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Neid

Sie spielten mit Krone und Szepter so gern,
Die belgischen ultrakatholischen Herrn.

Sie wollten der Schule, ach, geben den Rest,
Sie wollten sie schlagen in Ketten gar fest.

Es sollten Zeloten der Schule Geschick
Regieren mit schielendem, pfäffischem Blick.

Da brachten sie schleunigst ein Schulgesetz ein.
OJammer, »Jammer, einBelgier zu sein!

In Belgien riefen die Pfaffen Triumph,

In Belgien hieß es: Das Zentrum ist Trumpf.
Da strömte die Menge ingrimmig herbei.

Zum Könige drang ihr entrüsteter Schrei.

Der machte durchs ganze Gesetz einen Strich;
Hei, wie da die Pfaffengesellschaft erblich!

Ihr ganzes Gebäude, es stürzte da ein.

O selig, o selig, ein Belgier zu sein!

Frido

Wer hat dich, du schöner Wald . . .7

Ein Bläserquartett aus Dresden, das einen
Ausflug in das Schrammsteingebiet unter-
nahm und auf einer Aussichtswarte das oben-
genannte Lied Mendelssohns blies, wurde nach-
träglich vom k. Forstamte Postelwitz nach
§ 360, Ziff. 11 P.St.G. zu 10 Mark Geld-
strafe verurteilt, weil es ohne Einwilligung
der Polizei Musik gemacht und dadurch un-
gebührlicher Weise ruhestörenden Lärm
verübt habe. Aus den näheren Gründen des
Urteils teilen wir mit: Es sei falsch anzunehmen,
daß im Freien oder im Wald Jeder
blasen dürfe, wie er wolle, oder daß
lautes Blasen nur in der Nacht ruhestörende
Geräusche darstelle. Auch am Tage sei die
Hervorbringung solcher Geräusche
strafbar, insbesondere sei der Kgl. Wald nur
den Kgl. Forstbeamten zum Beblasen freige-
geben. Erschwerend falle ins Gewicht, daß die
Herren sich zur Ausübung ihrer gesetzwidrigen
Tätigkeit zus amm eng erott et haben und
gemeinschaftlich groben Unfug ver-
übten. Die Strafe sei in Anbetracht der bis-
herigen Unbescholtenheit der Kulpaten gering
bemessen worden, obwohl anzunehmen sei, daß
bei ihnen als Vertretern einer jüdischen
Handelsfirma — sie hätten Sachen von
Mendelssohn & Eichengrün vorgeführt
— auch zu einer höheren Beanspruchung die
erforderlichen Vermögensverhältnisse vorhanden
gewesen wären. Immerhin möchte darauf hin-
gewiesen werden, daß im Wiederholungsfälle
strengere Bestrafung eintreten würde. Der
Wald gehöre dem Wilde, den konzessio-
nierten Beeren- und Streusuchern und den Holz-
interessenten. Sogenannte Naturschwärmer
gehörten in ihr Zimmer und hätten im
Walde nichts zu suchen.

Rgl. Forstverwaltung Strammschein.

A. ». W.

Frankreich in Marokko

„Was, Spanien kommt auch noch!? Das ist
ja flagrante Verletzung der Algeciras-Akte!
wo ist das Ding eigentlich? \“

„Im vertrauen, General, wir haben 's auf
dem W. C. aufgehängt!"

*

Das „schwebende Verfahren"

„Er greift in ein schwebendes Verfahren
ein!" klagte der Lämmergeier, der das geraubte
Huhn fallen lassen mußte, weil der Bauer nach
ihm schoß.

„Greifen Sie nicht in dieses äußerst schwebende
Verfahren ein!" sagte ein Einbrecher, als jemand
an der Leiter zog, auf der er kletterte.

„Wir erteilen Ihnen einen Verweis wegen
Eingriffs in ein schwebendes Verfahren," schrieb
das Berliner Konsistorium an die Pastoren,
welche den Strick zu durchschneiden versuchten,
an dem die hohe Obrigkeit den Pfarrer Iatho
an den Galgen zog — und seit fünf Monaten
noch immer zieht.

