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Feierabend

Du treuer schlichter Handwerksmann,

□ ein Abend ist gekommen:

Du freilich siehst ihn Schmerzlich an
Und sagst ihm nicht u/illkammEn.

Der Arbeit traurig ahgewandt
Hit scheu verborgner Zäflre
Legst du nur zögernd aus der Hand
Die riadel und die 5chere.

Das Licht, das manche tiefe Dacht
Am Werktisch durfte brennen,

Sein Leuchten will die dunkle Macht
Dir länger nicht vergönnen.

Und seiner aufgezwungnen Ruh
Mit bangem Blick ergehen,

Gebeugt und gramvoll sitzest du
Und übersinnst dein Leben.

Siehst an der Saale Heimatstrand
Das graue Dörfchen stehen,

Fühlst über Fluh und Hügelland
Die Wanderlüfte wehen.

Himmst in der alten Lindenstadt
Dein liebes dunkles Mädchen,

Das dich so schön gefangen hat,

Den Schneider an dem Fädchen.

Und weiter gehts durch Glück und Hot,
Dicht schwer an Gut und Habe;

Du schaffst für deine Kleinen Brot
Und trägst dein Weib zu Grabe.

Siehst deine Kinder weit hinaus
Um eigne Ziele wallen;

Hörst wieder hell ins stille Haus

□ er Enkel Sümmchen schallen.

Da wachst du auf aus deinem Traum.
War länger denn das Leben?

An seinen Quellen stehst du kaum
Und fühlst es schon entschweben.

Doch aber, Uater, halt ich dich
Bei deinen guten Händen;

So {reuevoll wie sie möcht ich
Einst auch mein Tagwerk enden.

Franz Langheinrich

K. H. Müller

Eigenartiger Jagdschein

Meine punde hatten soeben einen blasen auf-
getrieben, einen prächtigen Rammler. Zwischen
zwei Furchen in einem Runkelrübenfeld schoß er
in Hellem Galopp dahin. Ich nahm mir nur
gerade die Zeit zu zielen — piff, paff! und der
Pase fiel nach einem letzten Sprung.

Im selben Augenblick tauchte ein Riese von
Mann neben mir auf:

„Ah, da Hab' ich Sie, mein perr: Mit welchem
Recht jagen Sie hier?"

Ich sah ihn ganz bestürzt an.

„Verzeihung, bin ich denn nicht mehr auf den
Besitzungen des Barons Lionel?" erkundigte ich
mich.

von Map du Veuzit

„Ia," erklärte uns Gontran geheimnisvoll,
am Schluffe eines Diners, dem ausschließlich Nim-
rode beiwohnten, „seit zwei Iahren jage ich un-
entgeltlich auf hundert Hektar Land, die mir nicht
gehören .... ich weiß sogar nicht einmal den
Namen ihres Eigentümers."

Seit einer Meile liehen wir den fabelhaften
Erzählungen, die einander ablösten, nur ein zer-
streutes Mhr. Bei den letzen Morten Gontrans
jedoch wurden wir aufmerksamer.

„In: Sumpf vielleicht?" fragte einer von uns.

„Durchaus nicht, in der Ebene."

Und als wir ihn überrascht an sahen, fügte
er hinzu: „Das Merkwürdigste ist, daß dieser Iagd-
grund von einem Menschen bewacht wird, der im
Rufe steht, nicht gerade angenehm zu sein."

Mir erhoben im Chor dagegen Einspruch.

„Das ist unmöglich! Du willst uns etwas
weißmachen. Du hast eine Berechtigung, eine
Erlaubnis oder irgend etwas anderes, das Dir
Schutz gegen diesen Cerberus gewährt."

Er schüttelte den Kopf.

„Nein doch . . . Nichts von dem allen!"

„Unbegreiflich!"

Er lächelte unmerklich:

„Das macht Sie neugierig?"

„Meiner Treu!"

„Die Sache aber ist ganz einfach und für Sie
alle auch leicht zu erreichen, — das heißt unter
der Bedingung, daß der Zufall dabei mitspielt,
pören Sie! . . ."

Gontran hatte sich gesetzt. Geschmeichelt von
unserer Aufmerksamkeit, ließ er seine langen Fin-
ger durch seinen blonden Bart gleiten und begann:

„Also, hören Sie! Zwei Iahre sind es her,
da jagte ich mit der Erlaubnis des Baron von
Lionel in seinen Revieren. Er war damals in
den vereinigten Staaten.

Ich war eines Morgens allein mit meinen
beiden Kunden aufgebrochen.

Da ich nur ungenau die Grenzen der Be-
sitzungen meines Freundes kannte, überschritt ich
sie beträchtlich, ohne daß ich dessen gewahr wurde.

„I wo, zum Kuckuck, nein; da sind Sie nicht
mehrst brüllte der Mann, indem er schrecklich mit
den Augen rollte.

„In diesem Fall bitte ich sehr um Entschul-
digung; aber nicht wahr. Sie sind trotzdem so
freundlich, mich auf den richtigen Meg zu weisen,"
meinte ich höflich, denn in derartigen Angelegen-
heiten ist es immer besser, höflich zu sein.

Und indem ich sofort die pand in meiner
Tasche versenkte, um jeder weiteren Verhandlung
vorzubeugen, fügte ich hinzu:

„Ich nehme an, daß Sie diese geringfügige
Sache auf sich beruhen lassen werden: blasen sind
in diesem Iahre im Ueberfluß vorhanden! Da-
für werden Sie mir vielleicht das Vergnügen
machen, ein Zwanzigfrancsstück für Ihre Mühe
anzunehmen!"

Das Gesicht des Wächters erhellte sich alsbald.
Er zog das Geld dem Prozeß vor, den anzufangen
er das Recht gehabt hätte.

„Einverstanden," sagte er, und streckte die pand
aus. Ich suchte in meinem Portemonnaie nach
dem Goldstück, das ich darin vermutete; aber ich
fand nur einige Kupfermünzen.

Einzig ein blauer Lappen von fünfzig Francs
brüstete sich im mittelsten Fach. Das war viel,
aber ich durfte nicht zögern. . .

Ich reichte ihn dem guten Mann.

„Pier, ich habe kein kleines Geld, nehmen Sic
diesen Schein, Sie können mir den Rest heraus-
geben, wenn Sie mir wieder begegnen. .. Ich &,n
hier herum sehr oft auf Iagd."

Er ging entzückt davon.

Seit jenem Tage habe ich ihn nicht wieder-
gesehen. Dagegen streife ich auf den Ländereien
umher, deren püter er ist, und ich jage ruhig, mit
der Gewißheit, ungestraft zu bleiben. In der Tat.
sobald er mich von einer Seite bemerkt, hat er
Eile, sich auf der andern aus dem Staube zu machen.

Sie sehen, das ist die ganze Kunst! Gestehen
Sie: ich habe das Recht, auf hundert pektar Laue
jagen zu dürfen, wie man sie wildreicher sich nicht
denken kann, doch nicht zu teuer bezahlt!"

Deutsch von LUinor Gronau
Register
Karl Hermann Müller: Kopfleiste
Max du Veuzit: Eigenartiger Jagdschein
Franz Langheinrich: Feierabend
 
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