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Im keimenden Mai
Die Jugend tanzte, die Fiedeln erklangen,
Die Burschen jauchzten, die Mädel sangen,
Die Alten aber saßen allein
Und tranken im Mondschein den jungen Wein,
Erzählten einander aus alten Tagen
Langatmige Märchen, kurzweilige Sagen:
Wie sie am Kelche des Lebens gesogen
Und auf den Flügeln der Hoffnung geflogen,
Wie sie Liebe gefühlt und Liebe gelogen
Im keimenden Mai.
Dann aber schwiegen sie still und tranken,
Und jeder horchte den eignen Gedanken,
Erzählte sich selbst mit scheuem Vergnügen
Das Schönste — was er den andern
verschwiegen.
Die Geigen verstummten; da kamen
gesprungen
Lachend und schäkernd die Mädel und Jungen
Mit lautem Gelärm in bunten Reih'n
Und nippten und schlürften den jungen Wein,
Erzählten einander von künftigen Tagen
Langatmige Märchen, kurzweilige Sagen,
Ergötzten sich froh an Hoffnungsflügen,
An Liebeswahrheit und Liebeslügen
Und sogen das Leben in vollen Zügen
Im keimenden Mai.
Dann aber schwiegen sie still und tranken
Und jeder horchte den eignen Gedanken,
Erzählte sich selbst mit scheuem Vergnügen
Das Beste — was er den andern verschwiegen.
Norbert Lynkke
Der Dreibund
Cleo Mechthildis Knesemann 2
Ottheinrich Deppich cf1
Isaak Petrowitsch Schlippowsky q*
laden zur Feier ihrer
freien Vereinigung in ehelicher Liebe
ein. Man erscheint nach Kräften festlich gekleidet.
Trostlied
Ludwig Presuhn
So stand auf der Büttenpapierkarte zu lesen,
die mir an der herbstlaubumkränzten Atelier-
türe im Schwabinger Nordviertel ein verschmitzt
lächelnder Lohndiener abnahm.
Ich trat ein. Ottheinrich Deppichs Atelier
war heute blaßlila ausgeschlagen, Girlanden
von feuerfarbenem Herbstlaub zogen sich von
Pfeiler zu Pfeiler. An der Hauptwand hing
in schwerem Goldrahmen das Werk, an dem
Ottheinrich seit sieben Jahren malte: ein grüner
Apfel auf einem lila Tischtuch. Einige Gäste,
die Herren mit langen, die Damen mit kurzen
Haaren, oder mit Zopfrosetten über den Ohren,
standen feierlich herum. Keine der Damen trug
ein Mieder, manche hatte es aber sehr nötig.
Die Versicherungsnadel ersetzte in vielen Fällen
den Knopf. Manchmal fehlte auch sie.
Cleo, die Malerin, und Ottheinrich, der
Maler, waren nicht zu sehen. Aber Isaak
Petrowitsch lümmelte in seiner prachtvollen
exotischen Männlichkeit auf einer Ottomane.
Er war edelblaß, wie immer, und hatte einen
tadellosen Frack an; da er vergessen hatte, ein
silbernes Schildchen mit der Nummer 5 aus
dem Knopfloch zu entfernen, erriet ich leicht
den Eigentümer des Prachtstücks: es gehörte
dem wackeren „Ober" von unserem Stamm-
Cafe. Auch Lackschuhe hatte der Moskowiter
und schwarzseidene Socken — und wo nicht
zufällig ein Loch im Schuh gerade auf ein
Loch im Strumpf traf, war seine Chaussure
direkt vornehm. Am meisten wunderte ich mich
über seine blühweiße Hemdbrust. Erst als ich
näher trat, las ich auf dieser, tief im Westen-
ausschnitt, den Stempel „Bristolpapier". Ach
so! dachte ich. Isaak Petrowitsch, der Künstler
und Philosoph, hatte für Wäsche kein Organ.
Sonst trug er gewöhnlich hochgeschlossene Westen
und schwarze Wickelkravatten; diese verfertigte
er sich selber nach und nach aus den acht Zwickeln
eines verflossenen halbseidenen Regenschirms,
den einmal Jemand an ihm abgeschlagen und
auf dem Kampfplatz zurückgelassen hatte. Heute,
an seinem Ehrentage, schmückte ihn ein durchaus
kavaliermäßiger Gummikragen und eine grüne
Binde.