Lkainpagnerlieck

des französischen Ministerpräsidenten

„Ich denke der Champagnerwein
Wird, wo er wächst, am besten sein."

— Wo aber wächst denn echt und rein
Nun wirklich der Champagnerwein?

Kind, das kann ich dir nicht sagen.

Denn sonst werd'ich totgeschlagen.

A. 1>. Bf.

-k-

¥Xn aber rrraus!

Der konservative Staatsmann von Oldenburg-
Ianuschau machte unlängst von seinen Wählern
in Westpreußen seinem gepreßten Kerzen Luft
und ging scharf ins Gericht mit dem Reichskanzler,
weil dieser in der Llsaß-Lothringen'schen ver-
fassungsfrage mit Lsilfe der Sozialdemokraten über
die von Gott eingesetzte Rechte gesiegt hatte.
Und sprach die geflügelten Worte:

„wenn die Sozialdemokraten nun sehen, daß
sie Regierungspartei geworden sind — dann sind
sie im Bundesrat. wie sie wieder herauskommen,
wird von Bethmann seinem Nachfolger über-
lassen müssen."

Also die Herren setzen den Reichskanzler ganz
einfach ab.

Und wenn er nicht geht?

Dann nimmt der £?err v. Oldenburg einen
Inspektor mit zehn Taglöhnern und räumt
das Reichskanzlerpalais!

wenn aber der R a t f e r nicht damit einver-
standen ist?

Ja nu schau', dann nimmt der Herr v. Olden-
burg zwei Inspektoren mit zwanzig Taglöhnern
und räumt das Berliner Schloß!

PPS

Bibelfeftigkeit

Der Bischof Keppler von Rottenburg hat
ein Buch „Mehr Freude" geschrieben. Die
Zeitungsnachricht, daß er dieses Buch dem
Kaiser auf dessen ausdrücklichen Wunsch zu-
gestellt habe, ist allerdings offiziös dementiert
worden; aber ein solcher Wunsch des Kaisers
wäre begreiflich gewesen, denn das ganze Buch
predigt nur Toleranz und mahnt zum Frieden:
die Christen sollen vergessen, was sie trenne,
und nur an das denken, was sie eine.

Nun kamen aber die Nörgler, denen niemand
es recht machen kann, und sagten dem toleranten
Kirchenfürsten: „Warum schreibst du so und
handelst doch anders? Warum predigst du hier
die Liebe und verdammst in deinem Kirchen-
amt die liberalen Katholiken? Warum sprichst
du von Versöhnung und handelst gegen die
Modernisten als Hasser und Rächer?"

Der bibelfeste Bischof aber antwortete nur:
„Matth. 23, 3."

Und als die Nörgler, die ihre Bibel natür-
lich nicht auswendig wußten, nachschlugen, da
lasen sie: „Alles nun, was die Schriftgelehrten
euch sagen, daß ihr halten sollt, das haltet und
tut es; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht
tun. Sie sagen es wohl und tun es nicht."

Frido

Beruhigung für den Sommer in Marokko

Superbe! In Deutschland beginnen ja
bald die Gevichtsferien. da kann Michel nicht
einmal auf Exmission klagen."

Ein Ueberhausherr

haust in Köln am Rhein. Er verlangte von
einem einziehenden kinderlosen Ehepaar die
Unterzeichnung eines Kontraktes, der sie bei
einer Konventionalstrafe v on 1000 Mk.
verpflichtete, „sich auch künftig keine
Kinder halten zu wollen." Als nun aber
der Storch doch unversehens zu dem pflichtver-
gessenen Ehepaar kam, klagte der Hausherr,
ob solcher „groben Fahrlässigkeit" em-
pört, auf Zahlung der Konventionalstrafe. Leider
wies das Gericht den braven Mann, der doch
nur wie Shylock selig auf seinem Schein bestand,
mit der Klage ab.

