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Frühling

Ein Garten, schimmernd in des Lenzes Grün,
Und eine Wiese voller Blütensterne,

Und ferne,

Wo ob der schweren dunkeln Tannenwände
Ein Stück des frühlingsblauen Himmels steht,
Ein breites, sanftes blühendes Gelände.

Auf weichem Rasen ruht ein weißes Haus.
Drei Stufen führen nach der grünen Pforte,
Und rechts und links in safrangelben Töpfen
Blüh'n — weiß und rot und lila — Hyazinthen
Mit düftesüßen, blütenschweren Köpfen.

Ein herber, frischer Hauch weht durch die Luft
Und Sonnengold verwebt sich mit dem Duft
Zu wundersamen Frühlingsharmonien.

Ein Plätzchen winkt zu tatenlosen Träumen,
Ein Rund aus silberweißen Birkenbäumen,

Ein Dach von kaum bewegtem Schleiergrün,
Ein lichter Himmel, dran die Wolken zieh'n,
Und Sonne rings, soweit die Blicke schweifen,
Auf jungem Land, in breiten goldnen Streifen.

Dort ruhen wir im warmen Sonnenregen.
Noch liegt auf deinen Wangen, den erblaßten,
Des argen Winters kaum bestandene Not;
Doch in den Fingern, die die meinen faßten,
Pulst schneller schon dein Blut, so jung und rot.
Und deine Lippen sprechen süße Worte —

Von neuen Wünschen und von neuen Trieben,
Und unsere Lippen finden sich zum Kusse
In neuem, reinen, frühlingsjungen Lieben.

Und wirft der Abend seine roten Schleier
Der Sonne um die nackten, weißen Schultern,
Zu liebeseliger Vermählungsfeier,

Dann leite ich dich sacht ins Hans zurück;

Weit draußen, hinter Bergen, stirbt das Licht -

Der Lampe Schein-dein Antlitz-

ein Gedicht —

Ein leiser Duft von schlummermüden Blüten —

Und draußen in des Frühlings Wundernacht
Seh' ich das Glück

Die Schwelle unseres weißen Hauses hüten.

Vilma Schncider-Iäszp

Das heilige Grab

Von E. von Stehlin

rüher war die Dorfkirche einmal eine
t Wallfahrtskirche gewesen. Und deshalb
ist sie so groß, viel zu groß für das kleine
Dörfel. Es ist eine vergnügte Kirche, mit Barock-
schnörkeln auf dem gotischen, alten Gewölbe.
Oben in der Kirche ist ein Bild, welches die Decke
perspektivisch in einen unendlichen Himmelsraum
erhöht. Es stellt die Himmelfahrt der Gottes-
mutter dar: ein junger, verklärter Christus emp-
fängt die Jungfrau mit ausgebreiteten Armen,
—d beide sind strahlend jung und glücklich, —
keines der beiden hat gelitten — keines über-
wunden. Sie sind froh, heiter und selig.

Nun ist es Karfreitag in der Kirche. Durch
die schmalen, hohen, hellen Fenster schauen die
glänzenden Schneeberge herein. Es ist ganz
still und feierlich, und die vergnügte Kirche be-
müht sich, ernst darein zu sehen. Violett ist die
Kanzel ausgeschlagen, und das paßt gar nicht
zu den zierlich gerafften Vorhängen aus Stuck,

0. Hentze

zwischen denen neckische, kleine Engelchen kokett
hervorblicken.

Die Gläubigen kommen und gehen. Es sind
meist Bauernfrauen, — junge und alte, mit
Kopftüchern, und darüber tragen sie noch einen
kleinen, runden Filzhut. Sie kommen langsam
und bedächtig herein, bekreuzigen sich, falten
die steifen Hände vor dem Schürzenbund und
gehen schlurfend nach vorne.

Vor dem Hauptaltar liegt auf dem Boden
ein großes Kruzifix; vor dem knieen sie schwer-
fällig nieder, bestreuen den gemarterten Körper
mit Getreidekörnern und dann klappert in die
danebenstehende Sammelbüchse ein Geldstück.
Alles ruhig und bedächtig. Und dann geht's
zum heiligen Grab.

Das heilige Grab! Da liegt der Meister
— tot. Gottes Sohn liegt in seinem Grab.
Nach unendlicher Marter und abgrundtiefer
Todesnot hat er die Menschheit erlöst. Nun
liegt er still und weiß da, und ruht von schwerer
Arbeit. —

Aber die Menschen sind nicht traurig darüber.
Man weiß schon, in zwei Tagen ist das Grab
leer und er lebt, und hört einem zu, und man
darf wieder mit allerlei Anliegen zu ihm kommen.
Das Grab ist auch nicht traurig. Frühling ist's,
ein schüchterner, junger Frühling geht durch's
Tal. Da stehen Blumen, recht bunte, lustige
Bauernblumenstöcke. Und süße weiße Schnee-
glöckchen stehen da und dort, und duften leise
nach Frühling. Und farbige Glaskugeln sind
da, hinter denen Lichtlein brennen, und das
schwankt und strahlt und leuchtet so lustig und
festlich, daß man gar nicht traurig werden kann,
so wenig, wie wenn die liebe Sonne einem
ins Zimmer scheint.

