Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
iÖ08

-lagen

loßfahkk

Vom Heidelberger Schloß

Dns malerische Bild des Schlosses ist schon wieder
bedroht: Auf der „Hcrrreumühle" soll ein 45 Meter-
hoher Kamin errichtet werden, dessen duftige Rauch-
wolken dann bor dem Schloß aufsteigen würden.

Vom Heidelberger Schloß, dem schönen,
Dringt wieder ein verzweifelt Stöhnen,
weil neuer Vandalismus droht.

Wan will, die Luft dort zu verpesten,

Zu all den übrigen Gebresten
Erbauen einen Riesenschlot.

Der Schloßverein mit vollem Rechte
Ruft auf zu hitzigem Gefechte
Das ganze liebe Badnerland.

Zwar, ob Erfolg hat fein Bestreben?

Hm, hm — wir werden's ja erleben.

Ich zweifle dran noch vorderhand!

Doch wenn gemischt auch der Salat wird,
wenn auch die „Stänkerei" zur Tat wird,
Zch werde drum kein Anarchist.

Lin süßer Trost ist mir geblieben:

Daß an demSchlosse, meineLieben,
Rieht viel mehr zu verhunzen ist!

Rarlchen

»

Die vier Sittlichkeiten

Diese sinnreichen Damen, welche — ähnlich
wie die Parzen des Altertums, nur etwas weniger
poetisch, jedoch viel streitsüchtiger, sich mit dem
Leben der modernen Menschlein beschäftigen, —
diese vier Damen disputierten wieder einmal sehr
heftig, da sie wegen der Schicksale eines Münchener
Musensohnes in Unruhe gekommen waren.

„Hättet ihr ihn," sagtedie Religion (sie führte
gewissermassen den Ehrenvorsitz), „unentwegt in
die Kirche gehen lassen und vor den Lehren der
Modernisten bewahrt, so brauchten wir uns jetzt
nicht seinetwegen zu beunruhigen. Alles sittliche
Unheil kommt vom Denken und Unglauben."

„Ohne Dir, verehrte Schwester, zu nahe treten
zu wollen," sagte die Respublica, „muß ich
dabei bleiben, daß Ordnung und Ruhe des Bürgers
erste Pflichten sind. Auch Deine häufigen Auf-
lehnungen gegen das Plazet und sonstige Staats-
notwendigkeiten tragen nicht dazu bei, den Unter-
tanen Respekt vor den Organen der Staatsgewalt
einzuflößen."

„Dummes Zeug!" sagte die S o z i e t a s. „An
allem Unglück ist die Polizei schuld. Diese ewigen
Einmischungen und Reglementierungen machen
die Menschen verwirrt und aussätzig. Wie schön
würden sie sich vertragen, wenn man sie ruhig
gewähren lassen wollte. Gebet ihnen Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit, und ihr sollt einmal
sehen, wie schön es auf der Erde wird!"

„Verzeiht nur," sagte die Biologie, die
jüngste der vier Sittlichkeiten, „daß ich euch oppo-
niere. Aber ich kann mir nicht denken, daß es
ohne vernünftige Lebensweise und ohne Enthalt-
samkeit viel anständiger zugehen werde. Erst muß
doch jeder Einzelne irgend etwas für seine eigene
erbliche Entlastung tun. Der Alkohol mag ja zu
feuchtwarmen Umschlägen taugen, als Injektion
aber halte ich ihn für eine sehr schädliche Flüssigkeit."
„Du Streberin!" so schrien die drei anderen

ihr naseweises Schwesterlein an.-

Da krachte ein Schuß. Die vier Sittlichkeiten
stießen einen Schrei des Entsetzens aus und die
Münchener erhoben mit Recht ein gewaltiges Weh-
und Anklagen. Der Telegraph meldete es nach
allen Zentren der modernen Kultur und die Berliner
sprachen es offen aus: „Welche göttliche Fügung,
daß das nicht bei uns, sondern bei den gemütlichen
Münchnern passiert ist!"

Georg I)ir1b

Der neue plutarch

In Bayern ist bekanntlich Zentrum Trumpf!

„Mi wundert ey scho ba! gar nix mehr!"
meinte ein Liberaler zu einem Ge-
sin nungs gen offen.

„Und mi bloß oans: daß's net aa schwarz
schneit!"

*

Sachverständiger gegen Staatsanwalt

Zwei Riesen, zwei Halbgötter, zwei Olympier
standen einander gegenüber, als der Sachverständige
vr. Hirschfeld der Große sich erhob, um eine
Frage an Frau von Elbe zu richten. Da aber
geschah es, daß Isenbiel der Größere sich
erhob und mit einer Donnerstimme, die bis in
die hintersten Winkel des Saales Furcht und Ent-
setzen erregte, ankündigte, er werde nötigenfalls
über Or. Hirschfeld Mitteilungen machen, die diesem
unerwünscht seien. Darauf geschah etwas Fürchter-
liches. vr. Hirschfeld setzte sich, ohne zu fragen.

Unverständige Menschen haben den Oberstaats-
anwalt Isenbiel als Sieger gefeiert, vor dem
Dr. Hirschfeld die Waffen gestreckt habe. Nichts
ist verkehrter als diese Annahme. 1)r. Hirschfeld
hat nicht die Waffen vor seinem Gegner, sondern
diesen selbst in den Sand gestreckt. Und das ging
so zu. Man weiß, daß ein gesinnungstreuer
Sozialdemokrat sich eher vierteilen ließe, als daß
er bei einem Hoch auf einen Monarchen aufstünde.
Er bleibt sitzen, nicht als wenn er gerade am
Sitzen Freude hätte, — o nein 1 Jeder Sozial-
demokrat weiß genau, wie unangenehm es ist,
zu sitzen. Er will aber dadurch, daß er sich setzt,
seinem Gegner seine Verachtung ausdrücken. Diesem
Beispiel ist Dr. Hirschfeld gefolgt. Er hat sich
nur gesetzt, um dem Oberstaatsanwalt feine Ver-
achtung auszudrücken.