Wie uns von sonst zuverlässiger Seite mit-
geteilt wird, hat der Mann jetzt auch seine
FrauMama verklagt. Er hat entdeckt, daß
der Paragraph bezüglich Kinderlosigkeit der In-
wohner und Konventionalstrafe auch schon zu
seines Vaters Zeiten in der Hausordnung stand,
und daß also seine Mutter, als sie ihm das
Leben gab, auch ihrerseits sich jener groben
Fahrlässigkeit schuldig machte. Der Ueberhaus-
herr verlangt jetzt von ihr die nachträgliche
Zahlung von tausend Emm. Fips

! Vorsicht!

Das Kgl. Bayrische Zentralamt für chronische
Briefmarkenerneuerung gibt bekannt:

„Es hat sich herausgestellt, daß die neuen
bayrischen Iubiläumszehnpfennig-Marken ihrer
koloristischen Eigenart und ihres Formates
wegen vielfach für Biermerk er ln gehalten
und von unvorsichtigen Menschen auf die Gläser
geklebt wurden. Das Zusammenwirken von
Anilinrosa und Eiergelb auf diesen Marken
hat nun das Bier vielfach nicht ausgehalten,
es entwickelt sich in der Flüssigkeit anilin-
saures Kakophonin und schwere Vergif-
tungserscheinungen (wie durch die Backa-Mar-
garine) waren die Folge. Es wird daher vor
unvorsichtigem Gebrauch der Marken, die man
auch kleinen Kindern nicht zum Spielen geben
soll, gewarnt! Sehr brauchbar sind sie dagegen
als Fliegenpapier!

Wir erfahren, daß der Farbengebung der
neuen Marken eine ganz besondere und sehr
lobenswerte Absicht der Behörde zugrunde liegt:
man wollte durch die vernichtende Wirkung
der giftigen Farben die saubere Zunft der
Zwischenhändler ausrotten, die bei allen solchen
Neuausgaben jetzt ihr Unwesen treiben. Mehrere,
die größere Posten der Marken aufkauften,
sind denn auch bereits ihrer Profitgier zum
Opfer gefallen! — n —

0

Das Rorallenkettlin

Das Drama „Das Aorallenkettlin" von
Franz Dulberg, das im Berliner Reuen Schau-
spielhause — es liegt im Meichbild von Schöne-
berg — aufgeführt werden sollte, wurde vom
Schöneberger Polizeipräsidium verboten, weil der
erste Akt in einer Gasse mit verrufenen Däusern
spielt und da ein unerfahrenes junges Mägdulein
schlimme Dinge erlebt. Der Autor wollte diesen
ersten Akt umarbeiten, der Zensor aber erklärte,
er werde das Stück auch dann kaum zulaffen
können.

Und das mit Recht! Gin Stück, in dem die
Ungeheuerlichkeit als möglich hingestellt wird, daß
ein würdiger älterer Raufherr, gewissermaßen ein
altdeutscher Kommerzienrat, sich mit sündhaften
Frauenzimmern abgibt und daß gar ein hochvor-
nehmer junger Herr sich mit einem Mädel einläßt,
ohne durch den Segen der Kirche mit ihr ver-
bunden zu sein — ein solches Stück darf in der
Metropole der deutschen Sittlichkeit nicht gegeben
werden. Wie leicht könnte eines der unerfahrenen
jungen Mädchen, welche die Animier-Bars, Feen-
paläste, Amorsäle und die Friedrichstraße bevöl-
kern, so ein Stück zu sehen bekommen und ver-
dorben werden.

Man darf dort nicht vor keuschen Ohren nennen,
Mas keusche Kerzen — nicht einmal

vom Hörensagen kennen!


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[nicht signierter Beitrag]: Das "schwebende Verfahren"
Pips: Das Korallenkettlin
Pips: Ein Überhausherr
pps: Nu aber rrraus
Frido: Neid
-n-: Vorsicht!
Frido: Bibelfestigkeit
A. D. N.: Champagnerlied
A. D. N.: Wer hat dich, du schöner Wald...?
Monogrammist Frosch: Beruhigung für den Sommer in Marokko
 
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