N)inrergang
Vereister Bergpfad.
Am Wacholdergesträuch,
Am Flechtenast
Greifend und klammernd,
Klimm ich zur Höhe.
Wolken sinken
In goldigen Nebeln.
Wo such ich dich,
In welchen Fernen
Eilendes Bergkind?
Eisfrüchte
Zerren am Tannenzweig.
Im Heidegestrüpp,
Im dürren, braunen,
Nistet der Frost.
Wie warst du lieblich, Errötende,
Als du des Heidekrauts
Blühenden Waldstrauß gabst!
Wie sprachst du heimlich,
Blumendeuterin:
Personen: Otto Gern heim; Fritzi, seine
Frau; Albine, das Mädchen.
Herrenzimmer bei Gernheims. Ein Winternach-
mittag. Otto Gcrnheim tritt erregt ein.
Otto (zu Albine, die ihm folgt): Rufen Sie
meine Frau.
Albine: Mir scheint, die gnä' Frau ist grad'
im Weggehen.
Otto: Dann rufen Sie sie zurück. (Albine ab;
Otto zum Schreibtisch, nimmt Briefpapier und Cou-
vert und beginnt hastig zu schreiben.)
Fritzi (Straßentoilette, Hut und Muff): was
ist denn los?
Otto: Du, sag' einmal: Schreibt man einem
englischen Gentleman auf der Adresse To Mister
Soundso Esq. oder einfach Mr. Soundso Esquire?
Fritzi (etwas befremdet): Mister Soundso Es-
quire — ohne „To".
Otto: Danke. (Schließt den Brief.)
Fritzi: Das ist alles?
Otto: Ja, Du kannst schon gehen, wenn Du
willst. . .
Fritzi (argwöhnisch, was sich hinter dieser Maske
verbirgt): wem schreibst Du da eigentlich?
Otto: Einem Engländer — einem Herrn von
der Botschaft. (Läutet.)
Fritzi: wie heißt er?
Otto: Das ist doch gleichgültig. (Zum ein-
tretenden Mädchen): Laufen Sie mit diesem Brief
hinunter und geben Sie ihn sofort einem Dienst-
mann.
Albine: Jawohl, gnä' Herr. (Ab.)
Fritzi: was für eine Verrücktheit wird wohl
da wieder herauskommen? (Sie legt den Muff
nieder.)
Otto (mit gespielter Gleichgültigkeit): Laß' Dich
nicht aufhalten. (Steht auf.)
Fritzi: Also was hast Du? Sag's.
Otto: was id? habe? Du wirst schon merken,
was ich habe. . . (Bleibt vor ihr stehen.) Ich bin
kein Bub', meine Liebe, ich bin ein Mann.
Fritzi: Daran hat ja auch niemand gezweifelt.
Otto: Run gut — dann merke Dir's.
Fritzi (parodistisch): Und halt es fest und
niemand laß Dir's rauben.
Otto: Auch das.
Fritzi: Also willst Du nicht endlich die Güte
haben, mir zu sagen, was Dir eigentlich fehlt?
Otto (verstockt- Nichts.
Fritzi: Aber Du bist doch augenscheinlich schlechter
Laune.
Wiedersehen
Läuten die Glöckchen!
Ächzend reiben sich
Zwillingsstämme der Föhren,
Schütteln den Schnee
Don den Häuptern,
Daß er sprühend mich schreckt.
Verblichst du längst
Wie die Blüte des Sommers?
Schwebst du als Wolke
Über dem Winterwald,
Als träumender Stern
In den Tiefen des Äthers?
Ich sehe dich wieder,
Heute seh ich dich wieder,
Liebliche.
Fegender Sturm.
Die Iungtanne stürzt an der Bergwand.
Die Föhren brausen
Das ewige Weltenlied.
Fritz Gräny
Ein Buß auf der Redoute
Zwischenspiel von R a o u l Auernheimer
Otto: Rach einer Redoute ist man das immer
Ueberhaupt der Mann.
Fritzi (lächelnd): Ach so!
Otto: Du gehst wohl zu einem Rendezvous?