Aber der Dr. Hirschfeld hat seinem Gegner
noch schlimmeres Leid zugefügt; er hat ihm einen
Schimpf angetan, der nach seiner Ansicht die
größte und schlimmste Beleidigung enthält, die
einem Manne nachgesagt werden kann; er hat
in größerem Kreise frei und öffentlich erklärt,
er halte Herrn Isenbiel nicht für homo-
sexuell veranlagt! Und Herr Isenbiel hat
bisher nicht geklagt!

Nus einer öerichtsverhandlung der Lukunst

„Der Angeklagte, Schuster Ueberbein, bestreitet,
daß die voll ihm gelieferten Schuhe zu eng ge-
wesen seien. Vernehmen wir zunächst darüber
die dreißig geladenen medizinischen Sachverstän-
digen!"

Mister Sread

Den Frieden liebt der Mister Stead,

Er ist sein Ritter und sein Prophet,

Ihn möcht' er der ganzen Menschheit kredellzen. -
Von Konferenzen zu Konferenzen,

Halb ein Apostel und halb ein Barnum,

Zieht er mit seinem Marktschreier-.^'arr'n uur
Und macht Reklame sür diesen Artikel —

Doch immer ist Deutschland das Karnikel
Und ungezogene Sorgenkind!

Dies Deutschland, das er so zärtlich minnt
Und wo er „schuhgeplattelt" sogar
Mit Chiemseer Dirndeln im letzten Jahr!

Dies Deutschland, das nicht begreifen will,

Es habe zu kuschen, demütig und still
Als kleineres Staatswesen II. Klasse
Und Volk von untergeordneter Rasse!

Es bricht dem rührenden Philanthropen,
Pazifizisten und Menschlichkeits-Popen,

Mit seiner verdammten Schiffbauerei
Roch sein großmütiges Herz entzwei.

Soeben schreibt in der „Daily Mail“

Er sich seine Sorgen von der Seel':

Als treuer Eckart mit weisem Sprüche!

Warnt er den pflichtvergessenen Michel,

„Der seinen Schädel ohne Respekt
Dem britischen Leu'n in den Nachen steckt,"
Warnt aber auch seine Kompatrioten
Vor den germanischen Wasser-Zeloten —

Beträgt doch die Flotte der tückischen Rotte
Ein volles Viertel der englischen Flotte,
Womit sie nächstens, Gott sei's geklagt,

Den guten armen John Bull verjagt
Aus Amt und Würden des Weltmeerchefs —
Und “Rule Britanuia, rule the wavesl”,
Das ist nach der Meinung Mister Steads
Das kosmopolitische Grundgesetz!

Und wer der Beherrscherin der Meere
Mit seinen Plänen kommt in die Quere,

Der ist ein Tummkopf, total verdreht,

Und wert nur, daß er zu Grunde geht —

Und Mister Stead kann bedauern bloß
Das gottverlassne Rhinozeros!

Jetzt, Michel, weißt Du's: bist Du vernünftig,
So legst Du dem friedlichen Mister künftig
Rechtzeitig vor Deine Flottengesetze,

Daß er sein Plazet darunter setze —

Dieweil er leicht sonst in Wut gerät
Der Friedens-Jingo, der Mister'Stead!

Pips

*

Der Schwur des Schahs

Der Schah von Persien Mohammed Ali war,
von russischem Einfluß aufgestachelt, der Meinung,
der Konstitutionalismus sei ein schädliches Insekt
und müsse durch Pulver und Blei vernichtet werden;
zu diesem Zwecke hatte er sich schon eine größere
Menge Pulver (natürlich persisches Insektenpulver)
angeschafft. Die Russen reizten ihn zum Wider-
stande gegen Volk und Parlament. Aber auch
das Volk und das Parlament waren bereit, ihre
Interessen mit ihrem Blute zu verteidigen. Und
so schien es einen Augenblick, als ob die Truppen
des Schahs und diejenigen des Parlaments an-
einander geraten würden.

Aber es siegte, wie in Rußland, der Parla-
mentarismus. Der Schah unterwarf sich
ihm und leistete einen feierlichen Eid auf
die Verfassung. Indes ist jetzt ein neuer
Streit um die Norm des Eides entbrannt. Die
offizielle Presse berichtet, der Schah habe ge-
schworen: „Ich gelobe es und schwöre es, daß ich
die Verfassung beobachten will." Der größte Teil
der Zuhörer behauptet aber, der Schah habe ge-
schworen: „Ich gloobe es schwerlich, daß
ich die Verfassung beobachten will." Das
Volk verlangt deshalb stürmisch, der Schah solle
einen neuen Eid leisten; und dieser holt sich
wieder bei seinen russischen Freunden Rat. Endlich
hat man sich auf allen Seiten über eine neue
Eidesnorm geeinigt; der Schah soll schwören:
„Ich gelobe, daß ich alle Zeit die Ver-
fassung ebenso treu und ebenso gewissen-
haft halten und lieben werde, wie mein
Vetter und Bruder, der Zar aller Reussen."

Frido
Index
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Pips: Mister Stead
Monogrammist Frosch: Aus einer Gerichtsverhandlung der Zukunft
Georg Hirth: Die vier Sittlichkeiten
Frido: Der Schwur des Schahs
 
Annotationen