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Nixe und Pelikan

Julius Diez (München)

verlassen wolle, um ihr anzugehören. Das
Mädchen war sehr bekümmert; nicht als ob
sie das Gefühl des Mannes nicht erwidert hätte,
im Gegenteil, sie liebte ihn mit der ganzen Glut
ihrer Jugend, obwohl er um fünfzehn Jahre
älter war als sie; aber in ihrer Redlichkeit
sträubte sie sich dagegen, die Zerstörerin seines
häuslichen Glücks zu sein, der Frau den Gatten,
den Kindern ihren Vater zu rauben. „Ich will
dir sein, was du von mir forderst," sagte sie,
„nur laß mich nicht zur Verbrecherin an dir
und den Deinen werden."

Herr de Landa war jedoch ein zu gerader
Mensch, um das Zwieträchtige und Unbefrie-
digende eines solchen Verhältnisses dauernd er-
tragen zu können, ein jäher Entschluß beendete
sein Schwanken, und er teilte seiner Frau mit,
wie die Dinge stünden. Diese hatte natürlich
längst geahnt, längst das Schlimme nahen ge-
fühlt; sie schwieg eine Weile, endlich sagte sie
zu ihm: „Scheiden lasse ich mich nicht von dir,
das kann ich nicht, das wäre mein Tod; wenn
du aber nicht ohne Iosepha leben kannst, so
nimm sie ins Haus, ich will mit meinen besten
Kräften versuchen, mit ihr unter einem Dach
zu wirtschaften."

Herr de Landa war sehr überrascht von
diesem Vorschlag, er verbarg seine Bewegung
und ging ohne zu antworten hinweg. Seine
Verwunderung wuchs, als Iosepha durchaus
nicht entrüstet oder verletzt war, als er ihr von
dem sonderbaren Ansinnen erzählte; tapfer blickte
sie dem Ungemeinen ins Auge, ehe noch der
Tag verfloß, begab sie sich zu Frau de Landa,

war betroffen von deren Güte und von einer
Seelengröße erobert, der sie nur durch Nach-
eiferung danken zu können glaubte.

Der Pakt war alsbald geschloffen. Die
äußere Form machte geringe Schwierigkeit, —
Iosepha war die Vertrauensdame des Hauses,
die Schlüsselbewahrerin, während sich Frau de
Landa mehr der Erziehung der Söhne widmete.
Es gibt keine Leidenschaft, über die sich nicht
endlich das Grau der Alltäglichkeit breitete;
was anfangs abenteuerlich, ja gefährlich er-
schienen war, wurde Gewohnheit, die Empfin-
dung des Problematischen wurde durch stetige
und herzliche Einigkeit verdrängt, und so frie-
densvoll fügten sich die beiden Frauen in ihrem
Wandel und in ihren Gepflogenheiten ineinander,
daß sie Abend für Abend in demselben Zimmer
an demselben Tisch saßen, Handarbeiten ver-
fertigten, Wäsche ausbejserten, dabei von „ihm"
sprachen, der in Gesellschaft gegangen war oder
sich auf Reisen befand und den sie in all ihren
Regungen, in Worten und Gedanken treu be-
gleiteten.

Auch die Söhne nahmen die Ordnung des
Hauses als eine natürliche hin, sie dutzten Io-
sepha und behandelten sie wie eine Freundin.
Einundzwanzig Jahre waren verflossen, da
starb Herr de Landa eines plötzlichen Todes.
Als die schmerzlichen Tage der ersten Trauer
vorüber waren und Frau de Landa eines
Abends mit ihren Söhnen über deren Zukunft
sprach, kam Iosepha herein, trat auf den älteren
Sohn zu, übereichte ihm die Schlüssel, die sie
so lange im Besitze gehabt und sagte, er möge

nun nach seinem eigenen Ermessen darüber
schalten, sie erwarte seine Befehle.

Der junge Mann wußte nichts zu ant-
worten, aber Frau de Landa nahm die Schlüssel
aus seiner Hand und gab sie Iosepha mit den
Worten zurück: „Nichts da, Iosepha, es bleibt
alles beim Alten." Und so führten die zwei
Frauen ihr bisheriges Leben weiter, saßen wie
vorher bei der abendlichen Lampe und unter-
hielten sich von „ihm", der nun gestorben war,
von seinen Tugenden und seinen Fehlern, von
dem, was er getan und was er gesprochen und
wie mancher Charakterzug in den Söhnen an
ihn gemahne. Sie verstanden sich in jedem
Blick und Laut, sie waren wie zwei Schwestern,
die durch gemeinsam erprobte Liebe unverbrüch-
lich aneinander gebunden waren.

Erich

Hab ein Bübchen mit flachsblondem Haar,
Lockenkringeln, wunderbar.

Niedlichen Höschen bis übers Knie —
Traurig ist mein Bübchen nie.

Händchen in Taschen, wie 'n großer Mann
Aeugt er von allen Seiten dich an.

Wiegt das Köpfchen: du, kennst du mich?
Weißt — ich bin der Erich — ich!!

Louise Äoch-Schicht

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Julius Diez: Nixe und Pelikan
Louise Koch-Schicht: Erich
 
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