Fritzi: Allerdings. Ich Hab' mit Cäcilie
Rendezvous im Bristol . . . wir wollen uns unsere
Redoutenerlebnisse erzählen.
Otto: Merkwürdig, dieser Mitteilungsdrang.
Mir hast Du noch nichts erzählt.
Fritzi: Du hast mich ja auch nicht gefragt.
Otto: Es war auch keine Gelegenheit. Im
Wagen schliefst Du, nachher schlief ich, vormittags
ging ich ins Bureau, mittags hatten wir Ge-
sellschaft. —
Fritzi: Dann gingst Du spazieren. —
Otto Obermeier
Schopferschmerz
Wir tragen einen Schmerz in tiefer Brust-
Versunkenen Schatzes Gold und Edelsteine
Verträumter Liebe heiße Seelenreine,
Verwehter Jugend ungeborne Lust.
Ins Unermeßliche reicht unser Sinn,
Zn fremden Welten fliegen die Gedanken-
Doch ob im Geist wir Ewigkeiten tranken-
Wir tragen einen Schmerz durchs Leben hin.
Was in uns rauscht an jungem Schöpfermn«
Kann sich zur heil'gen Flamme nicht entfalten-
Es glimmt — und Schlacken bleiben
beim Erkalten:
Wir tragen einen Schmerz im heißen Blut.
In uns erblüht die Gottheit rosenrot,
Wir opfern ihr im wesenlosen Scheine,
Denn um uns thront erhaben das
Gemeine:
Wir tragen einen Schmerz auch noch im Tod.
Larl Matthies
Otto: Und jetzt, wo id? zurückkomme, gehst
Du aus. — Das ist unsere Ehe.
Fritzi: Andere Ehen sind auch nicht anders.
Otto: wenn Du glaubst, daß das ein Trost ist.
Fritzi: Also, was wünschst Du zu wissen?
Otto: Ich wünsche vor allem zu wissen, wie
Du Dich gestern auf der Redoute unterhalten hast.
Fritzi: Danke — famos.
Otto: Das weiß ich. Aber mit wem?
Fritzi: Mit einer ganzen Menge Herren.
Otto: Zum Beispiel?
Fritzi: Zum Beispiel mit dem Direktor Neu-
gebauer. Du, dem Hab' ich seine ganze Geschichte
mit der Morawitz erzählt. Er war wütend.
Otto: Gut, das war um Vr!2.... Aber
nachher?
Fritzi: Nachher Hab' ich dann den Hofrat Amz
intrigiert. Er hat mich natürlich wieder gleich
erkannt —
Otto: Das war um \2. was war später?
Fritzi (sich besinnend): später — ja später Hab'
ich mit Eäsar Frank sehr angenehm geplauscht.
Otto: Um 723.
Fritzi: So was.
Otto: Jetzt fragt sich nur, was Du in der
Zwischenzeit gemacht hast.
Fritzi: In der Zwischenzeit?
Otto: Zwischen zwölf und Halbdrei nämlich
Fritzi: Gott — ^
Otto: Man hat Dich nämlich die ganze Zeit
im Saale nicht gesehen.
Fritzi: Natürlich, wir sind ja oben auf der
Galerie gesessen.
Otto: wer — wir?
Fritzi: Ich und — ein Herr.
Otto: Aha! . . . Ihr seid gesessen, sagst Niu
Fritzi: Die ganze Zeit.
Otto: In einer Loge?
Fritzi: In einer Art —
Otto (aufbrausend): Hab' ich Dir nicht ans-
drücklich verboten, in eine Loge — ? Da habt
Ihr wohl auch Champagner getrunken?
Fritzi: Ich nicht!
Otto: was denn?
Fritzi: Gießhübler. (Beteuernd): Bitte, es m
eine Flasche Gießhübler auf dem Tisch gestanden.
Otto: Und unterm Tisch der Champagner.
Fritz : Er hat natürlich Lbampagner getrunken.
Otto: Und Du — Gießhübler?
Fritzi: Alle Frauen der Gesellschaft mache»
das so. Ich bitt' Dich, man kann einem Herr»
doch nicht verbieten, Champagner zu trinken ^
.
