Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeichnung von A. Schmidhammer

Die Georgine

warum Io spät erst, 6eorgine?

Das Dosenmärchen ill erzählt,

Und honigsall Hai sich die Kiene
ka§ Bett zum Zchlummer schon gewählt.

Sind nichl zu lang dir diele Nächte,

Die Tage nichl zu schnell dahin?
wenn ich dir jetzt den Frühling brächte,
Du feuergelbe Träumerin!

wenn ich mit Maitau dich benetzte,
kegösse dich mit Auni-Licht!

Doch ach, dann wärst du nicht die Letzte,
Die stolze Linzige auch nicht.

Du spät gebornes Kind der 5onne,

Ich reich' dir brüderlich die Hand,

'Ich Hab' des Lebens Frühlings-Wonne
wie du den Maitag nie gekannt.

Und spät wie dir, du seuergelbe.

5tahl sich die Liebe mir ins Herz,

0b spät, ob früh, es Nt dasselbe
Lntzücken und derselbe 5chmerz.

Hermann von «ilmck

schimmerndes Juwel, das man an die weiß«
schmale Hand einer schönen Frau steckt, nicht blas
eine begeisterte Vortragsstunde im engsten Freum
bcshi'eis — davon scheint Gilm nie die wahr«
Erkenntnis besessen zu haben. Jedenfalls wai
er mehr als befd)eiben. Sogar uuverantwortliä
beicheiden. Es ist nicht bekannt, daß er selbs
jemals irgendwelche nennenswerte Anstrengungen

Ö hätte, sein Lebenswerk an die groß«
chkeit zu bringen. Wenn er heute wieder
lmme, wäre er wahrscheinlich erstaunt darüber
ckh noch irgendwer von ihm spricht. Er hatt«
von feiner wahren Bedeutung keine Ahnung
ffi.,e1e unbewußte Größe ist eigentlich die echteste
Emm Vorteil bringt sie ja. Sie erspart di.
oitterms des Berkanntwerdens.

11)1^ wo erwuchs diese Fülle von Poesie i
lernen tiroler Nestern. Die Linzer Period«
!§Wj Ehr gezeitigt. Was sind Cchwaz
r«;r * und Rovereto im Geistesleben? Nullen
K ”5™.™ es, auch dort einen schöngeistige,
Under ^ ^ versammeln. ^ Er war ein gläu

viele« Gesellschafter. Und die Liebe verklärt«
Sdiml i.,ns !°I\^ • Naher Alltag gewesen wäre
Iqrik des nioerfitätsgeit treibt die Liebes^
Zyklus Mn^'rs ihre ersten Sprossen. Ei,
und voll zarter Empfindunc

EntstehunaX($tX ^urbeseelung verdankt fein«
9 ®ü,„5 Liebe zu einem schönen junge.

Mädchen Fosefine Kogler. Derselben Liebe _ ist
der Zyklus: „Sommerfrische in Natters" geweiht,
der uns den Dichter bereits auf einer hohen Stufe
der Vollendung zeigt. Wohl selten hat sich ein
Mann so in eine junge Müdchenseele hineinge-
lebt wie Gilm in diesen Liedern, die sich als Fch-
Poesien des geliebten Mädchens selbst geben, ihr
direkt in den Mund gelegt werden. Diese an-
schmiegende Weichheit, dieses staunenswerte Ver-
ständnis des zur Liebe erwachten Weibes, diesen
ganzen Duft und Zauber einer jungen Herzens-
neigung, gesehen und empfunden aus der Seele
des Weibes heraus, hat mit gleicher Innigkeit
vielleicht nur noch Chamisso gestaltet.

Diese Lieder sind ein sonniges Präludium zu
der tiefen, düstern, tragischen, himmelstürmenden
Leidenschaft des Zyklus: „Theodolinde," der
Frucht einer unerwiderten Liebe zu der schönen
Theodolinde v. Gasteiger, der Nichte des Kreis-
hauptmanns von Schwaz. Es geht eine Werther-
ftimmung durch diese Elegien, ein großer Zug
echten Schmerzes. Noch in den „Liedern eines
Verschollenen" bebt dieses Weh, diese hoffnungs-
lose Klage, um dann aber in die mächtigen Ak-
korde begeisterter Freiheitslyrik überzugehen. Mar-
kige, kühne Verse. Pon hier aus reckt sich der
glühende Freiheitsdrang Gilms zu immer kon-
kreterer Gestaltung empor. Was er den Dunkel-
männern seiner Zeit ins Gesicht schleudert, das

ist so modern, daß es heute neu erscheinen könnte.
Am bekanntesten sind darunter Gilms „Iestuten-
lieder" geworden oder eigentlich das eine Gedicht:
„Der Jesuit," jene klassische Schilderung des finstern
Jüngers Loyolas im Gegensatz zu der lichten
Gestalt des Heilands. Aber nicht dieses Gedicht
halte ich für die Perle der „Festütenlieder", sondern
die sechs Sonette: „Der Tiroler Landtag." Da
drinnen liegt soviel Satire, soviel beißender Hohn,
daß diese Schöpfungen schon dadurch unsterblich
sind. Freiheitsdurst und innige Heimatsliebe geht
auch durch Gilms tiroler Schützenlieder. Die
Ballade, die der Dichter später noch zu hoher
Vollendung führte, tritt hier zum erstenmal in
den Vordergrund. Der Haß und die Empörung
gegen die geistlichen Unterdrücker und ihre Helfers-
helfer lodern in Gilms Freiheitsgesängen. Manche
Strophen lesen sich wie grollende Gewitter, zündende
Blitze, furchtbare Anklagen. Wie kann der dumpfe
Bann der Finsterlinge noch treffender und markiger
gekennzeichnet werden, als mit den paar Versen:

Es sind die Täler und die Felsenwarten
Voll schwarzer Mäntel, ultrabreiter Hüte,

Die dulden auf der Erde keinen Garten
Und an dem Baum des Lebens keine Blüte.

Ihre Höhe erreichte Gilms Liebeslyrik in
.seinen Sophienliedern und in den Sonetten au

1299
Register
Herrmann von Gilm zu Rosenegg: Die Georgine
Arpad Schmidhammer: Rahmenzeichnung zum Text "Die Georgine"
 
Annotationen