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Nr. 28

Oberammergau!

Nun ward auch mir im Gau der obern Ammer,
Wo steil der Kofel in die Höhe steigt,

Die „Passion" mit ihrem Glanz und Jammer
Im weltberühmten Wunderspiel gezeigt —

Und ohne daß ich dieserhalb erröte,

Ich alter Skeptikus, gesteh' ich ein:

Ich wüßte nichts, was gleichen Anlaß böte,

Im tiefsten Busen höchst entzückt zu sein!

Wenn man bedenkt, daß dieser Ort ein Dorf ist,
Und daß sein Spiel den Erdball halt in Bann
Und daß dies Spiel erstaunlich polymorph ist —
Beschäftigtes mehr doch, als sechshundert Mann;
Wenn man bedenkt, daß diesen Ammergauern
Das Alles ganz gelingt aus eigner Kraft,

Den schlichten Schnitzern, Hafnern,

Bürgern, Bauern —
So ist das schlechthin einfach fabelhaft!

Des Festspiels Dauer schon allein ist mächtig —
Von Morgens acht bis Abends gegen sechs,
Von A bis Z voll Leben, reich und prächtig —
Da wird auch der Blasierteste perplex!

Wie diese Massen sich natürlich regen,

Gelenkt von einem Willen doch und Geist,
Verdient allein schon, daß man seinetwegen
So schnell als möglich ins Passionsdvrf reist!

Der Einzug in Jerusalem zum Beispiel:

Wie imposant ist Alles da gruppiert —

So kunstvoll, daß mit diesem Bauern-Frei-Spiel
Auch kein Max Reinhardt siegreich konkurriert!
Von hoher Weihe war dies Bild durchleuchtet!
Obwohl doch gar nichts Tragisches geschah,

Hat sich mein Auge peu ä peu gefeuchtet.

Als es das Volk in seinem Jubel sah.

Wie jede Farbe da am rechten Fleck ist!

Wie instinktiv ein Jeder, was sich ziemt.

Erfaßt und Wahrheit eines Jeden Zweck ist
Und Jeder Alles nur erlebt, nicht mimt —■
Das war mir einfach eine Offenbarung
In Hinsicht auf das szenische Problem!

Und dann: wie prachtvoll meist ist die

Behaarung!

Wie kernhaft sind die Typen außerdem!

Süperb, die Szenen mit den Hohepriestern,
Dem Anas, Sadok und Rathanael
Und anderen fanatisierten Biestern
Und Kaiphas, diesem Meister im Krakel!

Wie haben die die Massen aufgewiegelt
Mit Wort und Mimik und perfidem Wink,

Bis den Verrat mit einem Kuß besiegelt
Der Judas, dargestellt von Johann Zwink!

Tief packte mich des Abendmahles Feier,

Wie auch der Damen Spiel zum Herzen drang.
Des Fräuleins Zwink und der Maria Mayer —
Hitb erst der Christus, Hafnermeister Lang!

So ruhrend war er, würdig, schön und edel,

iöiö

Rob. Schraudolph

Daß ich begriff, wie fromm und desperat
Kurz vor dem Mittagstisch ein Mulee-Mädel
Ins Knie sank und um seinen Segen bat.

Gleich nach dem Essen — dies war gut

und reichlich! —

Nahm die Tragödie ihren höchsten Flug
Und Anton Lang war direkt unvergleichlich,

Als er das Kreuz zur Schädelstätte trug.

Die Kreuzerhöhung packte auch die Lauen,

Die Kreuzabnahme packte fast noch mehr
Und rings um mich, bei Männern wie bei

Frauen,

War nicht das kleinste Auge tränenleer!

Die Rührung hatte Aller sich bemeiftert
Und rührend wars auch, wenn schon recht naiv,
Als nach der Himmelfahrt vor mir begeistert
Ein Herr aus Boston laut da capo rief!

Nur eine Stimme war, daß Alles gut war,
Solisten, Chöre, Volk, Regie, Musik,

Daß Alles schön gekleidet und beschuht war,
Voll Farbenpracht und wirklich wie antik!