„Wo sind die beiden Anderen?" fragte ich ihn.
„Wer? Ach so, mein Weib und ihr Mann?
Auf dem Standesamt. Es läßt sich nicht anders
machen. Die Philistergesellschaft bei Euch im
Westen traut nur paarweise. Pah! Die eigent-
lich gültige Weihe des Bundes findet hier statt."
Er entließ mich mit einer Handbewegung
von grandioser Vornehmheit und ich sah dabei,
daß er auch heute, wie immer, die Fingernägel
schwarz gerändert trug. Aus Trauer um das
geknechnete Rußland — hatte er einmal' er-
klärt. Einstweilen barg er jetzt die Trauer-
nägel wieder in seinem dunklen Haar und
kratzte sich heftig. Ich habe nur zweimal noch
so üppiges Haar gesehen: bei Paderewski und
bei einem Mantelpavian im Zoologischen Garten
zu Leipzig.
„Was ist das nun eigentlich mit dieser triangu-
lären Vermählung?" fragte ich den Maler
Schmitt - Pyritz, der mit Ottheinrich Deppich
befreundet, sonst aber durchaus vernünftig war.
Er sagte: „Das ist eine tolle Geschichte.
Cleo hat sich schon lange mit Ottheinrich ver-
lobt, aber ihr Herz schwankte zwischen ihm
und dem Russen hin und her. Und da ent-
schloß sich Ottheinrich, der Schafskopf — will
fügen, der Mann ohne Vorurteile, zu einer Ehe
zu Dreien, die Isaak ausgeheckt hat. Vor der
Welt heiratet er allein heute seine Cleo standes-
amtlich — hier aber wird dann privatim
ihre zweimännige Trauung abgehalten.. .
doch da kommen siel"
Der Lohndiener riß die Türe auf. Am
Arme Ottheinrichs, der in einem Frackanzug
erster Ordnung — ohne Nummer! — erschien,
rauschte Cleo Mechthildis in einem unschulds-
weißen Brautkleide herein. Mich persönlich
störten an ihrer Toilette nur die schiefge-
tretenen braunledernen Sandalen. Der
Myrtenkranz stand ihr fein und mädchen-
haft. Sie hatte eine Zigarette angezündet
und rauchte wie ein Schlot.
Die Beiden grüßten ernst und traten mit
Isaak Petrowitsch zusammen vor einen altar-
artig gedeckten Tisch, den ein Gipsabguß
der Aphrodite Kallipygos, dem Lieblings-
kunstwerk Ottheinrichs, überragte. Aus dem
Nebenzimmer kam, malerisch vom schwarzen
Talar eines befreundeten Rechtsanwaltes um-
wallt, Emil, der Dichter — jetzt ein Priester
der freien Liebe und dreieckigen Ehe.
Ihm folgten die Brautjungfern. Die eine
trug eine silberne Platte mit den vier Ehe-
ringen, die andere einen Teller mit drei
Gläsern voll grüngelb fluoreszierenden Ab-
sinths. Dahinter kamen — sozusagen in
Amtstracht, denn sie waren in nichts, als
ihre Haut gehüllt — zwei der schönsten
Schwabinger Aktmodelle: Pepi Knirzinger,
die für Abundantien und Rubensdamen
stand, symbolisierte die irdische, und Grete
Stängel, das Lieblingsmodell aller Transzen-
dentalen versinnbildlichte in prärassaelitifcher
Schlankheit die geistige Lieoe. Die erstere
trug einen Kranz mit roten Rosen, die zweite
einen aus blauen Blumen.
Emil Hub an zu reden.
„Wir weihen hier drei edle und vorurteils-
lose Menschen zum Eintritt in einen Ehebund,
der Eurem stumpfen Sinn heute vielleicht noch
ungewöhnlich scheinen mag, in naher Zukunft
sicher der allgemein übliche sein wird. Die Ein-
ehe ist überwunden! Sie ist —"
„Lachhaft I" sagte die Braut kurz und be-
stimmt. Der Zeremoniar fuhr fort:
„Jede Einehe wird ja doch früher oder später
durch die Dazwischenkunft eines Dritten gestört
und wenn unsere Freundin Cleo sich mit Ott-
heinrich allein verbunden hätte, wer weiß, ob
nicht auch hier vielleicht das Unabänderliche
eingetreten wäre..."
