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Die Ballade von den Münchner Anarchisten

Der neue Plutarcb

podewils' Abschied?

Längst schon ahnten alle guten Christen,

Und es ahnte auch die Bullizei:

Hier in München giebt es Anarchisten,

Lebend nur der Hochverräterei.

Wenn die Bürger schnarchen sanft im Bette,
Kommen sie zusammen nächtlich spät
Und beraten, wie im eignen Fette
Man Monarchen und Minister brät.

In den Kellern und in Katakomben
Hausen tief sie zur Gespensterstund',

Gießen Kugeln und die dicksten Bomben,

Nicht mit Blei zwar, aber mit dem Mund.

Deshalb war der Staatsanwalt im Klaren,
Was hier seine erste Bürgerpflicht,

Und eröffnet wurde das Verfahren
Und die Sünder kamen vor's Gericht.

Doch der Hauptbelastungszeuge leider,

Den aus dem Gefängnis man geholt.

Sagte grinsend, unverschämt und heiter:
„Kinder, hört, ich Hab' Euch nur verkohlt.

Harmlos ist der Anarchistenkoller,

Höchst gemütlich der Empörerstab.

Seine Jünger kamen aus dem -Sollet,

Weil es Aufklärung mit Freibier gab.

Zu dem Freibier sprach man freilich offen,
Daß der Staat ein großer Unfug sei.

Aber weil man größtenteils besoffen.

Platzten keine Bomben nicht dabei!"

Sieh, da schmolz der harten Klage Kälte,
Und das Publikum hielt sich den Bauch,
Mächtig feixten die Herrn Rechtsanwälte
Und des Staatsanwaltes Zwerchfell auch.

Freigesprochen wurden sie fast Alle,

Weil sie keinen Hochverrat geübt.

Doch das Landgericht spricht zu dem Falle,
Der so heiter ausging, tiefbetrübt:

„Fängt man wirklich mal mit großen Listen
Anarchisten irgendwie und -wo,

Ach, dann sind es garnicht Anarchisten,
Sondern Sprüchemacher nur en gro5!"

— Hiermit schließt mit mächtigem Applombe
Karlchen dies Gedicht und kündet klar:

Schickt mir dafür, bitte, keine Bombe!
Höchstens Freibier — ohne Kommentar!

An Clorindens i'Tafe

Der Chicagoer Professor W. C. Wilkinson kon-
statiert, daß die Dichter törichterweise nie die Nasen
ihrer Geliebten besingen, obwohl die Nase ebenso
poetisch sei wie das Haar, das Auge, die Lippen oder
die Hand.

Wilkinson, Du bringst mich in Ekstase.

So besing' ich denn Clorindens Nase,

Diesen holden Borbau des Gesichts.

O wie lieblich ist der kleine Giebel,

Rosig wie die Hyazinthenzwiebel,

Wahrlich, nichts gleicht ihr an Anmut! Nichts!

Ha, wie traf der Pfeil aus Amors Köcher,
Als mir lachten Deine Nasenlöcher!

Lenus gleich erschienest Du mir, Schatz,

Als der Frost sie färbte süß mit Tüpfchen,

Hat, — so frug ich — überhaupt ein Schnüpfchen
In Clorindens Beilchennäschen Platz?

O wie reizt es mich, hinein zu beißen.

Sie in Oel und Essig zu verspeisen,

Wie man Freyas Aepfel heiß verschlingt!
Wenn sie niest, klingt's nicht wie Elfenflüstern?
Wenn sie schnaubt aus ihren Pfirsichnüstern,
Ist es nicht, als ob Apollo singt?

Schönste Nase aller Erdennasen,

Laut' verkünde ich in hohen Phrasen,

Wie poetisch Du! Halleluja!

(Heimlich aber flüst're ich, ich Schurke:

Weib, was hast Du für 'ne wüste Gurke!
Solch ein Zinken war noch garnicht da!)

Helios

Mitglieder des Münchner Anarchisten-
klubs saßen in ihrem Stammlokal:

„Du willst ein Anarchist sein und bezahlst
Deinen Russee?"

*

Als Haeckel in Jena die Hagenbeckfche in-
dische Völkerschau besuchte, knipste ihn ein
Amateurphotograph gerade in dem Moment,
als er mit einem possierlichen 2lcffchen spielte.
Der Schalk von Photograph hatte sich den
Augenblick gewählt, in dem auch der katho-
lische Pfarrer Ley an die Gruppe herangetreten
war, so daß ein kurioses Bild entstand.

„wenn sie nur so lange Frieden halten,
bis das Bild fertig ist!" soll das Aeffchen ge-
dacht haben. „Nachher kann wieder Jeder
abstammen, von wem er mag!"

*

Zwei Münchner „Propagandisten der Tat"
besprachen sich:

„Sobald beim Tietz Ausverkauf in Bom-
ben ist, sprengen wir das Rathaus in die Luft!"