Alsdann ergoß die christliche Gemeine
Sich wie ein Bergstrom aus dem Festspielbau
Und spendete, beim Bier teils, teils beim Weine
Das höchste Lob für Oberammergau.

Und wer auch viel geseh'n schon hat auf Bühnen
Und nicht naiv mehr fühlt und anspruchslos.
Der muß von diesem Weihespiel im grünen
Gebirgstal sagen: Nein! Das war famos!

Biedermeier mit ei

Der link' Schächer

Im Jahr 1760 hat der Hacker Jörgele
den linken Schacher spielen dürfen, weil er
ein ganz Verwilderter gewesen ist und ein so
schiaches G'schau gehabt hat, zum Fürchten
schiach.

Und ein recht Unbändiger ist er auch ge-
wesen; deswegen haben sie ihn immer recht

fest ans Kreuz gebunden, daß er sich ja nicht
hat losreißen können und Sachen anrichten in
seinem Unverstand. Ein biss'l ein Dalketcr
ist er ja auch gewesen, der Hacker Jörgele.

Und wie sie ihn wieder einmal recht male-
fizisch ans Kreuz hingebunden haben, da ist's
ihnen im Eifer gar nicht ausgefallen; daß der
Jörgele immer noch die Pfeif' im Maul ge-
habt hat, die Pfeif, aus der er den ganzen
lieben Tag rauchl und ohne die er einmal
nicht leben mag.

Ist schon zu spät gewesen, wie sie's gemerkt
haben, der Vorhang ist grad aufgegangen.

„Jörgele, tu die Pfeif aus dem Maul!" hat
der Spitzer Anderl gewischpert, der den Haupt-
mann Longinus mit der Lanzen gemacht hat.

„Kann nit — soviel fest bin ich Kunden
— höllsaggra, und ich kann nit!"

Die Worte sind ihm ganz undeutlich heraus-
gegangen, weil er mit den Zähnen die Pfeif
hat halten müssen, der Jörgele. Aber an den
Stricken hat er zogen wie ein Wilder — haben
aber seine Müh' schon ausgehalten.

„Die Pfeif!" hat der römische Haupt-
mann Longinus wieder gesagt.

„Wann ich die Hand nicht losbring!" zischt
der Jörgele.

Vis dahin hätt's das Publikum noch gar
nicht gemerkt, weil sie alle den Christus an-
geschaut haben. Aber da hat's den Jörgele
mit dem Reden getroffen und da muß er die
zwei schönen Vers hersagen:

„Bischt du der Gottessohn,

Wo uns nicht helfen konn-saggra,

saggra, iatzt ischt die Pfeif auch beim Teifl!"

Recht hat er, der Hacker Jörgele: die Pfeif
ist ihm außerg'schloffen und den Pfeifenkops
hat's in drei Trümmer gehaut.

Georg Einen

*

Mteße Jugend!

Es geschah in Oberammcrgau, daß ein
Mann nach dem Spritzenhanse geschleppt
wurde. Ursache: Diebstahl. Zwei ganze
Schinken und ein Kranz Regensburger Würste.

„Eingsperrt muaß er wera!" schrie der
Metzger, der den Dieb am Kragen hielt.

„Geaht nit", sagte der Dorfprofoß be-
dächtig, „im Spritzchaus sind zwei Eng-
länder eiloschiert. Dees zahlt so a lumpcter
Dieb nit, was mir die zwei Engländer zahle."

*

Ans der Passionsbühne: Petrus hat seinen
Herrn verleugnet und ist dann in die Ein-
samkeit geflohen. Johannes kommt auf die
Bühne und fingt: „Wo muß denn Petrus
hingekommen sein?"

Stimme aus dem Publikum: „Hott muescht
Dich haltn, Johannes; sell ischt er umi, der
Loadschwanz." «n-g>

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[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Georg Queri: Der linke Schächer
Biedermeier mit ei: Oberammergau!
Robert Schraudolph: Zeichnung ohne Titel
 
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