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fascking ,9,2

A. Schmiclhainmer

„was wollen denn die Damen alle auf der Polizei?"

„Der Zensor macht ihnen einen Strich auf den nackten Busen, wie
weit sie dekolletiert gehen dürfen."

Kravirsimo jfmcriKa!

Bekanntlich gibt es arge Hygiänen
Im Land der Dollars und der Prohibition,

Die schwer gefährdet die Gesundheit wähnen,
Wenn zwei beim Kusse ihren Atem mischen!

Sie schrei'n: Zum Busseln laßt euch nicht verlocken
3m Liebeskoller, denn sonst nüißt ihr sterben,
Könnt Billionen von Bazillen erben,
Trypanosomen oder Streptokokken!

Aus Angst vor Typhus, Maul- und Klauenseuche,
Tuberkulose, Starrkrampf, Kindbettfieber,

Will unfern süßesten der Liebesbräuche
Ausrotten jene Schwefelbande lieber!

Aus Furcht, daß Jene, so sich zärtlich schnäbeln,
Den Schnupfen kriegen oder die Angina,

Will so ein Narr — man glaubt, man wär

in China! —

Das schönste Recht verliebter Lippen knebeln!

Durch solche hygienische Methode
Käm' unabwendbar — wäre das ersprießlich? —
Die Liebe selber briiben aus der Mode
Und mit der Liebe auch die Ehe schließlich.

Bald hätten Mann und Weiblein es verschworen,
Sich weiter je, als auf drei Schritt zu nähern
Und dann — dank den Gesundheitspharisäern —
Wär' bald das letzte Baby dort geboren!

Gottlob, ist aber im Gesundheitsamte
Zu Washington gesünderer Verstand da
Und gegen diese Kußscheu, die verdanunte,

Erhebt es sich zur Gegen-Propaganda:

Ein gutes Beispiel allem Volk zu zeigen,
Schmückt sie zur Weihnacht — wie Sie

wissen müssen,

Darf man dort unterm Mistelzweig sich küssen! —
Die Anitsbüros mit grünen Mistelzweigen!

Dort küssen die Beamten sich in Masse
Mit hübschen Telefon- und Tipp-Mamsellen,

Die Kassen-Misses küßt der Chef der Kasse —
Man küßt, ein leuchtend Beispiel hinzustellen,
Man küßt — das ist genau zu unterscheiden! —
Nicht gierig-lüstern oder wild-erotisch,

Man küßt im höchsten Sinne: patriotisch —
Amerika! Wie muß ich dich beneiden!

Biedermeier mit s—i

Den frieäen unci cter Rrieg

(Ein Sylvestcrscherz)

Der Frieden und der Krieg, die sich, trotz
ihrer stark entgegengesetzten offiziellen Tätigkeit,
privatim recht gut vertragen, bereiteten sich in
der Silvesternacht dieses denkwürdigen Jahres
das Vergnügen, aus Zinn allerlei bedeutsame
Figuren zu gießen. Der Friede holte mit seinem
Löffel aus der dampfenden Schüssel ein Ding
hervor, das sonderbarerweise viele Aehnlichkeit
mit — einer Schnellfeuer Kanone aufwies!
Dem Kriege aber wurde ein Gegenstand be-
ssert, den man mit einiger Phantasie wohl für
eine Friedenspalme halten konnte! — Beide
gingen sofort zu einer weisen Frau. Diese nahm
vorerst das Schnellfeuergeschütz des Friedens
und sprach zu dem glücklichen Besitzer: „Damit
sollst Du einst Viktoria schießen, wenn Du Deine
Ideen auf dieser Erde zum Siege geführt hast,
vorausgesetzt, daß dieses Geschütz-System bis da-
hin nicht längst veraltet ist. — Inbetreff Deiner
Zinnfigur aber," belehrte sie den Krieg, „hast Du
Dich gründlich geirrt! denn diese „Frieoenspalme"
ist ganz unverkennbar — ein richtiger Kanonen-
wijchcr!" m. Br.

wahre Geschichtchen

Der Freiherr von Ixberg, beim 7. Garde-
dragouerregiment jüngster Leutnant, altem, sen-
dalem Heeresadel entsprossen, unterrichtet seine
Rekruten über Preußens Wiedergeburt. Als er
auf die großen Männer zu sprechen kommt, die
„den faulen Schlendrian zum Tore hinausgejagt
haben" spricht er mit erhobener Stimme:

„vor allem müssen wir uns die großen Männer
von Eisen merken, die die Sache in die richtigen
Geleise gebracht haben: den hork, Blücher und
Scharnhorst." — Panse — „Und dann ist da noch
ein Mann: Stein" — mit herablassender hand-
bewegung — „der hat die Zivilgeschichte gemacht."

Der Ordinarius der Tertia hat den Schülern
auseinandergesetzt, daß „Euphemismus" die Be-
zeichnung von etwas häßlichem durch ein schönes
Wort ist. Die „Lumeniden", — die wohlge-
sinnten, — für die Furien sind abgehandelt, ebenso
das „klare euxinum", — das Gastliche, — für
das verrufene Schwarze Meer. Keinem fällt ein
weiteres Beispiel ein.

Endlich erhebt sich, blaurot vor Verlegenheit,
der Primus und stammelt mit niedergeschlagenen
Augen: „Der Allerwerteste."

Zittert, Ihr Völker!

Auf Gabriele d'Annunzio wirkt der italienisch-
türkische Krieg sehr ungünstig ein: er dichtet an-
haltend Oden. Seine neueste Ode betitelte sich
„Sang an die Dardanellen" und enthielt gehässige
Schmähungen gegen Oesterreich und Deutschland.
Schon sah sich Gabriele auf dem Kapitol in
Marmor gemeißelt, schon sah er seine Schulde»
aus der Staatskasse bezahlt, da — 0 Enttäuschung —
konfiszierte die Zensurbehörde seine Ode.

Gabriele schnaubt Rache: ein leichtes wäre
es ihm, mit einem Blick seines göttlichen Auges
den Zensor zu zerschmettern oder mit einer sanften
Handbewegung die Türkei aus dem Globus z»
streichen; ein wackeln seines Ohres, und Oester-
reich hat aufgehört zu existieren. Aber grausamer
wird Gabrieles Rache sein: Zittert, Ihr Völker!
Gabriele dichtet weiter Oden!

Karlchen

*

Der Kandidat

„Meinen Anzug Hab ich bei einem Sozi mache»
lassen, meine Leibwäsch' bei einem Freisinnigen!
mein Zylinder stammt von einem Antisemiten,
dir Stiesel bat rin Zentrnmsschuster gefertigt »nd

frisiert hat mich ein liberaler Bader. Mehr kan»
ich fiir die Volkstümlichkeit nicht tun!"

(Zeichnung von A. Geigenberger f)
Register
Karlchen: Zittert, ihr Völker!
Biedermeier mit ei: Bravissimo Amerika!
M. Br.: Der Frieden und der Krieg
Arpad Schmidhammer: Fasching 1912
August Geigenberger: Der Kandidat
 
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