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lassen. Aber ein wenig könnten sie wohl noch
warten — ein Jahr vielleicht — für diesen Som-
mer sei es ja doch zu spät-

3m Sommer, da lag wieder einmal etwas
Warmes, Rosiges, Lebendiges in dem Korb, in
dem schon so mancher junge Merzbacher gelegen
hatte. Und an den Tagen, an denen die Sonne
es gut meinte, stand der Korb unter der Buche,
und sie breitete ihre Arme weit über dem win-
zigen Etwas, das sich regte und atmete. Und
die junge Bäuerin sah daneben und träumte die
ersten Glücksträume der jungen Mutter-

Sie sagte nichts mehr davon, daß der Baum
geschlagen werden sollte.

3m nächsten Frühjahr ftanb der alte Merz-
bacher im Garten und zimmerte. Eine Bank
zimmerte er sich, unter der Buche. Und er saß
Tag für Tag auf dieser Bank, und der Rauch
aus seiner kurzen Pfeife versing sich in dem
Blütterdach über ihm-

Das ist nun zweiundvierzig 3ahre her. Heute
sitzt der. unter der Buche, der damals der junge
Merzbacher war — mit weißen Haaren und un-

sicheren verschrumpften Händen. Und es steht
wieder ein junger Merzbacher vor ihm, der nach-
denklich hinaufsieht in die mächtige Krone.

„Wir werden ihn wohl schlagen müssen, Vater
— es wächst ja nichts mehr hier im Garten —"

Da lächelt der Alte wunderlich und blinzelt
und der Daumen arbeitet in der Pfeife herum.
Schwerfällig sagt er:

„3a freilich — wir haben ihn schon inuner

schlagen wollen.-Aber ein bißchen würde

ich noch warten. Laß ihn nur noch einmal fünf-
zig 3ahre älter werden."

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Sidonie Staeger-Springer: Sommerblumen
 
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