Gefangene Z\
Vereister Bergpfad.
Am Wacholdergesträuch,
Am Flechtenast
Greifend und klammernd,
Klimm ich zur Höhe.
Wolken sinken
In goldigen Nebeln.
Wo such ich dich,
In welchen Fernen
Eilendes Bergkind?
Eisfrüchte
Zerren am Tannenzweig.
Im Heidegestrüpp,
Im dürren, braunen,
Nistet der Frost.
Wie warst du lieblich, Errötende,
Als du des Heidekrauts
Blühenden Waldstrauß gabst!
Wie sprachst du heimlich,
Blumendeuterin:
Personen: Otto Gern heim; Fritzi, seine
Frau; Albine, das Mädchen.
Herrenzimmer bei Gernheims. Ein Winternach-
mittag. Otto Gcrnheim tritt erregt ein.
Otto (zu Albine, die ihm folgt): Rufen Sie
meine Frau.
Albine: Mir scheint, die gnä' Frau ist grad'
im Weggehen.
Otto: Dann rufen Sie sie zurück. (Albine ab;
Otto zum Schreibtisch, nimmt Briefpapier und Cou-
vert und beginnt hastig zu schreiben.)
Fritzi (Straßentoilette, Hut und Muff): was
ist denn los?
Otto: Du, sag' einmal: Schreibt man einem
englischen Gentleman auf der Adresse To Mister
Soundso Esq. oder einfach Mr. Soundso Esquire?
Fritzi (etwas befremdet): Mister Soundso Es-
quire — ohne „To".
Otto: Danke. (Schließt den Brief.)
Fritzi: Das ist alles?
Otto: Ja, Du kannst schon gehen, wenn Du
willst. . .
Fritzi (argwöhnisch, was sich hinter dieser Maske
verbirgt): wem schreibst Du da eigentlich?
Otto: Einem Engländer — einem Herrn von
der Botschaft. (Läutet.)
Fritzi: wie heißt er?
Otto: Das ist doch gleichgültig. (Zum ein-
tretenden Mädchen): Laufen Sie mit diesem Brief
hinunter und geben Sie ihn sofort einem Dienst-
mann.
Albine: Jawohl, gnä' Herr. (Ab.)
Fritzi: was für eine Verrücktheit wird wohl
da wieder herauskommen? (Sie legt den Muff
nieder.)
Otto (mit gespielter Gleichgültigkeit): Laß' Dich
nicht aufhalten. (Steht auf.)
Fritzi: Also was hast Du? Sag's.
Otto: was id? habe? Du wirst schon merken,
was ich habe. . . (Bleibt vor ihr stehen.) Ich bin
kein Bub', meine Liebe, ich bin ein Mann.
Fritzi: Daran hat ja auch niemand gezweifelt.
Otto: Run gut — dann merke Dir's.
Fritzi (parodistisch): Und halt es fest und
niemand laß Dir's rauben.
Otto: Auch das.
Fritzi: Also willst Du nicht endlich die Güte
haben, mir zu sagen, was Dir eigentlich fehlt?
Otto (verstockt- Nichts.
Fritzi: Aber Du bist doch augenscheinlich schlechter
Laune.
Wiedersehen
Läuten die Glöckchen!
Ächzend reiben sich
Zwillingsstämme der Föhren,
Schütteln den Schnee
Don den Häuptern,
Daß er sprühend mich schreckt.
Verblichst du längst
Wie die Blüte des Sommers?
Schwebst du als Wolke
Über dem Winterwald,
Als träumender Stern
In den Tiefen des Äthers?
Ich sehe dich wieder,
Heute seh ich dich wieder,
Liebliche.
Fegender Sturm.
Die Iungtanne stürzt an der Bergwand.
Die Föhren brausen
Das ewige Weltenlied.
Fritz Gräny
Ein Buß auf der Redoute
Zwischenspiel von R a o u l Auernheimer
Otto: Rach einer Redoute ist man das immer
Ueberhaupt der Mann.
Fritzi (lächelnd): Ach so!
Otto: Du gehst wohl zu einem Rendezvous?
