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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 15.1910, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 52
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https://doi.org/10.11588/diglit.3954#0747
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Ein ungenannt sein wollendes edles Brüderpaar
schenkt dem armen Herrn Michel eine neue passende
Schlafmütze.

Der neue Rodensteiner

Wer reift mit Rittern durch das Land,

Die all ihm untertänig?

Das ist der Herr von Heydebrand,

Der ungekrönte König.

„Seht her! Ich bin der starke Mann
Und trotze allen Stümpern.

Mein ist die Herrschaft! Niemand kann
Mir an die Wimpern klimpern."

Der Ritter pochte auf sein Glück,

Da bäumte sich sein Rappen.

Auf einmal ging Oletzko-Lyck,

Potz Blitz, ihm durch die Lappen.

Oletzko ist hin, Oletzko ist fort,

Oletzko, der kalte, grcgduftende Ort,
Oletzko, ach, ging durch die Lappen.

„Ein Kreis, was ist's? Das alte Loch
Verlier' ich ohne Reue.

Ich habe ja mein Labiau noch
Und Wehlau auch, das treue!"

Der Ritter traute seinem Stern,

Er kannte keinen Zweifel.

Da tönt' die Schreckensmär' von fern:

Auch Labiau ist zum Teufel!

Labiau ist hin, Labiau ist fort,

Labiau, der treue, schnapsbrennende Ort,
Labiau, ach, ist zum Teufel!

Hoiho! Doch wie man's treibt, so geht's!
Was liegt an dem Verluste?

Ein Mann bleibt doch der unsre stets.

Der Bethmann, der bewußte!

Potz Blitz! Und geht nach Jahr und Tag
Auch der einst vor die Hunde,

So tragen wir auch diesen Schlag!

Dann schallt's aus frohem Munde:
Bethmann is hin, Hollweg ist fort,

Dann kommt ein andres Kronj "wel,

Auch der pariert ja unferm Befehl,

Bis einst er geht vor die Hunde!

Frido

*

Der tlraum eines englifcben Mäklers

Nachdem mir das rechte Trommelfell von
den ewigen Rufen „Wählt Mr. Michigan!"
geplatzt war, begab ich mich in - die nächste
Bar, um mich durch einen Whisky zu erholen.
„Diesen Schnaps trinken alle Wähler des Mr.
Windsor!" sagte der Kellner, indem er mir ein-
schänkte. Ich bekam eine solche Wut, daß ich
den Teller nach ihn geschleudert hätte, hätte ich
nicht noch im letzten Augenblick auf dem Por-
zellan die Inschrift gelesen: „Wählt Dr.Dixson!"
Ich bestellte mir eine Portion Hasenbraten. Als
ich den Knochen abgenagt hatte, fand ich darauf
die Worte: „Wählt Mr. Beanstone!" Wütend
verlangte ich das Beschwerdebuch. Ich schlug
es auf und las: „Wählt Mr. Holborn!" Ent-
setzt sank ich in Ohnmacht. Ich erwachte in
den Armen eines Arztes. Er nahm den Cylinder
ab und auf seiner Glatze stand: „Wählt Mr.

Weihnachts-Julklapp 1910

Die Berliner Schutzmannschaft („Krawallerie-
Brigade") verehrt ihrem geliebten Chef den gezähm-
ten Berliner Bären.

Oxford!" Ohne mich lange zu fragen, verordnete
er mir alle Viertelstunden einen Wahlzettel. Als
ich mich weigerte, nahm er eine große Schere,
auf der „Wählt Mr. Newgate!" eingraviert war,
schnitt mir den Bauch auf und nahm das Rippen-
fell heraus.

Als er es gegen das Licht hielt, schimmerten
darauf die Buchstaben: „Wählt Mr. Padding-
ton!" Da tat ich einen Seufzer und starb. Meine
Seele stieg die Himmelsleiter empor. Rechts
und links schwebten Wolken mit den Inschriften:
„Wählt Erzengel Gabriel!" „Wählt Erzengel
Michael!" „Vernünftige Seelen wählen den
Apostel Paulus!" C in gräßlicher Fluch, ein
Blitzstrahl, und ich stürzte in die Hölle. In
einem Kessel i-jil siedendem Pech schmorte ich,
während n.cine Augen auf dem Rande des
Kochtopses schaudernd lasen: „Wählt Mephi-
stopheles!"

