Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 13.1908, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 28
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3879#0032
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Gar farbenfreudig lacht uns hier im Rund all'
Der Freskenschmuck, gemalt mit Casein,

Von Diez und Erler Fritz und Becker-Gundahl
Und Herterich! Aus Flieder und Jasmin
Im grünen Parke leuchten Marmorgruppen,
Indes der Springbrunn kühl-melodisch rauscht —
Und wonnig sitzt man Abends hier und lauscht
Den Blechmusikkapelle» deutscher Truppen!

Gleich links vom schönen Eingangstor

betritt man —

Schon die Fassade fesselt uns enorm! —

Das Kunfttheater, welches uns Max Littmann
Erbaut zu Zwecken szenischer Reform.

Hier bricht man mit dem Schlendrian der Bretter,
Vereinfacht wird der Bühne Bau und Schmuck
Und Goethe, Shakespeare, Ruederer und Gluck,
Sie wirken stärker, plastischer und netter!

Und in den Hallen diese Augenweide!

Im Aufstieg sieht man Münchens Industrie,
Vom Dampfroß bis zum Herrenschlips von Seide
Ist Alles hier zur Schau gestellt — und wie!
Ein jeder Raum trägt künstlerischen Stempel,
Bald imposant, bald neckisch und kokett —

Wie hübsch z. B., gelb, grün, violett,

Mit Münzers Bildern ist der Modentempel!

Es wimmelt förmlich hier von Musterzimmern
Für jeden Gusto, jedes Portemonnaie,

Die hochpolierten Edelhölzer schimmern,

Zur Siesta lädt das schöne Kanapee.

Selbst eilw Kirche sieht man mit Terrassen
Und einen Friedhof, stimmungsvoll und still,
Darin sich Jeder, der hier nörgeln will,

Auf meine Kosten kann begraben lassen!

Und schließlich lenken die Betrachtungsmüden —
Denn solche Massenschau erschöpft uns arg! —
Durch's Gartengrün die Schritte nach dem Süden
Zum Volksbelustignngsvergnügungspark;

Wo Kasperlbühne, Schattenspiel ergötzen,

Wo man im Rodel berghoch niederrutscht,

Der Bürger am geliebten Maßkrug lutscht
Und Beduinen ihre Klepper hetzen!

Halt ein, mein Lied! Ich halte Dich im Zügel,
Sonst füllst Du noch der Nummer ganzen Raum,
Ja, was man sieht auf dem Theresienhügel
Erschöpftest Du in einem Jahrgang kaum!

Geht selber hin und staunt, verehrte Leser,

Und seht Euch an der bunten Schönheit satt —
Und seid Jhr's, leert aufs Wohl

der Münchner Stadt
Und ihrer wackern Künstler Eure Gläser!

Biedermeier mit «i

„Mas ihr wollt:"

Im Künstlertheater

3a, die ächönhell Ift hier.

Gin paar stechen hinter mir sitzt Ne, in stolzer,
königlicher Haltung, uncl im malten Licht äer
Deckenlüster strahlt ihr reiches, gescheiteltes
haar, wie ein stranz von Liolck llncl wir find

ihr Hofstaat, wir andern.-Linen kurzen

Augenblick noch schaue ich <tas Bild; dann
erlöschen die Lichter, und der Vorhang teilt sich.

Mit plastischer Sebärde schreitet das öhake-
spearsche 5piel durch den eindrucksvoll schlichten
stahmen: — 5eht da, so ist das Leben: eine
kunterbunte Fastnacht am Ztrande des endlos
blauen Meeres unserer Alulion. — — Und sagt,
ist nicht jeder von uns ein bihchen Malvolio,
der närrische Hofmeister irgendeiner Lhimäre?

-gibt sich nicht jeder als Zwillings-

bruder dessen, der er wirklich ist? —— Lieben
wir nicht oftmals den Linen, — und meinen

eigentlich den Andern?-Und wir wollen's

nicht anders.

hinter mir im Dunkel weih ich die hehre,
die herrliche Unbekannte; und jedesmal, wenn
der Vorhang sich lchlieht und die Lichter auf-
flammen, feheich dasgoldhaardiadem erstrahlen:
stönigin des Lebens in diesem Tempel der stunst.

Dun ist das Spiel zu Ende. Uor mir breitet
sich, taghell von strahlenden Dogenlampen, der
stilvolle Platz. Der Zchwarm der Theaterbesucher
rauscht vorbei, fremdländische Laute schwirren
zwischendurch. )ch fühle: hier brechen stch des
modernen Lebens starke Aogengänge; hier
liegt, zwischen Nord und 5üd, von allen Winden
der Hoffnung frisch überweht, eine kleine neue
Welt voll ringenden 'Werdens, — mir irren-
dem fahrer auf blauer Traumklut ein gastlicher
PhäaKenstrand!

