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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 15.1910, Band 2 (Nr. 27-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.3954#0034
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Pinakothek und — —

Die Tante Staat: „Da schaut, Kinder, was
ich Euch für schöne Bilder von meinen Reisen
für Eure gute Stube mitgebracht habe! — Wir

e*

JIu$ dem lyrischen

Tagebuch des Leutnants v. verlewitz:

I. Nochmals Oldenburg

Bayrische Landtags-Diskussion,

Las eigentlich mit Trauer;

Leugne nich: hege für meine Person
Faible für „Januschauer".

Hatten Affäre nich, wie mir scheint,

Nochmals aufwarmen sollen:

Wort über Bayern nich bös jemeint,
Grundlos, ihm drum zu jrollen.

Haben ihn erst in Ruf jebracht,

Mücke, die bißchen jestochen,

Faktisch zum Elefanten jemacht —
wie jüngst auch ausjesprochen.

weiß wohl, is Heißsporn un manchesmal
Durch kecke Reden beschwerlich —,

Aber auch durch un durch loyal,

Rönigstreu un jrundehrlich!

Rann überhaupt mich — jestehe ein —

Ueber ihn nich recht empören,

Schon weil — bekanntlich - auch

Unserer n'n

Vlad> Verdienst weiß zu ehren.

II. Zur Jenesung Sr. Majestät

Stein mir von Herzen jefallen. Zuletzt
Doch bißchen ängstlich jewesen.

Eklige Stimmung vorüber jetzt:

Majestät wieder jenesen!

Blatt, das sonst immer jut informiert,

Ja, als unfehlbar jepriesen,

Diesmal uns jründlich irrejeführt:

Meldung als Ente erwiesen...

Jab keinen Rniefurunkel! — Jerücht
Vorfall stark übertrieben:

Rleinen Erjuß vom „Müllern" jekriegt.
Draufhin zu Hause jeblieben.

Beinwerk jeschont. Drei Tage lang
Hängematte jehangen.

Dann aber riesigen Reisedrang:

Vierten Tag — losjegangen!

Jott Lob, für Riel noch nich zu spät —
(wenn auch für „Hamburger Rennen") ...
Via, is wahrhaftig Majestät
Mal eine Reife zu jönnen!

Der Hosenknopf

Es war ein Mord passiert und zwar mit
einem Feuerzeug.

Wegen Silberzeug oder so etwas ähnlichem,
— aber das ist ganz nebensächlich, denn die
Sache drehte sich um einen Hosenknopf.

Der mutmaßliche Mörder selbst war geflohen,
man suchte nach dem Mitschuldigen und mut-
maßte einmal auf des mutmaßlichen Mörders
Frau und dann auf „Unbekannt". Aber die
Sache drehte sich um den Hosenknopf, den man
gefunden im Raum, wo das Verbrechen ver-
brochen worden war.

Erst wurde der Gemeindevorstand und sämt-
liche Gemeinderäte vernommen, ob sie nicht sagen
könnten, wer solche Hosenknöpfe trug: es war
nämlich ein ganz seltsamer individueller Hosen-
knopf. Dann wurden sechs erste Pariser Schneide-
rinnen nach dem kleinen deutschen Provinz-
städtchen zitiert. Sie sollten als Sachverständige
bekunden, ob es vorkommt, daß — Pardon —
Frauen solche Hosenknöpfe tragen; dann je drei
Wiener und drei Londoner Schneider, denn der
Hosenknopf mußte identifiziert werden.

Es ging nun schon sechs Wochen und drei
Tage, der Hosenknopf füllte Spalten in allen
deutschen Zeitungen, er beschäftigte andauernd
ein Heer von Beamten, und drei Staatsanwälte
und zwei Verteidiger waren wegen des Hosen-
knopfes schon in der Nervenheilanstalt; der
Hosenknopf hatte den Staat bereits 17000 Mark
und etliche Pfennige gekostet.

Der Hosenknopf wurde eine nationale Frage,
an der die Ehre der deutschen Justiz und der
deutschen Gründlichkeit klebte, und immer wußte
noch niemand genaues über den Hosenknopf.

Als man schon ganz verzweifeln wollte in
der siebenten Woche seit Beginn der Ver-
handlung, und als schon einigen Geschworenen
die Bärte um die Tische herum gewachsen
waren, da meldete sich, Gott sei gedankt, ein
alter Tischler. Dieser Mann hatte den Sarg
zugenagelt, einen Nagel schief herein geschlagen
und wieder herausgezogen und sich dabei einen
Hosenknopf abgesprengt. Den Hosenknopf hatte
er selbst hergestellt aus einem Stück einer alten
Stiefelsohle.

