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Notschrei eittes Junggesellen

Von allen Seiten züchtigt man mit Nuten
Den Junggesellenstand! Es ist gemein!

Wer mietet ab den Wittibs ihre Buden, f
Wenn die Pension 31t schäbig und zu klein?

Wer steckt des Wanzenstiches schmerzlich Bluten,
Den schlechtgewichsten Schuh geduldig ein?

Wer ist der Held, der nie nach Rache dürstet,
Wenn morgens seine Kleider kaum gebürstet?

Wer tilgt des Wirtshaus-Fraßes schlimmste Knödel,
Aus denen Bauch- und Magenkneifen sprießt?
Wer ist's, der lammgeduldig, treu und edel,
Halbgargekochtes, zähes Fleilch genießt?

Der Junggeselle ist's, auf dessen Schädel
Sich alle Unbill dieser Welt ergießt.

Nun drohten gar uns neue Stenerpläne!

War's auch nur Scherz, mir klapperten die Zähne!

Das wäre schändlich, grausam, ungeheuer,
Unsittlich, inhuman und ungerecht!

Brauchst Du, 0 Sydow, Mammon, so bestcner'
Der Ehemänner trauriges Geschlecht.

Wem seine Freiheit war so wenig teuer,

Daß er erniedrigt sich zum Eheknecht,_

Der hat kein Recht, um Mitleid anznsprechen I
Ihm rücke auf den Pelz! Der Kerl soll blechen!

Karlchcn

Eine Alleiisteirier Tragödie

Der wegen Majestätsbeleidigung zu 15 Monaten
Gefängnis verurteilte sozialdemokratische Redakteur
Marckwald, der seine Strafe in: Gefängnis zu
Allenstein verbüßt, wurde dort mit Stricken vor:
Netzen beschäftigt.

Die Nörglerpresse erhob deswegen ein fürchter-
liches Geschrei und fand eine solche Beschäftigung
unangemessen. Ja, mein Gott, sollte die Gefängnis-
verwaltung in Allenstein den p. Marckwald vielleicht
mit Majestätsbeleidigungen beschäftigen? Der 8 16
des Strafgesetzbuchs schreibt vor, daß die zu Ge-
fängnisstrafe Verurteilten in einer ihren Verhält-
nissen und Fähigkeiten entsprechenden Weise be-
schäftigt werden können.. Die Gefängnisverwaltung
wollte den p. Marckwald gern in einer seinen
Verhältnissen entsprechenden Weise beschäftigen;
aber Marckwald vereitelte dies selbst dadurch, daß
er sich weigerte, die Namen seiner Verhältnisse
anzugeben. Da Filetarbeiten bei allen Damen
beliebt sind, so ließ man den Jnkulpaten Netze
stricken. Seinen Fähigkeiten würde das Streiken
am besten entsprochen haben. Da aber das Streiken
sich mit der Gefängnisordnung nicht verträgt, so
wählte man eine verwandte Beschäftigung, das
Stricken.

Das liegt auch in Marckwalds eigenstem In-
teresse. Sozialdemokratische Redakteure verstricken
sich nämlich leicht in den Netzen des Strafgesetz-
buches; wenn sie die Netze selbst gemacht haben
und daher gründlich kennen, so wird ihnen das
nicht mehr so leicht begegnen. Mit größerer Rück-
sicht ist wohl noch nie ein Gefängnisinsasse vom
Staatsanwalt behandelt worden: selbst der Ober-
staatsanwalt Jsenbiel hat Harden nicht höflicher
und besser behandelt! Der Justizminister hat denn
auch den: Staatsanwalt schleunigst die Sammet-
handschuhe ausgewogen und ihn angewiesen, den
p. Marckwald strenger anzufassen und —
anders zu beschäftigen!

Das Mauseschwänzchen und der
geriebene Fuchs

Eine Vollblutindianerin, die mit dem Erwählten
ihres Herzens durch einen Missionar getraut wor-
den war, verlangt jetzt von dem Gericht in Van-
couver die Scheidung. Sie ist Emma getauft
und hieß.auf indianisch Mause sch wänzchen.
Ihr Mann, der geriebene Fuchs, wie ihn
seine Stammesgenossen nannten, wandelte noch
ganz in den Spuren seiner Vorfahren. Diese
batten einst ihren Feinden den Skalp über die
Ohren gezogen; auch Emmas Mann, der Blau-
füchse und Ottern fing und ihre Pelze verkaufte,
zog seinen Käufern hierbei das Fell über die Ohren.

Während in der Ehe des jungen Paares zuerst
der wohlriechende Rauch der Friedenspfeife ge-
dampft hatte, zerschmetterte bald der mörderische
Tomahawk der Zwietracht die Pfeife des Friedens,
und Mauseschwänzchen verlangte von dem Gericht
der Blaßgesichter die Scheidung vom geriebenen
Fuchs. Der Grund war der: Sie war vorn
Stamme der Bellabellas und er vom feindlichen
Stamme der Kimsquits. Das Gericht aber wies
die Scheidungsklage ab; wie der Fall Montecchi-
Capuletti beweise, müßten christliche Eheleute sich
um so inniger lieben, je verfeindeter ihre Stämme
wären; und wenn jede christliche Ehe geschieden
werden sollte, weil der Mann und seine Schwieger-
mutter aut verschiedenen Parteien stehen, so gäbe
es bald keine Ehen mehr.