Und da ist auch „sie" — meine Daufikaa.
Schreitet die breite Treppe hinunter, feltsam
schön, wie ein nordisches Märchen, in die
blaue Sommernacht hinein. — —

Nun werd' ich von ihr träumen, — — —
und selber, in diesem Traum der Sehnsucht,
jenem romantischen Kapitän gleichen, der in
blauen Augen das Rätfel der Meere trägt,
und in sturmgestählter Seele den heldischen
Rinderglauben, — und nun auf zielloser Suche
nach dem Märchenglück verschlagen ward in
dies Schlaraffenland. — — —

Die bunten Ampeln dort locken unter die
grünen Däume. Zm Rokokowandelgang lachen
Dämchen von Porzellan mich aus: Prinz, wo
hast Du Deine Prinzeß? — — — — Da

J. Kugler [MünchEn]

mühten auf samtenem Rasen kleine Marquisen
in bauschigen, geblümten Seidenröckchen sitzen,
mit gepudertem haar und kirschroten Lippen,

— und zu ihren atlasbeschuhten fühchen geist-
voll plaudernde Abbes, wie Deichtväter ver-
traulich. — — —

Und horch! —-Musik — — —

irgend woher,-der Befühle bunter

fastnachtsreigen, in lockenden flatterklängen
durch die duftig blaue Sommernacht geweht,

— — Mhe wiegende „valse bleue"!

Rene PrcSvöt

Im Erler-Pavillon

Hier lab uns klaren gnldnen Rheinwein

trinken;

Wie sonnig warm umschimmert dich

die wand,

Und Lichtjuwelen, die vom Blase blinken,
Uerzieren bräutlich deine Mädchenhand.

Bestalten glänzen freundlich auf uns nieder,
So tief umblüht, wie deine Bugen sind.
Hell bebt das Spiel der schönbewegten

Blieder

Durch Blut und Blumen, Wellen, Luft

und U/ind.

Der frohe Chorus nackter Bötterbuhen,
Der von der Wölbung jubelnd sgmphoniert,
Bläst noch einmal so voll die goldnen Tuben,
Wenn sich dein Blick zu ihm hinauf verliert.

Und die beherrschend steigt aus Meer

und Flammen

Und aus des Himmels schönsten Melodein,
Die Liebe sitzt mit uns am Tisch beisammen
Und schenkt uns gütig in die Bläser ein.

Franz Langheinrich

Ein Wiedersehen

Port Rarl Ettlinger

Sch saß auf der Terrasse der Ausstellungs-Haupt-
restauration und schaute über die Menge der
promenierenden Damen und Herren hinweg dem
Spiel der Fontäne zu. Durch das Stimmengewirr
drang deutlich ihr keckes Plätschern zu mir herauf,
als wollte sie mich heimlich in den lieblichen park
locken, dessen Eingang sie bewacht. Am wolken-
leeren Fimmel gingen die ersten Sterne auf, und
als sei dies das Kommando gewesen, blitzten am
Rande des Parkes die farbigen elektrischen Glüh-
birnen auf. Ihr Schein blendete mich, und ich
wandte den Blick den plaudernden Spaziergängern
zu. Scheltet mich einen überkultivierten Narren,
aber ich muß gestehen, daß ich mich nirgends
so wohl fühle als im Strudel elegant gekleideter
Menschen. Ich ziehe die Heiterkeit der Lustigkeit
vor und ich liebe deshalb die Leichtigkeit und
sichere Anmut, die nur in der Sphäre sorgloser
Wohlhabenheit gedeihen kann. Ich erfreute mich
an den hübschen Kostümen der Damen; ist doch
die Sorgfalt, die eine Frau auf ihre Kleidung
verwendet, nichts anderes als die Liebe zur Schön-
heit des eigenen Körpers. Und die größte Tugend
einer Frau ist nun einmal schön zu sein.

Da streiften meine Augen eine hagere, dustere
Gestalt, die sich gemeffenen Schrittes mitten unter
der Menge bewegte. Ein Mann mit glattrasiertem
Gesicht, hämisch zusammengekniffenen Lippen und
kalten, strengen Augen. Er trug einen langen
Register
René Prévot: Was ihr wollt
Franz Langheinrich: Im Erler-Pavillon
Josef Kugler: Zeichnung ohne Titel
Karl Ettlinger: Ein Wiedersehen
 
Annotationen