Vor dem „heiligen Grab" knieen zwei kleine
Ministranten in roten Röcken; sie beten eifrig
und manchmal knuffen sie sich leise.

Und zu beiden Seiten stehen unbeweglich
wie Statuen zwei Soldaten, — Jäger, das Ge-
wehr bei Fuß, mit aufgepflanztem Bajonett.
So stehen sie an den Kartagen im ganzen Lande
Oesterreich. Vielleicht ist's eine siimbolische
Ehrenwache, — vielleicht stellen sie die römischen
Söldner dar, die Wache hielten am Grabe des
Herrn.

Sie stehen ganz regungslos, und rühren sich
nicht und das Bajonett funkelt im farbigen
Reflex der Lichter. Prächtig sehen sie aus.
Stattliche Leute sind's; die Gesichter blicken
kriegerisch unter den Galasederbüfchen drein,
der Hut sitzt ein wenig schief und wird unter
dem Kinn durch einen Riemen festgehalten.

Manchmal geht ein ganz leises Schwanken durü,
ihre Gestalten. Utct)

Es ist ganz still in der großen, fröhlichen
Kirche, die um ihren Bräutigam trauert. ™

Neben mir kniet ein junges, junges Bauern
mädel. Ein hübsches, derbes Ding. Das gelb-
Kopftuch umschließt ein frohes, blühendes Gesicht
Die festen Arme sind auf das Betpult aufae-
stützt, das Gesicht liegt zwischen den Händen
verborgen.

Sie betet. —

Nein, sie betet nicht.

Durch die Finger hindurch blickt sie mit
ihren hellen, lachenden Augen geradewegs in
das braune Gesicht des Jägers. Zuerst ist's ein
lächelnder Blick, voll Schelmerei, voll gewohn-
heitsmäßiger Gefallsucht. Dann gleiten die
schweren Arbeitshände an den Wangen herab
bis zum Munde und bleiben dort nachdenklich
staunend liegen und die Wangen werden röter.
Und nun strahlt das Gesicht hell auf, denn in
die starren Augen der Wache ist Leben ge-
kommen. Unbeweglich steht der Mann, keine
Muskel zuckt im Gesicht, die Augen aber
sprechen. Der Jäger sieht gerade in das hübsche
derbe Gesicht des Mädels. Und sie blicken sich
an. Die Blicke kommen und gehen, — werben
und necken, — fliehen und fangen sich. Sie
bitten und betteln, und streicheln. Die Hände
des Mädchens sinken weiter herab, — der
Mund wird frei, — ein festes rotes Lippenpaar
zeigt sich, es ist sehnend geöffnet. Der Atem
geht hörbar. Und die Augen halten sich ganz,
ganz fest. —

Die Kirche ist still, leise spielen die Flämmchen
in den Glaskugeln. Jemand hustet, und ein
Geldstück klingt in der Büchse.

Ein Vogel schreit draußen vor dem Fenster
in seliger Lust laut auf. Die zwei Menschen
sind verbunden durch das ewige, jauchzende
Lebensgesetz.

Gottessohn ruht von seiner schweren Er-
lösungsarbeit aus. —

Der Schritt der Ablösung dröhnt durch die
Kirche. Hart an dem jungen Weibe vorbei
geht der Jäger. Seinem werbenden Blick ant-
wortet ein williges, demütiges rmd doch sieg-
reiches Lächeln. Dann läßt sie ihr heißes Gesicht
in die Hände sinken. Fest drückt sie die Finger
in die Augen. —

Die Blumen am Altar blühen, die süßen,
keuschen Schneeglöckchen duften leise nach
jungem Frühling und feuchter winterbefreiter
Scholle.

Bald feiert der tote Gottessohn triumphierend
seine Auferstehung. —

Vom D-Zug aus

Seid ihr nun wieder still und hoffnungsvoll
Am harten Werk der Mühsal und Beschwerde?
Daß sie die Frucht des Lebens tragen soll,
Verwundet euer Pflug den Schoß der Erde.

Geduldig nimmt sie aus gefurchter Hand
In ewigalte Wunden neuen Samen;

Der graue Himmel segnet Korn und Land,
Ein milder Westwind spricht des Schöpfers Amen.

Hart wo die blanke Schar die Zeilen schneidt
Umfliegt die Krähe eure Arbeitsspuren;

Wie erstes Blühn ist euer Werktagskleid
Bunthin verstreut ins herbe Licht der Fluren

Mit Achsenklr'rren stört euch unser Zug.
Gestützt aufs Feldgerät die schweren Glieder
Seht ihr ihm nach, dem fremden Vogelflng —
Und wendet um, und zieht die Furchen wieder

Franz tbangheinrich

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Register
Vilma Schneider-Jaszy: Frühling
E. v. Stehlin: Das heilige Grab
Gudmund Hentze: Vignette
Franz Langheinrich: Vom D-Zug aus
 
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