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W. MfiHcr-Hofmnnn

Dreimal selig . . .

Dreimal selig, wessen Wesen
Noch als Flamme wärmt und lodert,

Wenn er selbst, vom Fleisch genesen,

Schon im Grabe mürbt und modert!

Langsam siegt nach bittrer Scheidung
Seines Wesens Kern und Wahrheit,

Trüb ist irdische Verkleidung,

Doch die Enkel schaun die Klarheit.

Zitternd fühlt und froh-betroffen
Lipp' um Lippe sich entsiegelt,

Junges Sehnen, junges Hoffen
In erloschnem sich gespiegelt.

Und derweil Vernichtungsweben
An dem Schläfer wirkt im Grunde,

Singt und schwärmt das heiße Leben
Droben süß mit seinem Munde.

Form zerfällt, doch aus dem Kerker
Steigt sein Geist ins Licht und handelt,
Und er lebt und leuchtet stärker,

Als zur Zeit, da er gewandelt!

Carl Busse

Lola-Llli

(Zum Titelblatt dieser Nummer)

Hoch oerehr' ich freilich die Brünnhilden,

Jene Frau'n voll ungestümer Kraft,

Die Walküren, tobend wie die Wilden,

Wenn entfesselt ihre Leidenschaft,

Die bei Wagner rasseln mit den Schilden,
Während Feuer aus dem Felsen klafft.

Doch weit höher schätze ich die schlauen
lind koketten, kleinen Teufelsfrauen!

Jene, die mit Anmuth uns bestricken.

Wie die Lola Montez eine war,

Deren Bildniß — ist's nicht zum Entzücken? —
Uns Herr Heller stellt so reizend dar.

Lili Marberg ist's, die wir erblicken.

Leider aber war der Anblick rar,

Denn der Censor untersagte schnöde.

Daß in München tagt die „Morgenrvthe".

Welcher Charm liegt in der dunklen Schönen,
Welche Grazie und verhaltne Glut.

Ach, und ließ sie ihre Stimme tönen.

Wie berauschend klang der Worte Fluth.
Nun begriff ich, wie bei den Sirenen
Dem Odysseus einstens war z» M»th,

— Nicht umsonst that mir beim Applaudieren
Meine Frau ein Knüffchen applizieren.

Censor, Unmensch, höre, was ich dichte,

Gieb die „Morgenröthe" endlich frei!
Glaub's, dadurch wird Bayern nicht zunichte,
Und das Stück ist wirklich einwandsfrei!
Was Geschichte ist, bleibt doch Geschichte;
Ist denn schließlich gar so viel dabei?

Daß auch Könige ein Herz besitzen.

Ist bekannt, und kann der Welt nur nützen!

Kartellen

Bei protzmanns

«n einem schonen Maimorgen klopfte es an der
Thüre meines Hotelzimmers in Berlin und ein
märchenhaft gallonierter Diener überbrachte mir
die Visitenkarte meines neuen Bekannten, Herrn
v Protzmann. Eie war auf Goldblech graviert,
trug ein Brillant-Krönchen und lautete:

Johann Nepomuk Dogumit von proymann,

Besitzer sämmilicher Orden, der meisten Titel, eines
unglaublichen Vermögens, mehrerer Stadtviertel,
einiger Landgüter, diverser Villen :c. u.s w. u.s f.

Darunter stand geschrieben: „WIR würden
uns freuen, sie nächsten Samstag 5 Uhr bei UNS
zum Thee zu sehen, bitten aber, in einem neuen,
atlasgesütterten Frack zu erscheinen, den sie sich auf
UNSERE Kosten machen lassen wollen. U.A- w. g."

Als ich dem Diener meine Zusage gegeben hatte,
überreichte er mir einen Blankocheck Protzmanns
„für etwaige Auslagen", sprach seine Entrüstung
darüber aus, daß ich im dritten Stock wohnte, und
empfahl sich mit der Bemerkung, daß er jedenfalls
mehr Monatslohn hätte, als ich in einem Viertel-
jahr verdiente, Trinkgelder gar nicht gerechnet.

Am Morgen des betreffenden Samstags stand
ein prachtvolles Automobil mit dem Protzmann-
schen Wappen und der großen Ziffer XV an
meiner Hausthüre, und der Chauffeur, ein ehe-
maliger spanischer Generalstabsofsizier, erklärte,
mir für diesen Tag zur Verfügung zu stehen. Ich
ließ mich zu meinem Rasierer bringen und dabei
überfuhren wir einen Schutzmann, eine Dame von
der Heilsarmee und einen Reichstagsabgeordneten;
der Chauffeur beruhigte mich, als ich um Vor-
sicht bat, mit den Worten:

„Ich dachte, es würde Ihnen Spaß machen.
UebrigenS seien Sie unbesorgt: es wird Alles
bezahlt."