„Todsicher I" warf die Jungfrau kopfnickend
dazwischen.
„So haben diese freien Menschen beschlossen,
das, was uraltes, fast heiliges Naturgesetz ist,
von vorneherein zu legitimieren. Vor dem
Standesamte der Spießbürger ist Ottheinrich
heute der Gatte dieses reinen Mädchens ge-
worden. Seine Wohlhabenheit gestattet es ihm,
den idealen Dreibund materiell sicher und be-
haglich zu gestalten. Unfern Freund Isaak
Petrowitsch aus Odessa, den genialen Musiker,
ziert die Armut des Genies — aber er tritt
darum doch mit gleichen Rechten und gleichen
Pflichten, wie der andere Gatte, dem Bunde
bei. Cleo, die junge Braut, liebt Beide mit
der nämlichen Glut, sie wird Beide mit gleicher
Zärtlichkeit beglücken."
„Es soll Keiner zu kurz kommen!" flüsterte
die Maid im Myrtenkränze.
„Damit die Welt der Philister an dem idealen
Bunde kein lächerliches Aergernis nehme, muß
Ottheinrich vor dem Gesetze als der einzige
Gatte gelten, wie auch als der Vater der holden
Kinder, welche diese junge Frau den Beiden
ztl schenken gedenkt."
„Ich bin Letzteres meiner körperlichen, wie
meiner geistigen Entwicklung schuldig!" ver-
sicherte mit sonorer Stimme die Braut.
„Cleo Mechthildis Knesemann — erkennst
Du diese beiden Männer als Deine Gatten an?"
„Ja!"
„Ottheinrich Deppich und Isaak Petro-
witfch Schlippowsky, nehmt Ihr dieses Mädchen
zur Frau?"
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Im keimenden Mai
Die Jugend tanzte, die Fiedeln erklangen,
Die Burschen jauchzten, die Mädel sangen,
Die Alten aber saßen allein
Und tranken im Mondschein den jungen Wein,
Erzählten einander aus alten Tagen
Langatmige Märchen, kurzweilige Sagen:
Wie sie am Kelche des Lebens gesogen
Und auf den Flügeln der Hoffnung geflogen,
Wie sie Liebe gefühlt und Liebe gelogen
Im keimenden Mai.
Dann aber schwiegen sie still und tranken,
Und jeder horchte den eignen Gedanken,
Erzählte sich selbst mit scheuem Vergnügen
Das Schönste — was er den andern
verschwiegen.
Die Geigen verstummten; da kamen
gesprungen
Lachend und schäkernd die Mädel und Jungen
Mit lautem Gelärm in bunten Reih'n
Und nippten und schlürften den jungen Wein,
Erzählten einander von künftigen Tagen
Langatmige Märchen, kurzweilige Sagen,
Ergötzten sich froh an Hoffnungsflügen,
An Liebeswahrheit und Liebeslügen
Und sogen das Leben in vollen Zügen
Im keimenden Mai.
Dann aber schwiegen sie still und tranken
Und jeder horchte den eignen Gedanken,
Erzählte sich selbst mit scheuem Vergnügen
Das Beste — was er den andern verschwiegen.
Norbert Lynkke
Der Dreibund
Cleo Mechthildis Knesemann 2
Ottheinrich Deppich cf1
Isaak Petrowitsch Schlippowsky q*
laden zur Feier ihrer
freien Vereinigung in ehelicher Liebe
ein. Man erscheint nach Kräften festlich gekleidet.
Trostlied
Ludwig Presuhn
So stand auf der Büttenpapierkarte zu lesen,
die mir an der herbstlaubumkränzten Atelier-
türe im Schwabinger Nordviertel ein verschmitzt
lächelnder Lohndiener abnahm.
