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Weibeswunsch

Möchte mir im Abendglanz verstohlen
Schon einen himmelhohen Meister holen.

Mit den Füßen dürft' er die Erde berühren,
Doch sein herrischer Arm sollt' zu

Sternen führen.

Aber nicht zu atemnahen Alltagssternen,

Nein, — in ungreifbare Lebensfernen.

Und das Große müßt' er dann grimmig halten,
Machtvoll im eig'nen Hirn gestalten;

Daß ihm erblühe aus männlicher Kraft
Ein Werk der durchbildetsten Meisterschaft,
Wo alles was ist, und alles was schwindet
Zu wirkendem Zauber sich dröhnend verbindet,
Wo Raum, Gedanke, Urquell und Zeit
Ehern verglüh'n in die Ewigkeit . . .
„Deiner," so sollt' mir's im Ohre Hallen,
„Ist dem Weltenrad in die

Speichen gefallen!"

Nächtens jedoch, wenn das Schaffen zu Ende,
Küss' er, inbrünstig, mir Augen und Hände.
Lachend, in jauchzendem Unverstand,

Werd' aus dem Meister ein seliger Fant.
Götterleichtsinn durchflatt're sein Wollen,
Ließ in den Schoß er mir Welten rollen ....
Götterleichtsinn beschwing' seinen Mund,
Zeigt' er mir froh einen Rosenbund:

„Herrlich paßt zu dem grüngold'nen Kleid,
Liebste, mein Sträußchen Unsterblichkeit!"
Werbendes Flüstern d'rauf, —

halblautes Necken:
„Willst du dir's in den Gürtel stecken?"

Frigga von Brockdorff

Mein Garten Einsamkeit

Einsam liegt mein Garten,

Von grünen Mauern umbaut, —-
Pochst du an meine Pforte,

Poch nicht zu laut,

Poch nicht zu lange,

Mein Riegel läßt keinen ein,

Hinter den grünen Mauern
Bin ich selig allein! —

Spät nur am Abend,

Wenn mein Garten so schattig wird,
Wenn auf raschelnden Flügeln
Die Nacht durch die Gänge schwirrt,

Wenn in grauem Gewölke
Der Streifen Spätrot ertrinkt,

Dann ist meine Pforte
Lose nur eingeklinkt,

Und hinter der Pforte
Meine lauschende Seele steht,

Fröstelt und wartet,

Ob keiner vorübergeht. . .

Aber es pocht kein Finger,

Tritt niemand herein, —

Hinter den grünen Mauern
Bin ich traurig allein. . .

Lulu v. Strauß u. Torney

Käte Sattler

Der Siegellack-Boy

Von Josefa Metz

Es rauschte die breite Steintreppe vor dem
Hotel hinauf, deren Teppichläufer sich wie eine
rote Brücke aus dem verwaschenen Grau des
Tages hob.

Erlesene Stoffe drängten aus den Mänteln
gleich Blütenblättern, die die Knospe sprengen.
Vom Verlassen des Gefährts, bis zum Eintritt
ins Vestibül gab es für die Damen nichts
auf der Welt, als den Saum ihres Kleides zu
hüten. Doch sie brauchten keine Furcht zu
haben, der Straßenschmutz drang nicht bis zu
ihnen heran, der blieb da hinten, wo das Chaos
war: Das Treiben und Gehetztsein, verschleiert
von den Nebeln eines Tages, der unentfaltet
hinstarb, farblos, wie das trübe Halbdunkel
einer Rumpelkammer. —

Auf und zu ging die breite Glastür. Laut-
los, mechanisch, wie bewegt von einer Maschi-
nerie. Ein Boy, in brennendroter Uniform,
versah diesen Dienst. Automatisch, wie er die
Tür öffnete und schloß, griff er an die Mütze
und verbeugte sich. Sein Haar war glatt ge-
scheitelt, nur rechts seitlich hatte sich eine kleine
Locke gelöst, die zitterte, wenn beim Oeffnen
der Türe der Wind ins Vestibül stieß. Doch
das ernste Kindergesicht blieb blaß und kühl
wie eine Wachsmaske.

Die Hände machten ihm Sorge, die kleinen,
schmalen Hände, sein Betriebsmaterial. Sie
begannen an der Kälte aufzuspringen, rissig zu
werden, trotzdem er sie jeden Abend mit Creme
einrieb und wildlederne Handschuh anzog. Der
Liftboy hatte es ihm geraten. Der Liftboy be-
saß eine alte Kultur, sein Großvater war herr-
schaftlicher Diener gewesen. Der Liftboy hatte
auch eine Vergangenheit. Sie bestand in einer
älteren Dame aus Ungarn, und es war durch
die gutgepflegten Hände gekommen.

