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Die Blume

Als ich des Nachts den Silbersee durchfuhr,
Entstieg dem Grunde eine wirre Fülle
Von breiten Blättern und in dünner Hülle
Verschlossen eine Blume — Knospe nur.

diese satte, stumpfe, duftende Wachsstange
im grünen Tonleuchter?"

Mein Mann sagte: „Zu was hast Du
jetzt wieder diese 50 Heller hinausgeschmissen?
Tüte es eine Stearinkerze nicht auch und
haben wir nicht noch ein angebrochenes
Paket im Vorratschrank?"

Dann ging er zur Tagesordnung über,
berichtete von der Börse und einem Plus-
geschäft.

Ich dachte: „Armer, reicher Mann, Lebens-
bankerotteur, deine Frau hat ein Plus-, ein
Wuchergeschäft gemacht, sie hat ein tiefsitzendes
Glücksgefühl, eine warme Sinnenfreude für
50 Heller erstanden!"

Aus unbewegter klarer Wasserflur
Erhob sie sich, daß sich ihr Los erfülle,
Daß ihre scheue Schönheit sich enthülle
Und schweigend wieder schwände ohne Spur

Sie wuchs im seelenlosen Mondesglaste
Und reckte zögernd ihre junge Blüte
Zum drohend harten Lichte schlaff und schlank,
Daß sie sein kosend harter Strahl betaste —
Und schmeichelnd traf sie seine eisige Güte,
Daß ihrer Krone Blatt um Blatt entsank.

Bruno Goey

Ferdinand v. G., deine Augen liegen tief
in den Höhlen und haben einen überirdischen
gequälten Glanz. Man vergißt ihren Aus-
druck nicht, er verfolgt einen, weit über das
gewöhnliche Interesse hinaus, an außer-
gewöhnlichen Augen. Sie sagen:

„Ich bin erdrückt, erstickt vom Weibe.
Mein Wille ist lahmgelegt, meine Stimme
ist klanglos, mein Hirn ausgesogen und
meine Kraft zu Ende. Ich bin ein trauriges
Exemplar meines Geschlechts in meiner Fa-
milie. Seht meine drei Töchter an, stark-
knochig, groß, breithüftig, vollblütig. Ihr
Fleisch ist fest und glänzend. Jungfräulich
zwar, gleichen sie eher tragenden Müttern.
Seht meine Frau, energisch, laut und ge-
waltig. Bor ihrem Blick duckt sich alles
wie vor Hieben mit einer nassen Gerte. Ihre
groben Finger ringen und winden sich alle
Rechte in den breiten Schoß und niemand
kann dagegen an. Mein schlanker Körper,
meine fein nuancierte Psyche kommt nicht
auf in der Atmosphäre der Masse an Weib,
nicht zu seinem Recht, verdörrt, vertrocknet
und verdürstet."

Sie sagen: „Ich kenne eine Frau, deren
Gang ist ein Flug, deren Hals ist schlank und
sitzt unbewußt auf herabfallenden Schultern.
Ihre Hüften sind schmal, ihre Knöchel zart
wie der eines Bacarat-Glases. Ich träume
von ihrer Anmut und Zerbrechlichkeit in-
mitten meiner häuslichen Fleischschau. Ich
traf sie neulich und brachte sie von einer
Abendgesellschaft nach Hause. Im Auto
fühlte ich ihre zarten Finger durch das sä-
mische Leder. Am nächsten Tag reiste sie
ab. Ich brachte ihr Blumen an die Bahn,
Veilchen und Maiglocken, einen ganzen Arm
voll warf ich in ihr Coupe. Wir nahmen
Abschied, und ihre schmale Hand lag einen
Augenblick auf meinem Arm. Eine tiefe
Trostlosigkeit stieg in mir auf, als der Zug
langsam aus der Halle fuhr und zugleich
die quälende Frage: ,Wie verrechne ich

meiner Frau die 20 Kronen für das Auto

O. Bauriedl

^Jlernern Hubert!

f3Tafxm icfx Seinen liefen ^opf,
^riickf’ ifxn fefi an meine fZpunge*
^par ums (Söer-j mir roefx unS hange
Aclx, bas Aeken fxaf viel AeiSen.

"Deine rofen ^vinSerlippen
<$pracfxen lie&e, Summe ^AeSen.

— Aangßxrn, leife Sa uerroefxfen
^tehxe Aorgen, meine ActcrnerZen.

"Deine großen, klaren Augen
Ackxauien, wie Sie Aiolken Zogen
In Sie Jerne. — DfnS es flogen
Sen DDolken meine AeiSen.

Aalx icfx Sir Sein junges Aeöen . . .
<S5aff es faufenSfacft vergolten!
AlunSen, Sie rnictx läfxmen wollten,
^cheuchfefi Su mit Seiner Aieöe.

^o^fcftxifxci: *f*

Hpborismen

Von Paul 0arln (München)

Mitten in der Arbeit kommt das Glück
Nicht anders.

Der Künstler setzt sich ins Herz seines
Gegenstandes, der Dilettant setzt sich vor
ihm in Positur.

Die besten Seiten seines Wesens zeigt ein
Mensch in den Dummheiten, die er macht.

Der große Mann ist von Ideen beherrscht,
der kleine vom Gegenteil, nämlich von sich.

Wie Wenige würden schreiben, wenn sie
wüßten, wie viel Blöße und wie wenig Vor-
züge das Schreiben enthüllt.

anrts

Einmal im Leben ist ein Jeder zu einer
großen guten oder schlimmen Tat aufge-
fordert, und ein unverwüstliches Kapital ist
gewonnen oder ein unaufhörlich peinvoller
Zehrer auf den Hals geladen.

Zwei Skizzen

Ich sah bei einem Wachszieher dunkel-
gelbe Kerzen. Sie waren klein, dick und
stumpf, wie die Finger eines gewissenhaften
Gutsverwalters. Sie vereinten Solidität in
der Form mit Genialität in der Farbe. Ich
hatte zu Hause einen grünen Tonleuchter,
der nach dieser braungelben Kerze direkt
schrie, und ich kaufte sie für 50 Heller. Ich
fühlte: „Von der braunen Tapete meines
Schreibzimmers wird sich der dunkle Honig-
ton satt und selbstverständlich abheben, als
wäre es ein traditionelles Stück von Groß-
mutter vererbt und dort hingestellt." Und:
„Wie konnte ich bis jetzt existieren, ohne

Man spricht vom dummen Teufel. Ich
meinesteils kenne keinen gewitzteren Herrn
auf dieser Erde. Vielleicht ist's anders in
einer anderen Welt.

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Je erhabener sich Einer fühlt, desto
gieriger fordert er, seines Unrechts sich ins-
geheim bewußt, Bestätigung, — selbst die
des Schmeichlers.

»
Register
Bruno Goetz: Die Blume
Hanns Holzschuher: Meinem Buben!
Otto Bauriedl: Winterwald
Eidechse: Zwei Skizzen
Paul Garin: Aphorismen
 
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