Die Braut
Fred Koko (Paris)
„Lasten Sic ihn in Ruhe!" unterbrach sie.
von Grauen geschüttelt, der knieende Sohn, „lassen
Sie ihn ruhig . .
,^Er hört ja doch nichts mehr!" fiel ihm kalt
die Krankenschwester ins Wort.
. Aber sie hatte sich geirrt! Plötzlich, wie von
einer flehenden Stimme angerufen, von einem
zündenden Blick herausgefordert, hob sich das
röchelnde Antlitz aus den Kisten, die Lider, unter
krampfhaften Verzerrungen der Wangen, öffneten
sich, die Hände, wie um das aufdämmernde Be-
wußtsein zu unterstützen, glitten zuckend über die
Decke, und die Lippen brachten ein lallendes Wort
zusammen, das Wort „Julian!"
Julian, zweifelnd, staunend, an allen Gliedern
erbebend, stürzte nach vorne. Sein Auge mit
angespanntester Sehnsucht in das brechende ge»
bohrt, drängte er die Knieenden sich zu Seiten
und haschte nach dem Eis der wartenden Hand.
Aber, im Augenblick, sie zu erfassen, legte sich auf
diese Hand die hindernde der Mutter, ein zor-
niger Arm zwängte ihn aus der mühsam ge-
wonnenen Stellung, er taumelte, suchte wie wahn-
sinnig nach dem schon verlorenen Blick des Vaters...
da stieg ein vielstimmiger Schrei aus dem ftill-
gewordenen Gemach: das rödjclnbe Antlitz sank,
wie eine Blume im Schafte geknickt, zum letzten-
mal in die Brust zurück, und war tot!
* » O
Langsam, niemand wußte, war es eine, waren
es zwei Stunden nachher, hatte sich das Sterbe-
Zimmer geleert. Wie erstorben, in die Nacht der
Nutzlosigkeit geworfen, war die Klage der Mutter
und der Kinder verklungen.' der Geistlid-e mit
einer letzten segnenden Hand gegangen, die Kranken»
schwester, als wäre ihr Werk nun vollendet, auf
lautlosen Sohlen verschwunden Die Mutter hatte
sich dann zuerst vom stummen Bett erhoben, dann
war Paul aufgestanden, dann Elisabeth, zuletzt
Gertrud. Und alle, wie sic wankenden Schritts,
aus dem Kerzenlicht duftenden Raum traten, waren
gesenkten Aug» und sestgefestelter Hände an Julian
vorbeigegangen, und hinter dem letzten düstern
Kleid hatte sich die Türe vor seinem bitteren
Blick sicher geschlossen.
Und nun sah er allein neben den» Toten
Er empfand weder Grauen, noch Furcht.
Ihm uhu wohl. Er hielt die erkaltete Hand in
der seinen, die Augen reizlos auf das entseelte
Antlitz geheftet, das der Schein der Kerzen un
Fred Koko (Paris)
„Lasten Sic ihn in Ruhe!" unterbrach sie.
von Grauen geschüttelt, der knieende Sohn, „lassen
Sie ihn ruhig . .
,^Er hört ja doch nichts mehr!" fiel ihm kalt
die Krankenschwester ins Wort.
. Aber sie hatte sich geirrt! Plötzlich, wie von
einer flehenden Stimme angerufen, von einem
zündenden Blick herausgefordert, hob sich das
röchelnde Antlitz aus den Kisten, die Lider, unter
krampfhaften Verzerrungen der Wangen, öffneten
sich, die Hände, wie um das aufdämmernde Be-
wußtsein zu unterstützen, glitten zuckend über die
Decke, und die Lippen brachten ein lallendes Wort
zusammen, das Wort „Julian!"
Julian, zweifelnd, staunend, an allen Gliedern
erbebend, stürzte nach vorne. Sein Auge mit
angespanntester Sehnsucht in das brechende ge»
bohrt, drängte er die Knieenden sich zu Seiten
und haschte nach dem Eis der wartenden Hand.
Aber, im Augenblick, sie zu erfassen, legte sich auf
diese Hand die hindernde der Mutter, ein zor-
niger Arm zwängte ihn aus der mühsam ge-
wonnenen Stellung, er taumelte, suchte wie wahn-
sinnig nach dem schon verlorenen Blick des Vaters...
da stieg ein vielstimmiger Schrei aus dem ftill-
gewordenen Gemach: das rödjclnbe Antlitz sank,
wie eine Blume im Schafte geknickt, zum letzten-
mal in die Brust zurück, und war tot!
* » O
Langsam, niemand wußte, war es eine, waren
es zwei Stunden nachher, hatte sich das Sterbe-
Zimmer geleert. Wie erstorben, in die Nacht der
Nutzlosigkeit geworfen, war die Klage der Mutter
und der Kinder verklungen.' der Geistlid-e mit
einer letzten segnenden Hand gegangen, die Kranken»
schwester, als wäre ihr Werk nun vollendet, auf
lautlosen Sohlen verschwunden Die Mutter hatte
sich dann zuerst vom stummen Bett erhoben, dann
war Paul aufgestanden, dann Elisabeth, zuletzt
Gertrud. Und alle, wie sic wankenden Schritts,
aus dem Kerzenlicht duftenden Raum traten, waren
gesenkten Aug» und sestgefestelter Hände an Julian
vorbeigegangen, und hinter dem letzten düstern
Kleid hatte sich die Türe vor seinem bitteren
Blick sicher geschlossen.
Und nun sah er allein neben den» Toten
Er empfand weder Grauen, noch Furcht.
Ihm uhu wohl. Er hielt die erkaltete Hand in
der seinen, die Augen reizlos auf das entseelte
Antlitz geheftet, das der Schein der Kerzen un