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. . . Madonna auf der Strassen

Epigramme

von Karl Bttliriger

Der Zitatenreiche

Zitate hier und dort, an allen Enden.

Geistreichler Du: Du sprichst mit fremden Händen!

Für Herrn Sxietzer

Mit lahmen Beinen, wie Du weißt,
Erklimmt man keine Bergeswand.

— Wie? Und Du willst mit lahmem Geist
Dem Dichter folgen in sein Land?

Linern frpininen Filou

Du fühlst Dich rein von aller Schuld und Fehle,
Kasteist Du nach der Sünde Deinen Wanst?
Mir scheint, Du wäschst nur deshalb Deine Seele,
Daß Du von neuem sie beschmutzen kannst.

I rchschnittsxoesie

Aus brodelnden Worten ein warmes Ragout,
Gelingt allen lesenden Flachen.

— Es gehört schon großes Talent dazu,
Heut' keine Gedichte zu machen.

An einen Kritiker

Daß er mich lästert, laut und verblümt,
Verzeih' ich dem Antipoden:

Es ist mir lieber, er schimpft mich berühmt,
Als er lobt mich in Grund und Boden.

Die Eselsbrücke

In der Prima des Eulmer Gymnasiums werden
die Reden gegen Derres gelesen. Cicero erwähnt
seine Reise von Rom nach Sizilien, und im An-
schluß daran kommt man auf moderne Reisen
und damit ganz allgemein auf die Fortschritte der
Technik zu sprechen. Der unterrichtende Lehrer
verlangt von dem biederen Ultimus der soeben den
betreffenden Passus übersetzt hat, einige Worte
über dieses Thema, aber vergeblich.

„Na, kennen Sie denn kein Wunderwerk der
heutigen Technik," sagt endlich ungeduldig der
Professor, „das den alten Cicero in Erstaunen
setzen würde, wenn er vor Ihnen stünde?" —
Tiefes Schweigen.

„Na, denken Sie doch mal nach, Sie haben's
in der Tasche" — er deutet auf seine Taschenuhr
— „und sehen immer heimlich in der Stunde da-
nach." Da leuchtet das Gesicht des Gefragten
verständnisinnig und erlöst auf, und er antwortet
triumphierend: „Die Übersetzung."

Ferdinand Staeger (München)

Die Uhr

Als ich neulich im Tiergarten bin, merk ich,
daß ich meine Uhr zu Hause vergessen habe. Da
ich etwas vorhabe, wo ich pünktlich sein muß,
sehe ich mich um, ob ich nicht irgendwo die Zeit
erfahren kann. Auf der nächsten Bank sitzt eine
Gestalt, die allerdings etwas baffermannisch an-
mutet und nicht gerade nach dem Besitz einer Uhr
aussieht. Doch ich wende mich an sie. Zu spät
sehe ich, daß statt der Uhr eine Schnapsflasche
aus der linken, bedeutend ausgeweiteten Westen-
tasche guckt.

Schon will ich weiter, da sehe ich wie der
Mensch auf meine Frage ganz ernsthaft seine
Schluckflasche zieht. Er hält sie hoch und betrachtet
gewissenhaft den Inhalt.

„Dreiviertel zwölbe," sagt er. —

Es stimmte auf die Minute.

Das Erstgeburtsrecht

In der Religionsstunde wird die Geschichte
von Jakob und Esau durchgenommen. Um ihren
Schülern das Eistgeburtsrecht an einem allen be-
kannten Beispiele klar zu machen, spricht die
Lehrerin von den Prinzen.

Lehrerin: „wer kann mir sagen, was der
Kronprinz vor seinen Brüdern voraus hat?"

Fritz (strahlend): „Drei kleine Jungen!"
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Ferdinand Staeger: ...Madonna auf der Strassen
Karl Ettlinger: Epigramme
[nicht signierter Beitrag]: Die Eselsbrücke
[nicht signierter Beitrag]: Die Uhr
[nicht signierter Beitrag]: Das Erstgeburtsrecht
 
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