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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 14.1909, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 10
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Nr. 10

JUGEND

1909

Die Rosine mit dein Bett

Lin wahres, nachdenkliches und absolut moralisches
Geschichtchen.

Unsere Rosine war ein ganz wackeres Dienst-
mädchen, nicht übermäßig Klug, aber auch nicht
abnorm dumm, fleißig und ehrlich — wir Kamen
recht gut mir ihr ans und ihr behagte es an-
scheinend nicht schlecht bei uns.

Deshalb überraschte es uns nicht wenig, als
sie eines Tages den Dienst Kündigte.

Warum?

Sie wollte heiraten.

Wen?

Einen Ausgeher! Wir wußten von ihm. Er
war ein Bursche ohne einen Groschen Geld,
aber mit einiger Großmannsucht begabt — es
war unsere Pflicht, dem Mädchen von der un-
sinnigen Verbindung abzuraten, die ihr doch nur
Not und Elend gewährleistete. Eigentlich sah
sie das auch ein, aber sie bestand trotzdem aus
ihren Heiratsabsichten mit zähem Eigensinn. Als
ich darauf drang, den Grund zu erfahren, wes-
halb sie denn einen Menschen, aus dem sie sich
im Grunde nicht einmal etwas machte, partout
heiraten wolle, erklärte sie, sie habe schon für
die Aussteuer Etwas angeschafft und wolle diese
Sache nicht länger bei fremden Leuten „herum-
fahren" lassen.

Was denn das für ein Prachtstück sei?

„Eine Bettstatt," lispelte sie errötend.

Sie hatte durch einen Gelegenheitskauf eine
wunderschöne zweischläferigc Bettstelle billig be-
kommen. Und es war nichts zu machen. Sie
wäre gerne geblieben, aber die Bettstatt trieb
sie in die Ehe und vier Wochen später hatten
wir statt der Rosine eine Auguste. Und dann
eine Käthe. Und eine Marie. Und eine Minna.
Und so weiter!-

* -i- *

lieber Jahr und Tag fuhr ich einmal in der
Münchener Straßenbahn, und mir gegenüber
saß ein mit etwas schäbiger Eleganz aufge-
donnertes Frauenzimmer, das mich
verlegen angrinste und eigentümlich
ausgeregt auf der Bank hin und her-
rutschte, wie Jemand, der irgendwas
unternehmen will und traut sich nicht.

Schließlich fragte ich sie nach
ehren Wünschen.

„Kennen Sie mich denn nicht
mehr?"

Ich bedauerte.

„Ich bin doch die Rosine!"

„Welche Rosine?" Ich hatte
das gutmütige Dutzendgesicht längst
vergessen.

„Na, Sie wissen doch — die
Rosine mit dem Bett!" sagt
mein Gegenüber und unter Lachen
besann ich mich.

Sic erzählte, daß es ihr aus-
gezeichnet gehe. Ihr Mann, der
früher bei einem Kunsthändler im
Dienst gestanden, hatte sich jetzt
mit Hilfe einer kleinen Erbschaft
Rosinens eine — Kunsthandlung
eingerichtet. Und der Himmel hing
voller Geigen!

Ein halb Dutzend Jährchen war
ins Land gegangen. Wir saßen
eines Nachmittags aus der Münch-

ner Theresienwiese beim Oktoberfest und tranken
Märzenbier, belästigt von dem üblichen Fliegen-
schwarm von Hausierern.

Eine Frau in ziemlich abgerissener Kleidung,
einen Stecken mit Salzbretzeln in der Hand,
ließ sich nicht abweisen, wie die anderen, nannte
mich plötzlich beim Namen und bettelte:

„Aber S i c werden mir doch was abkaufen?"
„Woher kennen Sie mich denn?" Ich konnte
mich absolut nicht erinnern, der Dame jemals
vorgestellt worden zu sein.

„Aber ich bitt' Sie — ich bin ja die Rosine
— die Rosine mit dem Bett!"

Sie war immer noch stolz auf dies Möbelstück!

A. Gncsc

3m Eiebespark

Aus der tiefsten Munkelecke
Blütenweißer Fliederhecke,

Leicht bemoost und wetterbrann.

Grinst ein alter Marmorfaun.

Weiß von feinen Herrn und Damen,
Von Prinzessen schlank und zart,

Die auf mitternächt'ger Wallfahrt
Heimlich hier vorüberkamen.

Und wenn just so weiß der Flieder
Und so duftig war wie heute,

Wurden alle seine Beute —

Leise Mandolinenlieder
Klangen ferne wohl dazu —

Was sie sangen, sag mir's Du!