Emma, das Mauseschwänzchen, aber ging voll
Bewunderung vor den Sitten der Blaßgesichter
vom Gericht herunter und murmelte: „Seht, wir
Wilden sind doch schlechtre Menschen!"

Der Sieger

wahrmund ist Sieger, schallt's in Mesterreich.
Dies zeigte sich nach dem Konflikte gleich,

Indem er nämlich einen Urlaub kriegte.

Man sieht daraus, wie glänzend Wahrmund siegte.
Und immer weiter siegteil seine Thesen.

Der Sieger durfte Kirchenrecht nicht lesen.
Triumph! Triumph! Ihm blieb sein Seminar!
Er siegte weiter. Auf ein halbes Jahr
Halpn man auch dieses ihm. Das ist der Krieg!
So siegte er sich durch von Sieg zu Sieg!

Den höchsten Lorbeer doch erfocht er jetzt:

Hurra, Hurra, er ward nach Prag versetzt!
Berauscht von: Siege jauchzt er: Ihr Rektoren,
Lin solcher Sieg noch und ich bin

verloren!
* Frido

Aus dem lyrischen

(lagebuch des Leutnants v. verlewltz:

Nonsens!

Presse — wohl Folge von Sonnenstich —
Neuerdings Nachricht vertrieben:

Majestät hätte im Album sich
„M u tu a 11 st" unterschrieben.

Dickeren Konsens hat Lügenpapier
Sicher noch nie verbreitet!
wette, jeht Majestät janz wie mir:
weiß nich mal, was bedeutet!

Für Kaiser, Rönig und Vaterland

Wolfs Depeschenbureau verkündete jüngst der Mt
Welt die erschütternde Nachricht, daß beim deutsck
Kegler-Bundes-Tag der Präsident den erste» Schm
„für Kaiser, König und Vaterland" getm,,

^ Sieb Vaterland, magst ruhig sein,

Für dich steh'n alle Mackern ein —
llnd nicht allein beim Militär,

Nein, beim Zivil nicht weniger!

Man sieht, so oft sich Anlaß gibt,

Dies in der „Woche" autotypt
llnd Wolfens Telegrammbüro
Erzählt's dem deutschen Pnblieo!

Tagt irgendwo ein Kegelklub,

So tut den allerersten Schub
Der Präsident mit starker Hand
Für Kaiser, König und Vaterland -
Und wie er alle Neune schiebt,

Wird in der „Woche" autotypt
llnd Wolfens Telegrammbüro
Erzählt's dem deutschen Publico!

Die erste Pfeife Varinas
Im Raucherklub Fidelitas,

Der Fürstand setzt sie treu in Brand
Für Kaiser, König und Vaterland —
Wie seine Pfeife Funken stiebt,

Wird in der „Woche" autotypt
llnd Wolfens Telegrammbüro
Erzählt's dem deutschen Pnblieo!

Beim Turnfest im beflaggten Raum,

Da schlägt den ersten Purzelbaunr
Der Obmann von dem Gauverband
Für Kaiser, König und Vaterland -
Und wie der Held sein Kunststück übt,

Wird in der „Woche" autotypt
Und Wolfens Telegrammbüro
Erzählt's dem deutschen Publieo!

Das erste Loch ins Scheibenrnnd
Beim Zimmer stutz enschützenbund,

Der Schützenmeister schießt's am Stand
Für Kaiser, König und Vaterland -■
Und wie der Tapfre Feuer gibt,

Wird in der „Woche" autotypt
llnd Wolfens Telegrammbüro
Erzählt's dem deutschen Publieo!

Ist wo ein Pferdefleischdiner,

So speist das erste Pfund Filet
Der Präsident im Festgewand
Für Kaiser, König und Vaterland -
Und wie er dann sich übergibt,

Wird in der „Woche" autotypt
Und Wolfen's Telegrammbüro
Erzählt's dem deutschen Publieo!

Ist irgeudwo ein Schnupf er tag,

So schnupft das erste Lot Tabak

Der Oberschnupfer elegant

Für Kaiser, König und Baterlanv -

Und wie er's in die Nase schiebt,

Wird in der „Woche" autotypt
Und Wolfens Telegrammbüro
Erzählt's dem deutschen Publieo!

Wo je ein Deutscher tagt und sitzt
Und trinkt und ißt find schwatzt und schwitzt,
Sind Nase, Ohren, Mund und Hand
Bereit für Fürst und Vaterland.

Er schwört's mit roterglühtem Haupt
Begeistert, bis er's selber glaubt —

Hurra! llnd nur nichts draus gemacht,
Wird man vom Ausland ausgelacht!

Hanns

A. Schmidhammer

frauendarih

Ern guter Witz findet — Gott sei Dank I — immer noch sein Publikum: Die scherzhafte Ankündigung einer Junggesellensteuer hat, wie wir Horen,
bei allen „noch zu Vergebenden" eine solche Begeisterung erweckt, daß dem Nasser überall, wo er erscheint, die Pferde ausgespannt werden!
Index
[nicht signierter Beitrag]: Das Mauseschwänzchen und der geriebene Fuchs
[nicht signierter Beitrag]: Eine Allensteiner Tragödie
Hanns (Hans): Für Kaiser, König und Vaterland
Arpad Schmidhammer: Frauendank
Karlchen: Notschrei eines Junggesellen
Frido: Der Sieger
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: Nonsens
 
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