Al? die Theestunde da war, sausten wir der
Thiergartenstraße zu, ohne weiteres Unheil an-
zurichten. Blos den Rolandbrunnen und zwei
Gruppen der Siegesallee rannten wir über den
Haufen. Der Chauffeur rief dem Schutzmann,
der uns anhalten wollte, kurz zu: „Aufschreiben
für ProtzmannS !" und weiter ging's. Wir hielten
in der Thiergartenstraße vor einer fabelhaften Villa.
Ucber dem Portal war in großen Goldbuchstaben
zu lesen, was sie gekostet hatte.

Im Vestibül stand der berühmte Caruso und
sang mit seinem prachtvollen Tenor meinen Namen
als Seccorezitativ in die Halle herein. Für die
ganze Note bekam er 160 Mark, für die halbe 80,
für ein Viertel -10 u. s. w. Der Hausherr erschien,
bewillkommte mich aufs Herzlichste und führte mich

in sein Privatkabinet. Hier steckte er mir zunächst
mit den Worten: „Sie würden sich sonst bei uns
nackt Vorkommen," ein paar Brillantringe an die
Finger, ein paar Solitärs an die Hemdbrust und
einen serbischen Orden ins Knopfloch. Dann sagte
er freundlich:

„Gestatten Sie mir, ohne indiskret sein zu
wollen, eine Frage: Haben Sie Vermögen?"

„Ich bin ein deutscher Schriftsteller und habe
noch nie was für's Theater gemacht!"

„Also lein Vermögen! Nehmen Sie mir's
nicht übel: vermögenslose Leute verkehren nicht
bei uns. Ich erlaube mir daher, Ihnen in meinem
Geschäfte einen Betrag von 250,000 Mark gutzu-
schreiben. Sie werden sich dann bei uns freier
bewegen und wohlcr fühlen."

Tann zeigte er mir sein Haus, von dessen
Pracht sich auch der Zahlungsfähigste keinen Be-
griff macht. Dabei hatte er nicht d:e unangenehme
Art vieler Parvenüs, die von allen Dingen sagen
müssen, was sie ihnen gekostet haben. Das war
auch überflüssig, denn der Preis war in geschmack-
voller Weise auf jedem Gegenstand des Hauses
angebracht, eingraviert, eingelegt, geschrieben, ge-
malt u. s. w. Unter dem großen prachtvollen Bild
eines Choleraspitals in Holland, welches den
Speisesaal ziert, stand z. B.: „Max Liebermann
fecit, 75,000 Mark". Auch ein paar Manets
hatte er und andere sehr thcure Meister: „Circa
zwölfhundert Quadratmeter ganz seine Malerei
und an dreitausend Meterzentner Skulptur, da-
von fünfzig Prozent Antiken", wie er sich ans-
drückte. „Von Bredius lass' ich mir eben einen
neuen Rembrandt entdecken, wie der Hungerleider
Pierpont Morgan sicher keinen hat. Aber gehen
wir zur Gesellschaft!"

Er führte mich durch eine Flucht von Ge-
mächern, deren Luxus ich nicht beschreibe, um nicht
für einen Aufschneider zu gelten, in den Salon
seiner Frau. In einen ihrer Salons! Denn
Frau v. Protzmann hat für jede Stimmung einen
besonderen: einen aristokratisch-vornehm-kühl-ab-
weisenden in schwarzem Marmor und Mooreiche
von Bruno Paul; einen ästhetisch-feinsinnig-nervös-
empfindsamen in lichtblau-grauer Seide mit Rosen-
holzmöbeln von Bernhard Pankok; einen sinnen-
froh-dithyrambisch-bacchantisch-phantastischen, aus-
gemalt von Fritz Erler und wohl noch ein Dutzend
Andere. Heute empfing Frau v. Protzmann in
ihrem neckisch-naiv-muntern Sotiorranclo-Salou in
süßlila und Orange mit Apfelgrün, einem Meister-
werk von Julius Diez. Vor der Thüre des Salons
erhielt ich wie jeder Gast einen blauen Kneifer
Register
Adolf Münzer: Unsere Kolonien
Fritz Frh. v. Ostini: Bei Protzmanns
Karlchen: Lola-Lili
Carl Busse: Dreimal selig...
W. Müller-Hofmann: Zeichnung ohne Titel
 
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