*

Die Passagierkabine des famosen „L Z. VII"
ist bekanntlich sehr komfortabel eingerichtet.
Auch für Restauration ist gut gesorgt.

„Rcllner!" rief ein Fahrgast, der die dritte
Flasche Sekt hinter sich hatte, „ich habe Ihnen
doch schon dreimal gesagt, Sie sollen mir ein
Automobil holen lassen! Meine Frau wird
schön schimpfen, wenn ich wieder so spät nach
Hause komme!"

*

„Eminenz, haben Sie schon von dem neuen
Buch: ,Hat Jesus das Papsttum gestiftet^ ge-

„Ia, ja, mir scheint mit unserer Enzyklika
haben wir einen neuen Schnitzer gemacht!"

(Frei nach Schiller)

Podewisl will sich von uns wenden?

Er, der mit den liebevollen Händen
Seinem Zentrum täglich Opfer bringt?

Der 's versteht, den wilden Heim zu ehren
Und sogar mit Ort'rer zu verkehren,

Und so schöne Schnaderhüpfl singt?

Wer wird künftig seinen Schnurrbart kräuseln,
Wer mit Schwarz- und Roten Hofbräuhäuseln,
Wenn der Maibock Alles froh vereint?

Wer wird Rußland zu bekriegen wagen,
Und sogar den Papst ergebenst fragen,

Wie er die Enzyklika gemeint?

Nimmer in der Parlamentsdebatte
Würd' ich Deine elegante Platte
Glänzen sehn und Deiner Rede Strom?
Nimmer, als der Liebling der Kamönen,
Würdest Du verschönend fürder krönen
Unser Muster-Ministeriom?

Nein, verlaß uns nicht, o Podewisl!

Geh noch nicht zur Pensionopolisl!

Sing' nicht Deinen Schwanenjodler schon!
Sieh, es kommt nichts Beffers nach auf Erden —
Es wird, wenn wir Dich verlieren werden,
Ach und Wehner sein in Ilion!

A. De Nora

*

Das moralische Moment

wir hatten bei einem Sonntagsausflug nach
einer kleinen Stadt im Salzburgischen (nicht ganz
ohne Absicht meinerseits) den letzten Rückzug ver-
säumt.

Fritzi schien anfangs darüber untröstlich. Sie
wollte unbedingt zu Fuß gehen. Ls könnte ja
nicht weit sein.

„Gewiß Schatz, nur zehn Stunden."

So müsse man sehen, einen wagen zu be-
kolnmen. Ls könnte ja nicht so teuer sein.

wir erkundigten uns.

„Um a zwölf Gulden tat i scho fahrn, balds
mir aa in Linstand von die Roß und 's Futtergeld
und d' Maut und d' Zehrung zahlats und a kloans
Trinkgeld göbats."

Fritzi meinte, eine solche Auslage könne sie
inir nicht zumuten. Vielleicht fänden wir einen
billigeren.

Der stätdische Sicherheitswachmann, den wir
darob interpellierten, gab uns den Rat, nach
Kleingröllersdorf — eine leichte Stunde von hier
— zu gehen und dort mit der Lokalbahn Klein-
Gröllersdorf-wiesen nach Kirchfeld zu fahren, wo
wir mit dem Schnellzug um \2 Uhr 50 Anschluß
hätten.

Fritzi war dagegen. Man könne sich aus etwas
so Unsicheres doch nicht verlassen.

Und so sahen wir uns nach einem Gasthause
zum Uebernachten um.

Im Hotel „Post" war leider alles besetzt.

Im „Weißen Rößl" tat es der Wirtin sehr leid,
daß kein Zimmer mehr frei wäre.

In den „Drei Kaisern" war bereits alles
vergeben.

Auch in den drei übrigen bedauerte man lebhaft.

Fritzi machte nur Vorwürfe.

„warum sind wir nicht nach Kleingröllersdorf
gefahren? Ich habe es doch gleich gewußt, daß
es so gehen wird."

Ich versuchte sie zu trösten.

„wir wollen einmal zum Stationsvorstand
gehen. Vielleicht weiß der ein Privathaus, wo
man ein Zimmer bekommen könnte."

„Gedulden Sie sich einen Augenblick," sagte
der Stationschef, als wir ihm unser Mißgeschick
erzählt hatten, „das werden wir gleich haben.

Nach fünf Minuten kehrte er mit einem alten

isekoffer zurück.

„So," er schlug dabei den Staub herunter,
tzt nehmen Sie einen Dienstmann, geben Sw
n den Koffer zu tragen und gehen Sie ruhig
chmals in eines von den Hotels."
wir folgten. Nahmen einen Dienstmann, gaben
n den Koffer zu tragen und gingen ins Hotel
»oft". Als wir beim „Weißen Rößl" vorder-
Register
A. De Nora: Podewils' Abschied
Pacificus Kaßlatterer: Das moralische Moment
Helios: An Clorindens Nase
Karlchen: Die Ballade von den Münchner Anarchisten
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
 
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