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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 13.1908, Band 1 (Nr. 1-27)

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Nr. 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.3880#0303
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Halte, was du hast

Weit durch die Heide, über Moor und Bruch
Zog ich dahin mit froher Wanderschnelle.

Da bannte mich ein alter Wappensprnch
An eines Dorfes stiller Grabkapelle:

Halte, was du hast.

Wer war's, der einst sich diesen Spruch ersann?
War cs ein Bauer, der mit heißem Plagen
Sich Scholl auf Scholle mühevoll gewann,

Um sterbend seinen Erben bang zu sagen:
Halte, was du hast.

War es ein Ritter, der des Kaufmanns Gut
Vom Stegreif sich mit blutgem Schwert

erzwungen?

War es ein wagemutig junges Blut,

Das sich sein Lieb errang und hell gesungen:
Halte, was du hast!

Und hielten sie's auch noch so fest umspannt,
Als ob die Sonne ihnen ewig schiene,

Der Stärkre kam und löste ihre Hand
Und sprach mit kalter, hohnerfüllter Miene:
Halte, was du hast.

Und setzten doch hier an des Todes Haus
Den Spruch voll Kraft und Trutz und

Lebensmute?

Ich steh und sinn — und schreite weiter aus
Und freundlich nickt der Heidezweig vom Hute:
Halte, was du hast.

I. Loewenbcrg

Ainderscham!

Es ist ein schöner, heißer Junisonntag,
die Rosen blühen in voller Pracht. Das
hat die Freundschaft aus der Stadt ge-
lockt, mit einem starken halben Dutzend
Kinder, keins über sieben Jahre oder acht.

Da die Rosen stark dürsten, gab ich ihnen
ein Brausebad. Plötzlich ruft eine Kleine:
„Jetzt ziehn wir uns aus und dann duscht
uns der Onkel!" Ein Jubelgeschrei —
und die Kleidchen, Höschen, Miederchen,
Hemdchen u. s. w. fliegen herunter und
wirbeln alle auf einen Haufen. Und los
geht ein lieblicher Tanz der Putten vor
dem Wasserstrahle — eine unendliche Lust!
Bewegt und gehoben sieht es der Kreis
der Alten, die über diesen Grad der Unschuld
und Schönheit hinaus sind. Aber wie
Alles hienieden ein End hat, so auch dieses
Spiel. „Genug!" heißt es und „Anziehn!"

Und nun gibt es ein nicht viel weniger
reizendes Getümmel um und über den
Kleiderhaufen; alles ist durcheinander wie
gemischte Karten. Nun hat da ein fünf-
jähriges Bübchen sein Hemdchen erwischt
und ist hineingeschlüpft, aber sein Höschen
kann er nicht kriegen, und wimmert nun
herum, halb zusammengeknickt: „Wo ist
mei Hos? wo ist mei Hos?" Die junge
Tante, die sich ein wenig um die Ordnung
bemüht, will ihn beschwichtigen: „Aber
Werner, wie tust Du auch?" „Aber ich
schäm mich so! ich schäm mich so! Mei
Hos — mei Hos!" „Was?" sagt sie
lachend, „Du schämst Dich? Vorhin bist
Du ja ganz nackig rumgehupft!"

„Ja, aber im Hemm — aber im
Hewm!" Emil Gött

Der Flirt

von Michel provins

Tag des Grand Prix in Longchamps — ^ ,
gewöhnliche Aussehen des großen Sporns
Junihtmmel, pastellblau, Frühlingsluft: iun^
Laub; auf dem Rasen Menschenmassen hjte
wogendes Aehrenfeld, dazwischen Damenhüte
Kornblumen. Die Tribünen überfüllt; Lurus
wohin man sieht; Ausstellung von allen ~ '

artikeln, wahre oder Talmivermögen machen ft»
breit: Liebe wird gesucht und gefunden, Interessen
markt: um all' das seidenwogende Stoffe, bunt
Sonnenschirme. An der Wage die gewöhnlichen
kleinen Komödien und das Geschwätz der HabitM
die zwar verschiedene Personen, aber alle etnand»
aufs Haar gleichen. Zum Schluß dann auch
die Pferde. w ^

Zufällig begegnen sich Laversine und Lysane
Händeschütteln. „Wie geht es Ihnen?"
Ihnen?" Und dann sofort die Hauptsache:"

Laversine: Auf welches Pferd wetten Sie?

Lysane: Ich, auf keius, ich wette nie!
Die Pferderenueu sind mir zuwider!

Laversine: Nun und?

Lysane: Nun und - ich komme trotzdem
weil diese Art Veranstaltungen vorzügliche @e’
legenheiten bietet, die Eitelkeit und Dummheit
unserer Zeit zu studieren. Mich ekelt unsere
Zeit an und trotzdem interessiert sie mich. Und
dann sind noch die Frauen da!...

Laversine: Genußmensch!

Lysane: Im Gegenteil, nur Liebhaber.
Einer der letzten Liebhaber der reizvollen Weib-
lichkeit, der geistreichen Coquetterie, der tadel-
losen Vornehmheit, die mehr und mehr mit
den Gebräuchen unserer Zeit schwindet. Ich
liebe das Weib, wie man's früher liebte. Ich
bin überhaupt für früher, trotz meiner fünf-
unddreißig Jahre. Ja, ja, ich liebe die Frau
wie die alten Franzosen, meine Ahnen; es ist
ein zu großes Vergnügen, mit ihnen zusammen
zu sein, ihr Leben mitzuleben, sie kennen zu
lernen, ein ganz besonders feiner Genuß, Ideen,
Worte, Aeußerungen zarter Empfindung mit
ihr auszutauschen; das ist ja schon eine Lieb-
kosung; wird doch ein Lüftchen, das über Blumen
dahinstreicht, ein Parfüm!

Laversine (lachend): Sie sind hundert Jahn
zu spät geboren.

Lysane: Vielleicht noch mehr-

Laversine: Und finden Sie Frauen, die
diese Auffassung teilen?

Lysane: Ich suche sie.

Laversine: Ach! Ausgezeichnet! Wcn
grüßen Sie da?

Lysane: Frau Montarlin. Kennen Sie
sie nicht?

Laversine: Nur dem Namen nach. Sehr
nett übrigens und gut angezogen.

Lysane: Entzückend!

Laversine: Ist es die Frau vom Besitzer
der Raffinerie?

Lysane: Ja, eine geborene Nobertyl, aus
der großen Goldschmieddynastie Nobertyl «Co,
klotzig reich. Sie besitzt im Departement 8sme-
st-Oiss Schloß Noinvilliers, einen alten Edel-
sitz; sie haben es feenhaft ausgebaut, die bürger-
liche industrielle Aristokratie ist eben der ander»
gefolgt- r -

Laversine: Die Andern hatten mehr Rare.

Lysane: Und die jetzige mehr Appetit
Wcggehn) Ich verlasse Sie jetzt, lieber
Freund.

E. Handel (London)

Laversine: Um Frau Montarlin nachzm
gehen? ... Ist sie ein hübsches Studienobiekt.

Lysane (lachend); Ich sage nicht nein. M .
lich nähert sich Lysane Huguette Montarlin,
eifrigst die Nummern studiert.)

Lysane: Drehen Sie sich nicht um, ruhrei
Sie sich nicht!.. Raten Sie, wen ich hier Wr

Huguette: Beinahe! Vorwärts, einen nett
Gedanken!

Lysane: Nun: Wenn man so schöne Aug
hat, muß man sie nicht dazu mißbrauchen,
Nennprogramm nachzusehen.
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