: Herr und 's Herrle
[nicht signierter Beitrag]: Intimes
Arpad Schmidhammer: Vignette
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Arthur Lokesch: Die öffentliche Meinung
Lisa Wenger-Ruutz: Das unschuldige Lämmlein
Fritz Erdner: Nebelwand
 
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