Gottlob, von diesem Schrecken erwachte ich.
An meinem Bett stand ein wildfremdes Kind,
ein Mädchen von sieben Jahren, sah mich treu-
herzig an und sagte: „Nicht wahr, lieber Herr,
Sie geben Ihre Stimme meinem guten Papa,
dem Mr. Camberwell?" Karichen

*

HITo!

Kurt war 4 Jahre älter als Fritz, und
dieser Unterschied führte immer wieder zu
Meinungsverschiedenheiten.

Kurt: vr. Eisenbart war ein Kurpfuscher.

Fritz: Hast Du jemals einen Kurpfuscher
singen hören:

„Ich bin der Doktor Ei>enbart
pirrewirrewill bvmbom
Kurier' die Leut nach meiner Art
pirrewirrewill bombom
Kann machen, daß die Blinden gch'n
Und daß die Lahmen wieder seh'n
pirrewirrewill bombom."?

Kurt: Das nicht.

Fritz: Also war er ein Wunderdoktor!

II. 8t.

*

Der neue Plutarcb

Als Matthias Erzberger zur Welt
gekommen war, fragte der Vater die Heb-
amme: „Bub oder Mädel?"

„Rann noch nix sagen, Herr Erzberger;
bis jetzt besteht das Ganze lediglich aus einem
großen Mund!"

Die füdbeutfchen Genossen haben den erledigten
Thron Manuels erworben und ihn Bebel für
feinen Münchner Ruhesitz gefchenkt.

Der scbwarje Prin?

Eheu! Eheu! Das ist bitter:

Auch der frommste Iesuiter
Wird als Modernist verschrie'n
Heutzutag — schwupp! Hat man ihn!

Paßt er nicht den Orthodoxen,

Tun sie grob ihn niederboxen —

So, wie jetzt den Prince de Saxe
Monsignore Doctor Max:

Nämlich diesen Monsignore
Kauft sich der Osservatore,

Weil er einen Aufsatz schrieb,

Der dem Vatikan nicht lieb!

Von dem Römischen Systeme
Schrieb er manches Unbequeme,

Ja die ganze Papsterei

Scheint ihm nicht ganz einwandfrei.

Erstens nennt er's unerwiesen.

Daß Herr Jesus Christus diesen
Römerpriestern einst die Welt
Zur Beherrschung unterstellt;

Ihre Geld- und Macht-Begierde
Scheint ihm zweitens keine Zierde,

Drittens manches Dogma schief.

Mancher Schrifttext apokryph.

Ja sogar am — Fegefeuer
Zweifelt er — so ungeheuer
Ketzert der besagte Max —

Horribili — scribifax!!

Darum kriegt der Monitore
Herrn Del Val's den Monsignore,
Schwuppdich! jetzt beim Hammelbein —
Dies soll nur ein Gleichnis sein!

Wie es heißt, ist abgekartet.

Daß man ihn in Rom erwartet
Ohne Gnade jetzt behufs
Demutvollen Widerrufs.

'Wird sich laudabiliter er
Unterwerfen also schwerer
Sühne? Oder ob er spricht:

„Dixi! Anders kann ich nicht!"?

Sehr gespannt und höchst vergnüglich
Warte ich nun diesbezüglich —

Ob es so kommt, oder so,

Immer bin ich drüber froh!

Gibt er nach, der erst so schneidig,

Sag' ich etwas schadenfreudig:

Siehste wohl: Qui mange du Pape,

Kriegt fast immer Bauchweh ab!

Bleibt er fest, so will ich's loben,

Daß auch mal ein Herr „von oben"
Siegreich, keck und furchtlos ficht
Für den Fortschritt und das Licht!

Letzt'res wag ich erst zu hoffen,

Wenn der Bannstrahl schon getroffen,

Oder aus der Kirche stracks
Ausgetreten Max de Laxe! rips

*

Gin ernster Konflikt

Zwischen dem Reichskanzler und dem preu-
ßischen Ministerpräsidenten ist es bei einer Kon-
ferenz über das Wahlrecht zu einem ernsten
Register
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
[nicht signierter Beitrag]: Ein ernster Konflikt
Pips: Der schwarze Prinz
H. St.: Also!
Karlchen: Der Traum des englischen Wählers
Frido: Der neue Rodensteiner
Willibald Krain: Weihnachts-Julklapp 1910
 
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