Ich trat ein. Ottheinrich Deppichs Atelier
war heute blaßlila ausgeschlagen, Girlanden
von feuerfarbenem Herbstlaub zogen sich von
Pfeiler zu Pfeiler. An der Hauptwand hing
in schwerem Goldrahmen das Werk, an dem
Ottheinrich seit sieben Jahren malte: ein grüner
Apfel auf einem lila Tischtuch. Einige Gäste,
die Herren mit langen, die Damen mit kurzen
Haaren, oder mit Zopfrosetten über den Ohren,
standen feierlich herum. Keine der Damen trug
ein Mieder, manche hatte es aber sehr nötig.
Die Versicherungsnadel ersetzte in vielen Fällen
den Knopf. Manchmal fehlte auch sie.
Cleo, die Malerin, und Ottheinrich, der
Maler, waren nicht zu sehen. Aber Isaak
Petrowitsch lümmelte in seiner prachtvollen
exotischen Männlichkeit auf einer Ottomane.
Er war edelblaß, wie immer, und hatte einen
tadellosen Frack an; da er vergessen hatte, ein
silbernes Schildchen mit der Nummer 5 aus
dem Knopfloch zu entfernen, erriet ich leicht
den Eigentümer des Prachtstücks: es gehörte
dem wackeren „Ober" von unserem Stamm-
Cafe. Auch Lackschuhe hatte der Moskowiter
und schwarzseidene Socken — und wo nicht
zufällig ein Loch im Schuh gerade auf ein
Loch im Strumpf traf, war seine Chaussure
direkt vornehm. Am meisten wunderte ich mich
über seine blühweiße Hemdbrust. Erst als ich
näher trat, las ich auf dieser, tief im Westen-
ausschnitt, den Stempel „Bristolpapier". Ach
so! dachte ich. Isaak Petrowitsch, der Künstler
und Philosoph, hatte für Wäsche kein Organ.
Sonst trug er gewöhnlich hochgeschlossene Westen
und schwarze Wickelkravatten; diese verfertigte
er sich selber nach und nach aus den acht Zwickeln
eines verflossenen halbseidenen Regenschirms,
den einmal Jemand an ihm abgeschlagen und
auf dem Kampfplatz zurückgelassen hatte. Heute,
an seinem Ehrentage, schmückte ihn ein durchaus
kavaliermäßiger Gummikragen und eine grüne
Binde.
„Wo sind die beiden Anderen?" fragte ich ihn.
„Wer? Ach so, mein Weib und ihr Mann?
Auf dem Standesamt. Es läßt sich nicht anders
machen. Die Philistergesellschaft bei Euch im
Westen traut nur paarweise. Pah! Die eigent-
lich gültige Weihe des Bundes findet hier statt."
Er entließ mich mit einer Handbewegung
von grandioser Vornehmheit und ich sah dabei,
daß er auch heute, wie immer, die Fingernägel
schwarz gerändert trug. Aus Trauer um das
geknechnete Rußland — hatte er einmal' er-
klärt. Einstweilen barg er jetzt die Trauer-
nägel wieder in seinem dunklen Haar und
kratzte sich heftig. Ich habe nur zweimal noch
so üppiges Haar gesehen: bei Paderewski und
bei einem Mantelpavian im Zoologischen Garten
zu Leipzig.
„Was ist das nun eigentlich mit dieser triangu-
lären Vermählung?" fragte ich den Maler
Schmitt - Pyritz, der mit Ottheinrich Deppich
befreundet, sonst aber durchaus vernünftig war.
Er sagte: „Das ist eine tolle Geschichte.
Cleo hat sich schon lange mit Ottheinrich ver-
lobt, aber ihr Herz schwankte zwischen ihm
und dem Russen hin und her. Und da ent-
schloß sich Ottheinrich, der Schafskopf — will
fügen, der Mann ohne Vorurteile, zu einer Ehe
zu Dreien, die Isaak ausgeheckt hat. Vor der
Welt heiratet er allein heute seine Cleo standes-
amtlich — hier aber wird dann privatim
ihre zweimännige Trauung abgehalten.. .
doch da kommen siel"
Der Lohndiener riß die Türe auf. Am
Arme Ottheinrichs, der in einem Frackanzug
erster Ordnung — ohne Nummer! — erschien,
rauschte Cleo Mechthildis in einem unschulds-
weißen Brautkleide herein. Mich persönlich
störten an ihrer Toilette nur die schiefge-
tretenen braunledernen Sandalen. Der
Myrtenkranz stand ihr fein und mädchen-
haft. Sie hatte eine Zigarette angezündet
und rauchte wie ein Schlot.