Telegramme flogen im ganzen Land herum,
die Ehre der deutschen Justiz war gerettet, —
der Hosenknopf war identifiziert.

Fritz Sänger

*

Die neuen Minister

(Dem Preußenvolk ins Stammbuch)

Ich wünsche, daß bei diesen Zwei'n
Dir die Erkenntnis dämmert:

Fällst Du auf den Feudallwitz 'rein,

So bist Du schorbelemert!

Die japanische Reklame

bedient sich, wie „Japon et Belgique“ berichtet,
einer außerordentlich blumenreichen Sprache. So
erklärt ein Krämer:

„Unser Essig ist saurer als die Galle der aller-
teuflischsten Schwiegermutter." Ein Modehändler:

„Meine Angestellten sind so liebenswürdig,
wie ein Vater, der seine Töchter ohne Mitgift
verheiraten will."

Auch uns stehen einige solche Blüten bilder-
reicher Reklame aus japanischen Inseraten zur
Verfügung. Da kündet ein Schreibwarenhändler
in Tokio an:

„Unsere Tusche ist fast so schwarz wie der
Bayrische Kultusminister, und unser Leim klebt
so fest, wie er am Zentrum." — Ein Gärtner
behauptet:

„Unser Kohl ist nicht schlechter wie der, den
der fleißige Abgeordnete Erzberger tagtäglich im
„Tag" produziert." — Ein Juwelier:

„Unsere Goldwaren sind so echt, wie die Treue
Italiens zum Dreibund." — Und ein Restaurateur:

„wir geben Reisportionen, so groß, daß sie
selbst der Abgeordnete von Januschau nicht auf
einmal in den Mund schieben könnte!"

Ki-Ki-Ki

— — Volk in München

vsollen sie aber schön — einschliessen, damit
Ihr nicht zu viel Fusstapfen hereinbringt!“

VTuancen

Schwarzblau ist die Mode heuer,
Schwarzblau ist besonders fein!

Immer schwärzer muß und bläuer
Meine Garderobe sein! — —"

Dies war Theobalds Gedanke,

Als er in die Hosen fuhr.

Denn auch im Ministerschranke
Hing manch ältre Garnitur.

Landwirtschafts-Gehöse schießen
Beispielweis im Sommer sehr —

Theobald sprach gleich: „Hier müssen
Schöne neue schwarze her!"

Doch auch das intime dünn're
Unterbeinkleid bleicht sich gern —

Theobald sprach: „Auch das Innre
Eines Menschen sei modern!"

Und so ist bis auf die Glieder
Theobald nun schwarzblau heut,

— Ja, vielleicht im Geiste sieht er
Auch die Haut schon schwarzgebläut. .

* A. 1>. X.

Bestrafte Porträttreue

Der Pariser Maler Ferdinand Bac ist vom
Papst wegen eines realistischen Porträts
L e o's XIII. — exkommuniziert worden. Pius X.
faßt das Bildnis, das viele römische Prälaten
als sprechend ähnlich anerkannten, wegen der
scharfen Ausladungen des Profils als Cari-
catur auf.

Ferdinand Bac ist wohl nicht der Erste, den
der Bannstrahl trifft, weil er das wahre Ge-
sicht eines Papstes gezeigt hat! — g —

Der neue Campanile

Es kostete Geld, wir mühten uns stark, o, —

Jetzt steht der neue Turm von Sankt Marco!

Die Glocken haben zum ersten Male gebimmelt,
Die Menschheit hat auf dem Marcusplatze gewimmelt,
Die Piazzetta aber war fast zu enge
Für all das furchtbare Menschengedränge.

Man war ganz ungeheuer begeistert,

Daß nun der Schaden so prächtig verkleistert,
wie gleicht der neue so gänzlich dem alten, —

©, möge er eben so lange halten!

Bald werden die Tauben ihn eingemistet haben,
Dann wird er das Herz des Touristen erlaben.

Es spricht der Deutsche zur Gattin mit schönem Gefühle
„So unerschütterlich, Kind, wie der Campanile,

So steht die Liebe in unseres Herzens Grunde.

Seit einer Woche Hab' ich die Trauurkunde.

Doch, Teure, ich glaube, es wird nun kühle.
Komm, lasten wir lieber den Lampanile.

Ich liebe dich stark, ich laste dich nimmer!
wir nehmen das Abendbrot auf dem Zimmer."

Robinson
Register
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz
-g-: Bestrafte Porträttreue
Peter Robinson: Der neue Campanile
A. D. N.: Nuancen
Fritz Sänger: Der Hosenknopf
Willibald Krain: Pinakothek und Volk in München
[nicht signierter Beitrag]: Die neuen Minister
Ki-Ki-Ki: Die japanische Reklame
 
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