Was eigentlich gekommen war, wußte der
kleine Boy nicht, denn sein Kollege machte nur
geheimnisvolle Andeutungen. Er wußte nur,
daß ein Zehnmarkstück dabei abgefallen war.
Er fragte den Zeitungskellner, der noch nicht
so hochmütig war, wie die anderen Angestellten,
aber der lachte ihn aus. „Der Paul vom List
ist ein Hochstapler," sagte er. „Er hat einmal
einer Dame die oberen Taillenhaken aufgemacht,
weil das Zimmermädchen nicht da war, und
dafür hat er eine Mark bekommen. Der Paul
wird Karriere machen, aber nach einer andern
Richtung hin. Sie verstehen, Georg." — Und

Georg nickte ernsthaft, trotzdem ihm „die andere
Richtung" nicht ganz klar war. Und der Lift-
boy behielt seinen Nimbus.-

Im gelben Salon drängten sich die Gruppen
Sie boten ein köstliches Bild, diese Reichgekleü
deten mit dem leichten Lächeln der Selbstzu-
friedenheit, dem leisen Zug von Ermüdung. Es
war viel Häßliches unter der Schönheit, doch
der Prunk überzog alles mit einem Glanz, der
wie ein feiner Lack, die Unebenheiten ausglich

Die Geräusche hoben und senkten sich in be!
stimmten Rhythmen. Bei jeder neuen Erschei-
nung trat ein Augenblick der Stille ein: das
atemlose Auflauern des Feindes. Gleichgesinnte
Gleichgestellte trafen sich hier und bekämpften
sich mit den gleichen Waffen, denn Kampf war
alles, nur die Ziele waren verschieden. — —
Und dann kam das große Stillwerden bei Be-
ginn der Vorträge, umsäumt von Räuspern,
Stuhlrücken und dem Knistern der Programme!

Die Tür im Vestibül flog weit zurück. Der
Boy nahm den Schauder, den er jedesmal beim
Oeffnen empfand, hin, wie eine Sache, die dazu
gehört, etwa, wie die zweite Knopfreihe zu seiner
Jacke.--

„Der Junge war gut. Wie 'ne Stange
Siegellack!" sagte der ältere Herr zu den Damen
in seiner Begleitung.

„Laß doch Deine Bemerkungen, es ist wirk-
lich zu spät. . . . Doris, wo sind denn Deine
Veilchen?"

Das junge Mädchen im smaragdgrünen Kleid,
von dem der Mantel schon halb heruntergerutscht
war, sah an sich herab. „Ich weiß nicht, eben
waren sie noch hier!" . . .

Da kam der Boy hinter ihr her und über-
reichte sie ihr, stumm, mit tiefer Verbeugung.

„Danke," sagte sie flüchtig und wollte den
andern folgen. Aber irgend etwas zwang sie,
aufzublicken. Sie sah in ein ernstes, gleich-
gültiges Knabengesicht mit kühlen Augen und
einem festgeschloffenen Mund. Und sie erinnerte
sich, daß eben bei ihrem Eintritt die kleine
Schläfenlocke da seitlich im Windzug gezittert
hatte, und daß ihr durch den Kopf gegangen
war: „Schrecklich, hier draußen stehen zu müssen."
-Sie suchte nach ihrem Portemonnaie.

„Doris!" rief die Mutter, „mach doch schnell,
es hat schon angefangen!" — Doris wurde ver-
legen und in dieser Verlegenheit gab sie plötz-
lich dem kleinen Boy in der lächerlichen roten
Uniform die Hand, drückte sie ein wenig und
sagte: „Danke vielmals."

Der Boy blieb stehen. Wie betäubt stand
er. — „Ob sie gefühlt hat, daß meine Hand
aufgesprungen ist?" dachte er zunächst. „Ich
gäbe was drum, wenn ich ihr sagen könnte,
daß ich nichts dafür kann, daß es der Dienst
ist, daß ich sie jeden Abend mit Creme einreibe
und wildlederne Handschuhe anziehe"-"

„Georg, gehen Sie an Ihren Platz! Was
soll das Herumstehen?!" rief sein Vorgesetzter,
der Portier.

Da ging er an seine Glastür und ließ die
letzten Nachzügler ein. — —

Zwei Sängerinnen von der Hofoper sangen
Duette. Es war wundervoll. — „Hier ist es
wie in einem Garten," träumte die kleine Dons,
die zum ersten Mal einen Wohltätigkeits-mve
«'clock mitmachte. „Die Damen sind B ume
und die Stimmen Vögel, die über die Blume
hinfliegen." — „Nein," dachte sie weiter, „d
Damen sind keine Blumen." Und sie sah a>
ihre Mutter, die den Hut einer Bekannten dum
die Lorgnette betrachtete, streng, und wie ersu
von einer wichtigen Mission. — Man w
beglückt, die herrlichen Sängerinnen, die cm
sonst so fern standen, hier unter sich zu hao '
ihnen sagen zu dürfen: „Gnädige Frau, es m
berauschend." — — Dann kam die nacy!
Nummer, und die Sängerinnen waren
tausend Jahren einmal gewesen, es "dZ ,
noch der kleine Herr, der auf dem Po"

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Register
Lulu v. Strauß und Torney: Mein Garten Einsamkeit
Frigga v. Brockdorff-Noder: Weibeswunsch
Josefa Metz: Der Siegellack-Boy
Käte Sattler: Vignette
 
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