Fritzi: Allerdings. Ich Hab' mit Cäcilie
Rendezvous im Bristol . . . wir wollen uns unsere
Redoutenerlebnisse erzählen.
Otto: Merkwürdig, dieser Mitteilungsdrang.
Mir hast Du noch nichts erzählt.
Fritzi: Du hast mich ja auch nicht gefragt.
Otto: Es war auch keine Gelegenheit. Im
Wagen schliefst Du, nachher schlief ich, vormittags
ging ich ins Bureau, mittags hatten wir Ge-
sellschaft. —
Fritzi: Dann gingst Du spazieren. —
Otto Obermeier
Schopferschmerz
Wir tragen einen Schmerz in tiefer Brust-
Versunkenen Schatzes Gold und Edelsteine
Verträumter Liebe heiße Seelenreine,
Verwehter Jugend ungeborne Lust.
Ins Unermeßliche reicht unser Sinn,
Zn fremden Welten fliegen die Gedanken-
Doch ob im Geist wir Ewigkeiten tranken-
Wir tragen einen Schmerz durchs Leben hin.
Was in uns rauscht an jungem Schöpfermn«
Kann sich zur heil'gen Flamme nicht entfalten-
Es glimmt — und Schlacken bleiben
beim Erkalten:
Wir tragen einen Schmerz im heißen Blut.
In uns erblüht die Gottheit rosenrot,
Wir opfern ihr im wesenlosen Scheine,
Denn um uns thront erhaben das
Gemeine:
Wir tragen einen Schmerz auch noch im Tod.
Larl Matthies
Otto: Und jetzt, wo id? zurückkomme, gehst
Du aus. — Das ist unsere Ehe.
Fritzi: Andere Ehen sind auch nicht anders.
Otto: wenn Du glaubst, daß das ein Trost ist.
Fritzi: Also, was wünschst Du zu wissen?
Otto: Ich wünsche vor allem zu wissen, wie
Du Dich gestern auf der Redoute unterhalten hast.
Fritzi: Danke — famos.
Otto: Das weiß ich. Aber mit wem?
Fritzi: Mit einer ganzen Menge Herren.
Otto: Zum Beispiel?
Fritzi: Zum Beispiel mit dem Direktor Neu-
gebauer. Du, dem Hab' ich seine ganze Geschichte
mit der Morawitz erzählt. Er war wütend.
Otto: Gut, das war um Vr!2.... Aber
nachher?
Fritzi: Nachher Hab' ich dann den Hofrat Amz
intrigiert. Er hat mich natürlich wieder gleich
erkannt —
Otto: Das war um \2. was war später?
Fritzi (sich besinnend): später — ja später Hab'
ich mit Eäsar Frank sehr angenehm geplauscht.
Otto: Um 723.
Fritzi: So was.
Otto: Jetzt fragt sich nur, was Du in der
Zwischenzeit gemacht hast.
Fritzi: In der Zwischenzeit?
Otto: Zwischen zwölf und Halbdrei nämlich
Fritzi: Gott — ^
Otto: Man hat Dich nämlich die ganze Zeit
im Saale nicht gesehen.
Fritzi: Natürlich, wir sind ja oben auf der
Galerie gesessen.
Otto: wer — wir?
Fritzi: Ich und — ein Herr.
Otto: Aha! . . . Ihr seid gesessen, sagst Niu
Fritzi: Die ganze Zeit.
Otto: In einer Loge?
Fritzi: In einer Art —
Otto (aufbrausend): Hab' ich Dir nicht ans-
drücklich verboten, in eine Loge — ? Da habt
Ihr wohl auch Champagner getrunken?
Fritzi: Ich nicht!
Otto: was denn?
Fritzi: Gießhübler. (Beteuernd): Bitte, es m
eine Flasche Gießhübler auf dem Tisch gestanden.
Otto: Und unterm Tisch der Champagner.
Fritz : Er hat natürlich Lbampagner getrunken.
Otto: Und Du — Gießhübler?
Fritzi: Alle Frauen der Gesellschaft mache»
das so. Ich bitt' Dich, man kann einem Herr»
doch nicht verbieten, Champagner zu trinken ^
.
Gefangene Z\