Die Beiden grüßten ernst und traten mit
Isaak Petrowitsch zusammen vor einen altar-
artig gedeckten Tisch, den ein Gipsabguß
der Aphrodite Kallipygos, dem Lieblings-
kunstwerk Ottheinrichs, überragte. Aus dem
Nebenzimmer kam, malerisch vom schwarzen
Talar eines befreundeten Rechtsanwaltes um-
wallt, Emil, der Dichter — jetzt ein Priester
der freien Liebe und dreieckigen Ehe.
Ihm folgten die Brautjungfern. Die eine
trug eine silberne Platte mit den vier Ehe-
ringen, die andere einen Teller mit drei
Gläsern voll grüngelb fluoreszierenden Ab-
sinths. Dahinter kamen — sozusagen in
Amtstracht, denn sie waren in nichts, als
ihre Haut gehüllt — zwei der schönsten
Schwabinger Aktmodelle: Pepi Knirzinger,
die für Abundantien und Rubensdamen
stand, symbolisierte die irdische, und Grete
Stängel, das Lieblingsmodell aller Transzen-
dentalen versinnbildlichte in prärassaelitifcher
Schlankheit die geistige Lieoe. Die erstere
trug einen Kranz mit roten Rosen, die zweite
einen aus blauen Blumen.
Emil Hub an zu reden.
„Wir weihen hier drei edle und vorurteils-
lose Menschen zum Eintritt in einen Ehebund,
der Eurem stumpfen Sinn heute vielleicht noch
ungewöhnlich scheinen mag, in naher Zukunft
sicher der allgemein übliche sein wird. Die Ein-
ehe ist überwunden! Sie ist —"
„Lachhaft I" sagte die Braut kurz und be-
stimmt. Der Zeremoniar fuhr fort:
„Jede Einehe wird ja doch früher oder später
durch die Dazwischenkunft eines Dritten gestört
und wenn unsere Freundin Cleo sich mit Ott-
heinrich allein verbunden hätte, wer weiß, ob
nicht auch hier vielleicht das Unabänderliche
eingetreten wäre..."
„Todsicher I" warf die Jungfrau kopfnickend
dazwischen.
„So haben diese freien Menschen beschlossen,
das, was uraltes, fast heiliges Naturgesetz ist,
von vorneherein zu legitimieren. Vor dem
Standesamte der Spießbürger ist Ottheinrich
heute der Gatte dieses reinen Mädchens ge-
worden. Seine Wohlhabenheit gestattet es ihm,
den idealen Dreibund materiell sicher und be-
haglich zu gestalten. Unfern Freund Isaak
Petrowitsch aus Odessa, den genialen Musiker,
ziert die Armut des Genies — aber er tritt
darum doch mit gleichen Rechten und gleichen
Pflichten, wie der andere Gatte, dem Bunde
bei. Cleo, die junge Braut, liebt Beide mit
der nämlichen Glut, sie wird Beide mit gleicher
Zärtlichkeit beglücken."
„Es soll Keiner zu kurz kommen!" flüsterte
die Maid im Myrtenkränze.
„Damit die Welt der Philister an dem idealen
Bunde kein lächerliches Aergernis nehme, muß
Ottheinrich vor dem Gesetze als der einzige
Gatte gelten, wie auch als der Vater der holden
Kinder, welche diese junge Frau den Beiden
ztl schenken gedenkt."
„Ich bin Letzteres meiner körperlichen, wie
meiner geistigen Entwicklung schuldig!" ver-
sicherte mit sonorer Stimme die Braut.
„Cleo Mechthildis Knesemann — erkennst
Du diese beiden Männer als Deine Gatten an?"
„Ja!"
„Ottheinrich Deppich und Isaak Petro-
witfch Schlippowsky, nehmt Ihr dieses Mädchen
zur Frau?"
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