Spürst es ja so innig trunken,

Trägst es auf den Lippen rot,

Wie so ganz in dich versunken
Meine junge Sehnsucht loht. —

Horch, im alten Park erwacht
Sind die toten Liebesweisen,

Streicheln zaubersüß und sacht
Wie mit weißen fieberheißen
Händchen durch die Mitternacht

Hern! I'revot

Oer Raubscbütz von der Trxenklamm

von Georg Gucri

Der Gagger Franzl, der ist ein ganz wüschter
Jäger. Der furcht' sich nit Sünden und scheut den
Teufel nit und frißt die Leut schier auf dem Kraut,
auf die er einen Zorn hat. Wilderer hat er schon
haufenweis zusammengschoffen, der Gagger Franz!.

Da hat er immer eine Prügelfreud, wann er
so ein' Lumpen über den Haufen gepelzt hat; und
das erzählt er auch gern — aber nur in der
Försterei: wie der petschauer Inas so einen Sprung
gemacht hat am Grat von der Großen wendt,
daß man schier gemeint hat, er will noch einmal
schuhplatteln, ein allerletztes Mal. Und sein fjütl
ist hochaufgeflogen, akkurat wie beim Schuhplatteln!

Und wie der rote Tiroler vom Ammenderhof
so wüscht geschrieen hat; war aber nur in der
Hüften getroffen bei dem hundsmiserabligen Licht
in der Mondnacht, das schon gleich der Teufel
holen soll, Hätt ihm gar nit so viel ausgmacht,
dem roten Tiroler, der Hüftenschuß; aber warum
laßt er sich da droben auf der Hegginger Halt an-
schießen anstatt herunten, wo er nicht die schiechen
vierzig Meter tief gefallen wär und hätt sich nicht
seinen saudummen roten Schädel einghaut?

Und wie der krumme Maurer von der Illingsau
an der Pöttinger wand hat hinaufkrareln wolln
wie ein Laubfrosch und sind ihm auf einmal die
Rehposten auf den Sitzteil, daß sein Kreuz kaput
war wie ein Zündhölzl. Dagelegen ist er wie
ein Frosch, der krumme Maurer von der Illingsau.

Aber der von vorgestern, der stangenlange Kerl,
der unverschämterweis an der Irxenklamm ge-
pürscht Hatz der hat's schnell aufgegeben, das
wildern. Man hat's ordentlich krachen hören, wie
ihm die Kugel das Stirnbein durchschlagen hat.

»Ist schad," sagte der Gagger Franzl, „daß ich
ihn nit kennen tu. Ich derschieß nit gern einen,
den wo ich nit kenn. Ich muß ihn doch noch
eitimal anschaun, den Kerl."

Der Gagger Franzl nimmt sein Gewehr und
geht in die Irxenklamm. Der schwarze Maurus
begleitet ihn.

„warum mußt ihn den akkurat noch einmal
sehn?" fragt der schwarze Maurus unterwegs.

„lfm. Ja weißt-" es paßt ihm nicht

recht dem Gagger Franzl, diese dumme Fragerei.

„Sag, Franzl!" drängt der Maurus.

„wannst es schon wissen mußt,"
sagt der Franzl, „dann darfst es
uach ganz gewiß niemand weiter-
sagen. weißt, der Kerl hat halt
gar soviel schöne Schuh angehabt.
Und ganz neue waren's auch noch."

Heut hat er sie schon angezoge»,
der Gagger Franzl. Ist schon wahr,
es sind recht schöne Schuh.

Liebe Jugend!

Die achtjährige Liddy, ein ai
nehmend liebes herziges Kind,
von ihrer Mama, die modernen st
Ziehungsansichten huldigt, darül
aufgeklärt worden, daß nicht et,
der Storch es gewesen ist, der d
kleine Brüderchen gebracht hat, so
dern ... na ja! . ..

Das Brüderchen wäre ja sow
ganz nett, — aber etwas gro
Nasenlöcher hat es. Da sagt Lid!
die jeder Erscheinung gerne auf d
Grund geht und schon eine ga>
weile philosophierend in den A
blick des neuen Problems versank
war: „Mama, — glaubst Du nid
daß er vielleicht gedacht hat,
sieht ihn ja doch keiner, da wo
war, . . . und daß er sich heim!
vielleicht ein bißchen in der N>
gebohrt hat? ... Sag! ..."

216
Register
Julius Diez: Zeichnung ohne Titel
A. Gnese: Die Rosine mit dem Bett
René Prévot: Im Liebespark
Georg Queri: Der Raubschütz von der Irxenklamm
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
 
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